HC Erlangen: "Der Weg Richtung Europa nicht mehr weit"

15.7.2019, 13:10 Uhr
HC Erlangen:

© Sportfoto Zink / OGo

Am Samstag, da war er plötzlich wieder da, der von Generationen von Erlanger Handballern verhasste Morgen. Laktattest beim Turnverein am Europakanal stand auf dem Trainingsplan, und es soll nicht wenige Pflanzen dort geben, die ihr Wurzelwerk alljährlich unfreiwillig mit Magensäften stärken. Doch so intensiv wie noch unter den Bergemanns, Klimovs oder Anderssons war es dann gar nicht – auch, weil die Profis von heute,wie Kevin Schmidt, der Sportliche Leiter, verriet, "nicht nur fit aussehen, sondern auch fit aus dem Urlaub kommen".

Die individuellen Trainingspläne von Thomas Hankel, der für Stefan Mittag neu ins Trainerteam gerückt ist, wurden, das weiß man spätestens nach der Auswertung des Tests, brav befolgt. Auch von den fünf Neuzugängen, die, wie Adalsteinn Eyjolfsson nach einer ersten Balleinheit am Freitag feststellte, "wirklich eine große Qualität in unseren Kader bringen".

Die soll nun insgesamt weiter wachsen, das nicht ganz einfache Spielsystem mit der offensiven 6-0-Deckung in Fleisch und Blut übergehen. "Dazu haben wir eine besondere Stimmung im Team", sagt Eyjolfsson, "alle Spieler müssen sich neu beweisen und ihre Rollen finden." Kevin Schmidt verrät: "Wir erhoffen uns auch davon eine weitere Leistungssteigerung."

Auf jeder Position wird der HC Erlangen in der kommenden Saison, die am 29. August mit einem Heimspiel gegen den TVB Stuttgart beginnt und wohl wieder vermehrt Wochenendspiele für Erlangen beinhaltet, unterschiedlich besetzt sein. Das macht die Mannschaft variabler für den Trainer und für den Gegner schwieriger auszurechnen. So stehen auf Halblinks beispielsweise mit Nikolai Link und Quentin Minel, der als Kapitän des französischen Pokalsiegers nach Erlangen kommt, ein wurfstarker Rückraumspieler und ein Akteur, der mit kurzen Antritten die Schnittstellen der Abwehr offensiv sucht, zur Verfügung. Ähnlich verhält es sich auf Halbrechts mit dem 2,07 Meter großen Antonio Metzner, der mit nur 23 Jahren bereits 189 Tore in Liga zwei erzielte, und dem spielstarken Sime Ivic, 25, von Champions- League-Klub Meshkov Brest.

Finanziell im unteren Mittelfeld

"In der Verteidigung und am Kreis bekommen wir mit Sebastian Firnhaber vom THW Kiel noch mehr Robustheit. Mit Carsten Lichtlein im Tor Erfahrung und Klasse neben dem bewährten Nikolas Katsigiannis", so Kevin Schmidt. Doch bei aller Euphorie und Freude muss die herausragende Saison mit Rang neun erst einmal bestätigt werden, findet René Selke. Der Geschäftsführer spricht offen davon, dass rein sportlich "der Weg Richtung Europa nicht mehr weit" ist – "allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass die Teams, die dort spielen, noch einmal eine deutliche Budgetgröße über uns stehen".

Um das zu kompensieren, hat der HC Erlangen seinen Kader insgesamt in den vergangenen Jahren verkleinert und dafür mit höherer individueller Klasse ausgestattet. Darüber hinaus steht der Verein wirtschaftlich auf soliden Beinen, anders als bei vielen Konkurrenten auch aus anderen Sportarten ist man in Erlangen nicht von einem Großsponsor abhängig, sondern besitzt mehrere größere und mittlere Sponsoren. Neben Heitec, das schon seit den 80er Jahren in den Erlanger Handball investiert, und Fackelmann wird in dieser Saison mit der Pharmafirma Bionorica ein weiterer Trikotsponsor hinzukommen und da den Platz von Travipay einnehmen.

"Dieses Engagement", sagt Selke, "schafft uns Planungssicherheit für eine weiterhin nachhaltige und solide Entwicklung." Der Geschäftsführer will keine Zahlen nennen, das Gesamtbudget dürfte aber bei unter fünf Millionen Euro liegen. Zum Vergleich, wenn dieser auch hinkt, da jeder Verein andere Werte zur Ermittlung zugrunde legt: Kiel besitzt laut einer Umfrage geschätzt rund zehn Millionen, Meister Flensburg rund acht Millionen Etat. Erlangen liegt demnach finanziell im unteren Mittelfeld der Bundesliga.

"Unmittelbare Auswirkungen auf den Kader wird der Einstieg von Bionorica nicht mehr haben", sagt Kevin Schmidt. Das Team, das Eyjolfsson zur Verfügung hat, steht – und damit seine Ziele: "Wir wollen aus einer guten Deckung das Umschaltspiel verbessern", sagt der Trainer. Der Angriff neben Nationalspieler Nico Büdel hakte vergangene Runde. "Hierauf haben wir den Fokus gelegt und uns verstärkt", so Schmidt. So gesehen will Eyjolfsson mit dem "neuen" HC Erlangen nicht viel anders machen: "Wir brauchen nur Stabilität, dass wir beim ersten Anpfiff sagen können: Wir sind da."

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