Gebharts Flugeinlage stoppte die Talfahrt

4.11.2012, 20:55 Uhr
Gebharts Flugeinlage stoppte die Talfahrt

© Sportfoto Zink

Nach sechs Spielen ohne „Dreier“ gelang dem kriselnden Club endlich der ersehnte Befreiungsschlag, die Erleichterung nach dem Tor des Tages von Timo Gebhart (76.) war bis unters Stadiondach spürbar. Nur Trainer Dieter Hecking mochte in den kollektiven Jubel nicht einstimmen.

„Jetzt läuft wieder jeder lachend durch Nürnberg und findet das toll. Aber jeder, der mich kennt, weiß, dass ich das nicht so sehe“, grantelte der 48-Jährige trotzig und verblüffte in der Pressekonferenz mit der Feststellung, er wäre „heute auch mit einem 0:0 zufrieden gewesen“. Was Hecking damit ausdrücken wollte, war klar: Nicht immer spiegelt das nackte Ergebnis wider, wie sich eine Mannschaft präsentiert. Und nicht immer sollte das Resultat als allein seligmachendes Regulativ gelten.

Aber gerade deshalb hing eine erneut drohende Heim-Nullnummer lange Zeit wie ein Damoklesschwert über dieser Partie. Man hätte dem Club wahrlich wenig vorwerfen können – außer vielleicht, schon wieder nicht ins Tor getroffen zu haben.

Heckings Hoffnung, dass der Funke vom Rasen auf die Ränge überspringt, ging schnell in Erfüllung, weil seine Elf vor allem in der Anfangsviertelstunde sehr couragiert zu Werke ging. Neben kämpferischen Grundtugenden kam diesmal auch das kreative Element nicht zu kurz.

Angetrieben von Ersatzkapitän Hanno Balitsch, der sich immer wieder ins Angriffsspiel einschaltete, kombinierte sich der Club vor 37586 Zuschauern phasenweise munter durch die Reihen der prominent besetzten VW-Städter.

Pekhart verpasste eine frühe Führung

Timothy Chandler machte auf der rechten Seite endlich wieder Druck, die offensive Dreierreihe mit Gebhart, Hiroshi Kiyotake und dem für Mike Frantz ins Team gerückten Alexander Esswein verwirrte den VfL mit permanenten Rochaden. Tomas Pekhart hätte die Bemühungen schon früh belohnen können, scheiterte aber nach feinem Zuspiel von Kiyotake an VfL-Keeper Diego Benaglio (6.). Fünf Minuten später setzte sich der Tscheche recht gekonnt im Wolfsburger Strafraum durch, ballerte dann aber weniger gekonnt am Tor vorbei.

Die nach der Demission des ungeliebten Felix Magath zunächst so befreit aufspielenden Gäste wirkten wieder seltsam passiv und pomadig. Nürnbergs Abwehr, in der Marvin Plattenhardt den gesperrten Javier Pinola vergessen machte, war stets Herr der Lage, wurde aber auch kaum einmal richtig gefordert. Allerdings konnte sich auch der Club bei aller optischen Überlegenheit kaum zwingende Chancen erspielen.



Nach der Pause drängten die Hausherren umso mehr auf das erlösende Erfolgserlebnis. Kiyotake sorgte mit zwei Freistößen für Gefahr, doch köpfte Balitsch knapp vorbei (55.), dann kam Gebhart einen Schritt zu spät (61.). Eine Viertelstunde später war es eben jener Gebhart, der den Bann brach und das Nürnberger Stadion in ein Tollhaus verwandelte. 

Der Ex-Stuttgarter, der nur noch auf dem Platz stand, weil der Vierte Offizielle die längst geplante Einwechslung von Frantz irgendwie noch nicht auf die Reihe gebracht hatte, löste sich geschickt in Fagners Rücken und wuchtete eine Maßflanke von Chandler per Flugkopfball zum 1:0 ins Netz. Geschlagene 453 Minuten hatten Nürnbergs Fans und Fußballer auf diesen Moment warten müssen, zuletzt hatte Chandler am fünften Spieltag beim 1:4 in Hannover getroffen.

Weil den Niedersachsen, die Nürnbergs viel Ruhe ausstrahlenden Ersatzkeeper Patrick Rakovsky kaum einmal belästigten, auch bei ihrer halbherzigen Schlussoffensive wenig einfiel, brachte ein leidenschaftlich kämpfender Club den knappen Vorsprung letztlich ohne größere Probleme über die Zeit.

Alles andere als der erste Sieg seit dem dritten Spieltag (3:2 in Mönchengladbach) wäre nach diesen 90 einseitigen Minuten auch blanker Hohn gewesen. Auch Wolfsburgs Interimscoach Lorenz-Günther Köstner mochte die Berechtigung der ersten Pleite seiner Amtszeit gar nicht groß anzweifeln. Der Oberfranke würdigte „eine hervorragende kämpferische Leistung von Nürnberg“ und räumte ehrlich ein: „Wir sind selbst schuld an der Niederlage.“

Torschütze Timo Gebhart (am Boden) durfte sich nach seinem Siegtreffer von den Kollegen feiern lassen.

Torschütze Timo Gebhart (am Boden) durfte sich nach seinem Siegtreffer von den Kollegen feiern lassen. © Sportfoto Zink

Während die „Wölfe“ weiterhin einen Abstiegsplatz belegen, hat sich der Club im Tabellenkeller ein bisschen Luft verschafft. Doch schon am kommenden Freitag im Spiel beim FSV Mainz 05 steht der aktuelle Aufwärtstrend auf dem Prüfstand. Seit fast acht Jahren hat der FCN bei den Rheinhessen nicht mehr gewonnen. Gelingt es, auch diese schwarze Serie zu beenden, würde ja vielleicht sogar der gestrenge Herr Hecking lachend durch Nürnberg laufen.

Nürnberg: Rakovsky – Chandler, Nilsson, Klose, Plattenhardt – Balitsch (83. Feulner), Simons – Kiyotake, Gebhart (87. Korczowski), Esswein – Pekhart (72. Polter) / Wolfsburg: Benaglio – Fagner, Naldo, Kjaer, Schäfer – Josue (84. Lakic), Polak – Hasebe (84. Madlung), Diego, Olic (62. Rodriguez) – Dost / SR: Dingert (Lebecksmühle) / Tor: 1:0 Gebhart (76.) / Zuschauer: 37586 / Gelbe Karten: Kiyotake, Chandler (2) – Josue (3), Fagner, Kjaer.

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