Fürther Schach-Talent träumt vom Nationalteam

28.1.2020, 16:00 Uhr
Fürther Schach-Talent träumt vom Nationalteam

© Foto: Udo Güldner

Als Joseph Homi das erste Mal den Schachfiguren gegenüber sitzt, da ist er gerade sieben Jahre alt. An seiner Grundschule in der Seeackerstraße gibt es eine Schach-AG. Dort bringt Klaus Schoebel, ein Kreisliga-Spieler des SK Herzogenaurach, den Kleinen die ersten Züge bei. Später übernimmt der heutige Jugendtrainer der SG 1882 Fürth den Kurs, es kommt zu einer intensiven Zusammenarbeit.

Als Homi freilich an das Hardenberg-Gymnasium wechselt, gibt es dort kein entsprechendes Angebot. Also widmet sich der Junge wieder seinem Lieblingshobby: dem Fußballspielen. Beim TSV Burgfarrnbach gehört er viele Jahre als Abwehrspieler zu den Leistungsträgern. An Schach, noch dazu im Verein, ist erst einmal nicht zu denken.

Alles ändert sich, als der damalige SG-Vorstand Peter Bauer anfängt, in die Nachwuchsarbeit zu investieren, Vor sechs Jahren holt er Jugendtrainer Wolfgang Heimrath, das haucht dem Verein neues Leben ein. Und plötzlich entdeckt auch Homi seine verschüttete Leidenschaft wieder. Da ist er bereits elf Jahre und eigentlich schon zu alt, um noch ganz nach oben zu kommen. Immerhin konkurriert er mit Gleichaltrigen, die schon fünf oder sechs Jahre Turniererfahrung haben.

Doch davon lässt sich das ehrgeizige Talent nicht abschrecken. Täglich trainiert er bis zu vier Stunden, holt dabei all das nach, was er verpasst hat. Er habe sich regelrecht hineingesteigert, sagt Homi heute im Rückblick. Sein Coach Wolfgang Heimrath erkennt die Fähigkeiten und nimmt sich auch nach dem wöchentlichen Jugendtraining noch Zeit, um ihm strategische Dinge und Eröffnungen nahezubringen. Er sei stets als Letzter gegangen, habe dabei aber unheimlich viel gelernt, erinnert sich Homi.

Pokale eingesammelt

Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Bald wird es kein Schnellschach-Turnier in Bayern mehr geben, das ihn nicht mit der Hand am Pokal sehen wird. Reihenweise holt er Bezirkstitel, wobei er sich mit seinem Freund Lorenz Schilay vom SK Neumarkt spannende Duelle liefert. Gerade da müsse man sehr achtsam sein und alles geben, weiß Homi.

Mit seinen Schulkollegen Said Habieb Haschemi, Marc Herrmann und Niko Rosenboom vom Hardenberg-Gymnasium wird er mittelfränkischer und sogar bayerischer Schulschach-Meister. Auf nationaler Ebene in Berlin im vergangenen Jahr schlägt sich das Quartett, das komplett bei der SG 1882 Fürth spielt, gegen großmeisterliche Gegner auf Rang 12 achtbar.

Zuletzt macht Homi 2019 mit einem knapp verpassten Turniersieg bei den stark besetzten Forchheim-Open von sich reden. Nur der Bundesliga-Spieler und Fide-Meister Eduard Miller vom SC Erlangen kann ihn denkbar knapp überholen. Von der untersten Kreisliga hat es Homi inzwischen bis ins Regionalliga-Team der SG 1882 geschafft – als jüngster der acht Spieler.

"E-Sport geht in Richtung Sport"

Wie jeder andere Junge seines Alters hatte auch er die üblichen Konsolen- oder Online-Spiele gespielt, und so verlagerte sich das Interesse nach und nach auf Online-Schach. Auch der E-Sport verlange regelmäßiges Training, ständigen kämpferischen Einsatz und mentale Qualitäten, gehe also in Richtung Sport, so Homi. Wer so viel sitzt, der braucht aber einen körperlichen Ausgleich. Deshalb geht Homi ab und an auf den Fußballplatz, an die Tischtennisplatte und mehrmals wöchentlich ins Fitnessstudio. In der Schule habe er davon profitieren können, dass man beim Schach lerne, Geduld zu haben, ständigen Druck auszuhalten und Probleme langfristig zu lösen.

Inzwischen sitzt Homi nicht mehr nur als Spieler am Schachbrett. Seit drei Jahren gibt er als ehrenamtlicher Trainer bei der SG einiges von dem zurück, was er selbst gelernt hat. Dabei unterstützt er seinen Mentor Wolfgang Heimrath und den 21-jährigen Ediz Kocak und betreut mit Narek Gewondow ein außergewöhnliches U12-Talent. Inzwischen sei es sogar schöner, wenn seine Schützlinge erfolgreich seien. Nachwuchsförderung sei schließlich harte Arbeit, aber es mache auch eine große Freude, andere glücklich zu sehen.

Das Abitur hat Vorrang

Derzeit lässt es Homi bei der Königsjagd etwas ruhiger angehen. Das Abitur erfordert alle Aufmerksamkeit. Schließlich möchte er danach ein Studium beginnen und Bau- oder Maschinenbau-Ingenieur werden. Wenn die Zeit es zulässt, hat Homi auch beim Schach noch einiges vor. Das mit dem Großmeister-Titel werde wohl nichts mehr, meint er selbstkritisch, aber mit dem Internationalen Meister durchaus.

Und dann gibt es da einen Kindheitstraum für den Jungen aus Fürth, dessen Eltern aus dem Irak kommen, und der beide Staatsbürgerschaften hat: Einmal in der irakischen Nationalmannschaft spielen. Angesichts der wenigen Spitzenleute dort sei das durchaus realistisch – wahrscheinlicher jedenfalls als einen Platz im deutschen Team zu bekommen.

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