Frauenfußball macht fitter als Joggen

10.6.2011, 20:37 Uhr
Frauenfußball macht fitter als Joggen

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Deutschland – Männer-Fußballland? Rund 40 Prozent der Deutschen mögen Fußball, doch nur jeder Zehnte kickt in seiner Freizeit selbst. Bei Frauen sind es sogar nur vier Prozent. Das ergab eine aktuelle Studie von TNS Emnid. „Der Grund dafür ist eine traditionelle Denkweise. Fußball war bisher immer ein Männersport“, erklärt Andreas Metzger, Sportmediziner und Vereinsarzt der Club-Frauen. „In Amerika boomt Fußball gerade bei den Frauen und weniger bei den Männern. Fußball ist also keine typische Männersportart“, meint er.

Gründe für die weibliche Fußballverdrossenheit gibt es viele. 65 Prozent der Emnid-befragten Frauen gaben an, dass sie sich von einer anderen Sportart mehr Effekte für Figur und Gesundheit erhoffen, als vom Spiel auf dem Rasen. Diese Einschätzung widerlegen die Experten und stützen sich zudem auf Vergleichsstudien der Universität Kopenhagen: Die dänischen Forscher ließen untrainierte Frauen zwei Jahre lang wöchentlich joggen oder kicken. Am Ende stand ein klarer Sieg nach Punkten für den Mannschaftssport. Die Körperwerte der kickenden Probandinnen übertrumpften die Werte für Puls, Fettmasse und Cholesterin, die die Joggerinnen erreichten.

Gleichzeitig wurden Knochen und Muskeln gestärkt. „Beim Fußball werden eben unterschiedliche Qualitäten trainiert“, kommentiert Andreas Metzger das Ergebnis. „Laufen dient überwiegend der Ausdauer und der Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems“, erklärt er. Fußball sei im Gegensatz dazu keine gleichförmige Bewegung, sondern zeichne sich durch unterschiedliche Geschwindigkeiten aus. Die Sportlerin rennt, springt, macht Pause und rennt weiter. „Es kommen die Schnelligkeit, die Sprungkraft und vor allem die Koordination mit dem Ball hinzu“, sagt der Mediziner. Diese Differenzen machen das Kicken zu einer Art andauerndem Intervalltraining. „Und Intervalltraining trägt eben sehr viel schneller zum Erfolg bei“, fügt Metzger hinzu. In der Praxis schlägt sich das auf den Kalorienverbrauch um: Während eine Fußballerin über 1000 Kilokalorien pro 90 Minuten Spielzeit verbrennt, sind es bei den Joggerinnen pro 40-Minuten-Lauf eben nur 400.

Den Emnid-Forschern zufolge animiert auch das Gruppenerlebnis: zu mehr Einsatz und längeren Spielzeiten. Frauen sind eben soziale Wesen – auch im Sport. „Kickerinnen erkennen sich als Mannschaft, die Einzelne kämpft und leidet mit dem Team. Das Team erlebt Wir-Geschichten“, sagt Metzger.

Weshalb aber immer noch so wenige Frauen selbst kicken, hat mit der Angst vor Verletzungen zu tun – zumindest schreckt das 46 Prozent der Befragten ab. Diese Nebenwirkung kann auch Experte Metzger nicht von der Hand weisen und sieht die Verletzungsgefahr bei weiblichen Kickerinnen gar um das Fünffache erhöht als bei männlichen Spielern: „Wir Sportmediziner sagen oft scherzhaft: Spiel Fußball oder bleib gesund“, kokettiert er und lacht schallend.

Viele der mannigfaltigen Verletzungen, die Metzger in seiner Praxis behandelt, haben sich die Patienten beim Kicken zugezogen. „Fußball ist nunmal eine Kontaktsportart, bei der eine gewisse Zweikampfbetonung einfach gegeben ist“, erklärt der Sportarzt. „Vor allem die Gefahr von Rissen im Kreuzband durch Tackling ist bei Frauen verbreiteter als bei Männern“, berichtet Metzger und erklärt: „Frauen haben einen anderen Unfallmechanismus. Sie neigen vermehrt zu X-Beinstellungen und verdrehen sich dadurch leichter das Knie. Das ist eh eine typische Bewegung für Fußballspieler.“

Mit der richtigen Vorbereitung aber kann der Autsch-Faktor gering gehalten werden: Mit Trampolinspringen oder Fallübungen übt man die richtige Bewegung im Mannschaftstraining und speichert sie im Gehirn als Lösung für den Ernstfall ab. Plyometrisches Training nennt das der Experte. Paralleles, ausgleichendes Training für vernachlässigte Körperregionen hält Metzger generell für nötig. „Es ist sinnvoll zu wissen, dass keine Sportart alle Qualitäten trainieren kann“, sagt Metzger, der selbst keine noch effektivere Sportart kennt. Das Wichtigste sei, am Ball zu bleiben – damit nach dem kurzen Intervalleffekt keine lange Sofa-Flaute steht.

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