Fürth, Fußball und "die größte Herausforderung der Neuzeit"

19.3.2020, 07:18 Uhr
Mit viel Ernsthaftigkeit bei der Sache: Fürths Geschäftsführerduo.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Mit viel Ernsthaftigkeit bei der Sache: Fürths Geschäftsführerduo.

NZ: Hallo Herr Schwiewagner, Hallo Herr Azzouzi, wie sind denn die Ergebnisse der DFL-Sitzung vom Montag zu bewerten?

Holger Schwiewagner: Um es mit den Worten von DFL-Chef Christian Seifert zu sagen - das System funktioniert auch unter Stress und in der Krise. Alle Gespräche liefen sehr koordiniert ab, viele Themen mussten wir dennoch offen lassen. Im Sinne der Situation wurden gute Entscheidungen getroffen.

Rachid Azzouzi: Wir sind mit der Erwartungshaltung in diese Gespräche, sicher nicht alles lösen und entscheiden zu können. Derzeit ändert sich vieles von Stunde zu Stunde. So war es klar, dass es zunächst nur um richtige Schritte geht.

Ein Krisen-Plan nach Schema F? Gibt es nicht

NZ: Muss der Profifußball denn so auf Zeit spielen?

Schwiewagner: Fakt ist, dass es für unsere Gesellschaft die größte Herausforderung der Neuzeit darstellt. Niemand hat einen Krisen-Plan in der Tasche, mit dem nach Schema F vorgegangen werden kann.

NZ: Warum muss der Profifußball denn die Saison unbedingt zu Ende spielen?

Schwiewagner: Wir haben Medienverträge, die wir erfüllen müssen. Die beinhalten Leistung und Gegenleistung. Wenn wir die Gegenleistung von neun noch ausstehenden Spieltagen nicht erbringen, können wir auch von unseren Partnern keine Leistung erwarten. Da wäre ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe zu erwarten.

NZ: Exakt?

Schwiewagner: 360 Millionen Euro.

Fürth, Fußball und

"Das Wohl der Bevölkerung ist entscheidend"

NZ: Eine Fortsetzung der Saison würde wohl Geisterspiele beinhalten. Das raubt dem Fußball die Seele, oder ist das zu romantisch gedacht?

Azzouzi: Zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand etwas ausschließen oder vorausschauen, wie sich die Lage verändert. Das Wohl der Bevölkerung ist entscheidend und dass die Gesellschaft nicht ins Chaos stürzt. Das kann Fußballspiele ohne Öffentlichkeit einschließen, und möglicherweise hat die Bevölkerung in der aktuellen Situation dafür sogar Verständnis. Klar willst du Fußball immer vor Fans spielen, aber in der momentanen Lage geht es nicht darum, was man gerne hätte.

Schwiewagner: Ich hoffe, dass wir möglichst schnell wieder an den Punkt kommen, an dem wir überhaupt wieder Fußball spielen können. Das wäre ein wichtiges Zeichen an die Gesellschaft: Über den Fußball zurück zur Normalität finden. Das wäre ein erster Schritt über den Berg.

Abhängig von Medienerlösen

NZ: Wie lange könnte denn ein finanziell nicht auf Rosen gebetteter Verein wie die SpVgg den wirtschaftlichen Folgen dieser Krise trotzen können?

Schwiewagner: Aktuell ist das schwer zu bewerten. Wir wollen das auch nicht an bestimmten Zeiträumen festmachen. Aber es ist kein Geheimnis, dass auch wir abhängig sind von den Medienerlösen.

Azzouzi: Es kann doch niemand abschätzen, was in vier, sechs oder acht Wochen sein wird. Wir versuchen, für alle möglichen Szenarien eine Lösung zu finden.

Existenzsicherung und Solidarität

NZ: Warum war es alternativlos, die Europameisterschaft aufs nächste Jahr zu verschieben?

Azzouzi: Bei einer EM in zwölf Ländern hätte ich mir die Folgen gar nicht ausmalen wollen.

Schwiewagner: Über allem muss stehen, den unkontrollierten Ausbruch des Virus zu verhindern. Durch die Verlegung der EM haben die nationalen Ligen wieder Alternativen. Wenn wir dann das übergeordnete Thema im Griff haben, geht es um Existenzsicherung.

Azzouzi: Fußball heißt ja nicht nur, 26 Profis im Kader zu haben. Es geht um 56.000 Arbeitnehmer rund um den Profifußball in Deutschland, vom Platzwart bis zur Putzfrau, es geht um jeden Einzelnen in diesem Geschäft.

NZ: Stichwort Gemeinsamkeit: Menschen wie Dietmar Hopp und Uli Hoeneß raten den Ligen zu einer Solidargemeinschaft. Ist das nicht ein zu großes Wort in dem Milliardengeschäft?

Azzouzi: Die Großen helfen den Kleinen, wer hat, der gibt – das hört sich so einfach an. Solidarität muss es aber geben, es geht nicht um einzelne Interessen. Der Fußball besteht nur weiter, wenn es genügend Mannschaften gibt. Wenn die Hälfte insolvent ist, wird es ein großes Problem geben.

Schwiewagner: Solidarität muss man nicht nur auf den monetären Aspekt beziehen. Es muss im Interesse alle sein, die Saison zu Ende zu spielen. Es kann nicht sein, dass manch einer über einen Abbruch öffentlich spekuliert, weil er große Verletzungssorgen hat oder ihm eine Spielansetzung nicht passt. Es geht darum, dass wir alle mit einem blauen Auge davonkommen.

Gehaltsverzicht? Azzouzi: "Man muss über alles nachdenken"

NZ: Wie stehen Sie der Idee gegenüber, dass die zumeist gut verdienen Profis einen Obolus in Form von Gehaltsverzicht leisten?

Azzouzi: Man muss über alles nachdenken, aber natürlich mit jedem Einzelnen sprechen.

Schwiewagner: Wir haben Verträge, und an die müssen wir uns zunächst halten.

Azzouzi: Es ist doch zu einfach, immer über Fußballer als Millionäre zu reden wie es Herr Söder gesagt hat. Da hätte er auch über andere Branchen sprechen können, aber da ist der Fußball eben doch sehr populär. Dabei geht es doch nicht um den Profi alleine, sondern um die vielen tausend Beschäftigten im Umfeld der Vereine.

Weiß-Grüne Unterstützung

NZ: Ein Teil der Dauerkarteninhaber der Spielvereinigung verzichtet auf möglichen Rückzahlungen und will damit ein Zeichen setzen. Haben Sie derartige Zeichen auch schon von Sponsoren bekommen?

Schwiewagner: Da zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Wir haben viele Solidaritätsbekundungen erhalten und Zeichen der Unterstützung. Viele Menschen haben versichert, uns nicht im Regen stehen lassen zu wollen.

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