Formel Pink am Norisring: Frauen geben gesondert Gas

2.7.2019, 11:32 Uhr
Formel Pink am Norisring: Frauen geben gesondert Gas

© dpa / Hasan Bratic

Während sich um die männlichen Rennfahrerkollegen kleine Trauben von Journalisten bildeten, hatte Beitske Visser direkt nach der Pressekonferenz schon wieder Zeit, sich mit ihrem Handy zu beschäftigen. Ein wenig verloren stand die Niederländerin auf dem Balkon am Nürnberger Hauptmarkt, Fragen mussten oder vielmehr durften vor allem andere beantworten.

Zwei von 700

Am Wochenende wird das anders sein. Visser steht dann zusammen mit 17 weiteren Frauen am Norisring im Mittelpunkt – zumindest phasenweise. Mit der "W Series" hat es erstmals eine rein weibliche Rennserie ins Rahmenprogramm der DTM geschafft, die Zeit, in der Frauen im Motorsport nur als schönes Beiwerk dienten, als Gridgirls oder Pendant zur Spielerfrau, scheinen vorbei zu sein.

 

Lediglich zwei Frauen haben bis heute ein Formel-1-Rennen bestritten, die Anzahl der männlichen Piloten: 688. Ein Ungleichgewicht, das sich durch alle Klassen – wenn auch nicht immer ganz so extrem – zieht. Und eines, das beseitigt werden muss, findet zumindest David Coulthard. Der Schotte hat es in der Formel 1 immerhin bis zum Vize-Weltmeister gebracht, nun nutzt er sein Netzwerk, um Frauen im Motorsport besser zu fördern. "Es gibt keinen Grund, warum der nächste Lewis Hamilton keine Frau sein sollte", hat er vor dem Start der "W Series" gesagt.

Auf sechs Strecken dürfen die Teilnehmerinnen in der neu geschaffenen Serie nun zunächst einmal beweisen, dass körperliche Unterschiede im Motorsport nicht viel bedeuten, und Frauen genauso packenden Rennsport liefern können. Beitske Visser ist das bislang sehr gut gelungen. In der Gesamtwertung liegt sie derzeit auf Platz zwei, am Samstag (16.10 Uhr) könnte sie zu Jamie Chadwick, der Führenden, aufschließen.

Playboy und Beulen 

Frauen auf dem Norisring, das ist zunächst einmal nichts Neues. Insgesamt zehn Fahrerinnen haben sich in der Geschichte der DTM einen Startplatz erkämpft, auch im Rahmenprogramm wurden die Geschlechtergrenzen immer wieder aufgehoben. Allerdings musste man es nicht als Etappensieg im langen Kampf um Gleichberechtigung werten, wenn es beim Audi TT Cup oder dem VW Scirocco Cup gemischte Starterlisten gab. In den nicht ganz so ernst gemeinten Wettbewerben wurden auch mal kurzerhand Herren ans Steuer gelassen, die eigentlich als Skispringer berühmt geworden waren, oder Damen, die das Cover des Playboy zierten. Die Beulen und Kratzer in den Autos wurden bei den Herstellern hinterher vermutlich über den Werbeetat abgerechnet.

Bei der "W Series" geht es deutlich ernsthafter zu, obwohl es auch hier nicht ganz ohne Klischees geht. Dass die Formel-Wagen in Pink und Lila gehalten sind, ist sicher kein Zufall.

61 Kandidatinnen hatten sich um ein Cockpit beworben, neben dem Nachweis, ein außerordentliches Talent am Steuer zu sein, mussten die Frauen auch belegen, dass sie unfallfrei Interviews geben und Sponsoren akquirieren können. Als Preisgeld winken am Ende 1,5 Millionen Dollar und die Perspektive, weiter gefördert zu werden, um in eine lukrativere Serie aufzusteigen.

Ein echter Etappensieg im langen Kampf um Gleichberechtigung also? Nein, sagen Kritiker, wobei es vor allem Frauen sind, die der Serie ablehnend gegenüberstehen.

"Für mich ist das ein Rückschritt" 

"Was für ein trauriger Tag für den Motorsport" twitterte die britische IndyCar-Pilotin Pippa Mann, als die Pläne bekanntwurden: "Anstatt Rennfahrerrinnen zu fördern, werden sie separiert." Die Münchnerin Sophia Flörsch, die es in die Formel 3 geschafft hat, formulierte es ähnlich: Die Probleme, die von den Machern der Serie benannt würden, sehe sie ebenfalls, nur käme sie zu einer völlig anderen Lösung.

Und Ellen Lohr, die als bislang einzige Frau ein DTM-Rennen gewinnen konnte, wurde in der Berliner Morgenpost so zitiert: "Für mich ist das ein Rückschritt. Frauen werden nur vorankommen, wenn sie sich mit Top-Konkurrenten, also in der Regel Männern, messen müssen."

Ob die Serie wirklich dazu taugt, dass Frauen im Motorsport seltener im Abseits stehen, muss sie also erst noch beweisen.

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