Der DFB und seine Frauen - ein Kommentar

Trügerischer Silberglanz nach der EM-Party

Wolfgang Laaß

NN-Sportredaktion

E-Mail zur Autorenseite

31.7.2022, 21:08 Uhr
Nicht zu fassen: Kathrin Hendrich nach dem Schlusspfiff in Wembley.

© Sebastian Christoph Gollnow, dpa Nicht zu fassen: Kathrin Hendrich nach dem Schlusspfiff in Wembley.

Schuld ist sehr wahrscheinlich die Uefa. Die europäische Fußball-Union hätte mit ihrem packenden EM-Finale der Frauen am Sonntagabend ruhig Rücksicht nehmen können auf den deutschen DFB-Pokal-Wettbewerb der Männer. Beinahe zeitgleich zum Showdown in Wembley kämpften Mannheim gegen Kiel, Braunschweig gegen Hertha BSC und Aue gegen Mainz um den Einzug in die zweite Hauptrunde.

Möglicherweise hat aber auch einfach der Deutsche Fußball-Bund mal wieder seine mitunter perfide Geringschätzung des nationalen Frauenfußballs zum Ausdruck bringen müssen. Wer konnte schon ahnen, dass Martina Voss-Tecklenburgs Mannschaft diesmal so weit kommen und im Endspiel auch noch eine unglaubliche Leistung zeigen würde. Die interne Wette aufs Ausscheiden vor dem ersten Cup-Durchgang der Männer hat der DFB verloren. Und noch viel mehr.

Erst Ende Juni gab der Präsident den besorgten Mahner. „Alarmierend“ seien die Zahlen gar, sagte Bernd Neuendorf und meinte die neueste Mitgliederstatistik seines Sportverbandes. Insgesamt 2,21 Millionen Spieler und Spielerinnen sind aktuell gemeldet, 21,5 Prozent mehr als 2021. Der höchste Wert seit vier Jahren.

Auf dem Niveau von 2017/18

Leider nicht viel beitragen konnte der Frauenbereich zum angeblichen Boom, trotz leichter Erholung nach der Pandemie-Delle. Knapp 187.000 Spielerinnen weist der DFB aus, davon rund 83.000 im Alter bis 16 Jahren. Der Anteil der Kinder- und Jugendlichen stieg zwar im Vergleich zum Vorjahr um 31 Prozent, liegt aber nur auf dem Niveau von 2017/18.

Von der EM in England erhofft sich nicht nur Neuendorf jetzt einen Impuls für den Frauenfußball im Land, so wie sie auf einen Impuls nach der Heim-WM 2011 gehofft hatten. Der verpuffte weitestgehend, weil sich der Verband beharrlich davor scheut, grundlegende Strukturreformen gerade bei den Jüngeren einzuleiten. Unter anderem sieht Talentförderung nach wie vor häufig so aus, dass die besten Mädchen ja bei den Jungs mitspielen können, neuerdings sogar bis zur U18/19.

Sie schmücken sich gerne mit den Erfolgen der Frauen, tun aber wenig dafür, dass es auch mittel- und langfristig welche geben könnte. Die Top-Nationen sind in der Talentförderung längst vorbeigezogen und haben auch ihren Ligen-Betrieb radikal umgebaut. Beim DFB halten sie neuerdings die „Strategie Frauen im Fußball - FF 27“ dagegen. FF steht für Fast Forward, schnell nach vorn. Die WM 2027 findet teilweise in Nordrhein-Westfalen statt.

„Mehr internationale Erfolge, mehr aktive Spielerinnen, mehr Sichtbarkeit und eine Frauenquote von 30 Prozent in DFB-Gremien und hauptamtlichen Führungsebenen“, so lauten die offiziellen Ziele für die nächsten fünf Jahre. Einiges deutet darauf hin, dass sie ziemlich deutlich an ihren eigenen Vorgaben scheitern. Es wäre nicht das erste Mal.

2 Kommentare