Günther Koch: "Fürth führte den Club oft genug vor"

11.6.2020, 15:42 Uhr
Günther Koch mit einem mulmigen Bauch-Gefühl vor dem 266. Frankenderby.

© Sportfoto Zink / DaMa Günther Koch mit einem mulmigen Bauch-Gefühl vor dem 266. Frankenderby.

Fürth führte den Club oft genug vor. Aber bitte nicht wiederholen: schon gar nicht 100 Jahre nach dem ersten deutschen Titelgewinn des 1. FCN gegen die SpVgg Fürth vom 13.06.1920! Damals war‘s ein Sonntag- diesmal ist es ein Samstag. Diesmal geht es auch um keinen Titel sondern in erster Linie um Millionen-Mattscheiben-Mittel und damit auch darum, für den im letzten Jahrhundert Ruhmreichen einen nach 1996 neuerlichen Abstieg in die 3. Liga zu vermeiden: Also doch auch fast so was wie ein Endspiel. "Das ist das Ende!" entsetzte ich mich damals, also schon drei Jahre vor 1999, nach Joe Max Moores verschossenem Elfmeter gegen den VfB Lübeck am ARD-Rundfunk-Mikrofon. Immerhin spielten damals so gute Cluberer wie Oechler, Knäbel, Zietsch, Wiesinger, Baumann, Kuffour und Robert Kovac für unseren 1. FCN. Und heute?

Mir wird ungemach und sicher geht es diesbezüglich keinem Cluberer anders als mir. Wehe, wenn der Club am Samstagmittag im Max-Morlock-Stadion nicht gewinnt, denn drei Tage später geht’s zu Wehen Wiesbaden, die - anders als der Club - fast immer toll und vor allem schnell spielen, aber meistens dennoch verlieren (außer gegen uns im November 2019) und daher immer noch hinter uns in der Tabelle liegen - was ansonsten wenigen gelingt - außer Dresden und Karlsruhe - beide nicht zuletzt wegen deftiger Punkt-und Torverluste gegen die SpVgg Greuther Fürth.

Nun hat unser Club vor einer Woche in Bielefeld, beim souveränen Tabellenersten mit fünf der ligabesten Zweitliga-Spieler wohlgemerkt, in den zweiten 45 Minuten endlich mal so toll aufgespielt, dass man sich einfach daran klammert: so, d.h. mit der Auf-und Einstellung und nicht anders wird ab sofort bis zum Ende in nur noch zwei Wochen am 28.06.2020 weiter gekämpft und weiter gespielt! Dann, ja dann dürfte nichts mehr schief gehen und die beiden jetzt vor der Tür stehenden Corona-Spiele 31 und 32 von 34 in der Fußball-Nullinger-Welt sollten, nein müssen einfach gewonnen werden. Das gelang zuletzt im Winter daheim gegen die Dresdener (2:0) sowie in Osnabrück (1:0) und in Karlsruhe (1:0) – alle drei tabellarisch passenderweise ebenfalls abstiegsgefährdete Konkurrenten.

Diese Ideal-Vorstellung würde bedeuten, dass der auf dem Papier durchaus mehr als nur zweitligataugliche Kader und mit ihm der ganze Verein noch einmal mit einem bunten, blau-rot-schwarzen Auge davon kommen würde. Davon gehe ich als einer, der mit dem Club fast alles, aber auch wirklich fast alles miterlebt hat, absolut aus. Meine jüngeren Kollegen im Aufsichtsrat und Vorstand natürlich ebenso.

Nun aber zu den lieben Fürthern, über die ich nach gut 40 Jahren Nah-Erfahrung vor Ort nur Gutes sagen kann. In Fürth fing für mich als Reporter alles an! Bei denen durfte ich im September 1976 bei einem Punktspiel der damaligen SpVgg Fürth gegen den FC Bayern Hof im traditionsgeschwängerten, noch pappelumsäumten Ronhof meine erste Radio-Probe-Reportage beim Punktspiel gegen den FC Bayern Hof sprechen: "Hier haben Sie die Aufstellung - da ist ihr Gartenstuhl neben der Seitenlinie und dann probieren Sie halt mal 15 Minuten live am Stück-kommt eh alles nur auf Band! München hört aber fei mit!" So lautete die Vorgabe eines knorrigen aber durchaus sympathischen BR-Technikers aus München. Frech wie Oskar legte ich also los und bin noch heute dem Fürther Grimm für sein Freistoß-Tor zum 1:0 dankbar, weil ich das ungehemmt lautmalerisch zelebrieren durfte. Der Techniker mit den vielen Falten im Gesicht klopfte mir mit weit aufgerissenen Augen unvermittelt heftig anerkennend auf die Schultern.

Danach war ich jedes Jahr mehrfach im Ronhof - auch noch in den letzten neun Jahren als Aufsichtsrat des 1. FCN. Was ich da in den vielen Jahrzehnten als Reporter und als Gast jeweils an Freundlichkeit, gepaart mit unauffälliger selbstverständlicher Professionalität, umgarnt vom Hackschen Familien-Flair und Tortenduft, erleben und z.B. auch bei wenigen Trainings-Besuchen-beobachten durfte, zählt mit zu dem Schönsten meines Zweit-Lebens als Fußball-und Sport-Reporter zwischen Trondheim , Moskau, München, London, Neapel , Aschaffenburg, Großwallstadt, Schweinfurt, Trebgast, Rom und Tel-Aviv.

Überhaupt können wir vom Club, wenn man die Rahmenbedingungen beider Vereine und übrigens auch beider Städte (!) kennt und vergleicht, nur lernen! Das muss auch mal gesagt werden. Letzten Samstag-Nachmittag bei meinem Live-Abruf für die BBC London zum Thema Timo Werner und dessen möglichem Wechsel zu den "Blues" sowie Geisterspiele in der Bundesliga, ließ ich es mir nicht nehmen, den englischen Hörern auch kurz vom Club und dem bevorstehenden Derby gegen die Fürther zu erzählen und davon, dass ich erstmals nach dem allerersten Deutschen Geisterspiel vom 26. Januar 2004 in Aachen (Alemannia Aachen - Club 3:2, nachzuhören als 95 Minuten Hörspiel im ARD-Hörspielpool) wieder ein Geisterspiel – diesmal im Max-Morlock-Stadion - persönlich und mit rotschwarzer Maske besuchen werde. Beim ersten Corona-Re-Set hab ich mich noch mit meinem Fahrrad direkt neben dem Stadion-Tor im Wald unweit des romantischen Campingplatzes versteckt um erstmals ganz versunken "Die Legende Lebt" von außerhalb des Stadions zu hören und dann im Fahrradkorb mittels Sky-Go und meinem iPhone mir den FCN-Verzweiflungskampf gegen Erzgebirge Aue mitanzugucken und beim Heim-Radeln mitanzuhören!

Diesen Samstag, den 13.06.2020, aber trau ich mich ins leere Stadion rein. Ich will und muss einfach dabei sein! Anders halt ich‘s nicht mehr aus. Vor allem nicht die Laber-Laber-Unnütz-Schwätz-Kommentare im Fernsehen. Sollen die doch lieber klassische oder moderne Musik zur Untermalung unterlegen und einfach Spielernamen einblenden, anstatt immer dasselbe abzulesen, zu wiederholen, zu wiederholen und nochmal zu wiederholen, was eh jeder weiß. Bitte, liebe im übrigen zumeist gute bis sogar sehr gute Kollegen (Hansi Küpper z.B.): etwas mehr Einfalls-Reichtum, wenn schon das Wichtigste, nämlich der geduldige und leidende Fan, bis auf weiteres ausgesperrt bleibt!

Vorm 266. Derby hab ich also aus den verschiedensten Gründen jetzt schon ein mehrfach mulmiges und vor allem zwiegespaltenes Bauch-Gefühl. Bin sehr gespannt, ob und wie ich die Eindrücke vom 13.06.2020 und dem eigentlich doch banalen Fußballspiel Nürnberg-Fürth verarbeiten werde. Als alter Pflanzen, Vogel-und Blumenfreund, der in Corona-Zeiten noch mehr Zeit für seine diesbezüglichen täglichen Beobachtungs-Aufzeichnungen hat, setze ich auf die Kraft des auch heuer in unserem Vorgarten rot-weiß blühenden giftigen "Brennenden Busches", dictamnus albus. Sein sehr intensiver Duft möge die Fürther am Samstag nur betören, unsere Cluberer um Patrick Erras, Hanno Behrens, Lukas Mühl, Georg Margreitter und Co. aber beflügeln sowie mich nach dem Spiel hoffentlich verzaubern und bitte nicht trösten…

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