HC Erlangen

Sellin, von Gruchella oder Olsson? Erlangens Luxusproblem auf Rechtsaußen

17.5.2021, 12:55 Uhr
"Es gab in dieser Saison eigentlich noch gar keine Situation, in der man sagen konnte, dass alle drei bei Hundert Prozent sind", sagt Johannes Sellin jetzt, da alle drei bei Hundert Prozent sind. Oder zumindest nahe dran.

© Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / OGo "Es gab in dieser Saison eigentlich noch gar keine Situation, in der man sagen konnte, dass alle drei bei Hundert Prozent sind", sagt Johannes Sellin jetzt, da alle drei bei Hundert Prozent sind. Oder zumindest nahe dran.

Normalerweise ist Johannes Sellin um keinen Spruch verlegen. In diesem Fall wollte er dann aber lieber doch nicht allzu konkret werden. Was einem die Gegenspieler so ins Ohr flüstern, wenn ihnen im Abstiegskampf jedes Mittel recht ist, wurde Sellin kürzlich vor der Partie gegen die Eulen Ludwigshafen gefragt. "Das sind Sätze, die ab und zu mit dem Ton Piep überblendet werden müssten", sagte Sellin und grinste breit. Keine Sätze also, die man mit Blick auf den Nachwuchs wiederholen sollte.

An den Sätzen, die er und seine Kollegen dann zu hören bekamen, dürfte es eher nicht gelegen haben, dass der Auftritt zwei Tage später gründlich schief ging. 19:24 stand es am Ende, es fehlte schlichtweg die Entschlossenheit, den Kampf anzunehmen, vielleicht auch verbal selbst einmal selber über die Grenze zu gehen.

"Es wäre fahrlässig"

Der 30 Jahre alte Bundesliga-Veteran hat damit eher kein Problem, er ist dem HC Erlangen auch in dieser Hinsicht ein Anführer. Im Gegensatz zu den vielen anderen Kollegen ließ er sich gegen Ludwigshafen nicht aus der Ruhe bringen. An der Siebenmeter-Linie behielt er die Nerven und brachte alle vier Gelegenheiten im Tor unter, aus dem Spiel heraus ließ aber auch er einiges liegen. Nur einer von vier Würfen zappelte im Netz.

Der Grund dafür, dass er am Samstagabend in Mannheim zunächst einmal auf der Bank Platz nehmen musste, war das allerdings nicht. "Es wäre fahrlässig, wenn ich bei unserem Programm jetzt einen durchspielen lasse", sagte Trainer Michael Haaß am Tag nach dem erstaunlichen 30:26-Erfolg bei den Rhein-Neckar Löwen.

Diesmal hatte er sich für Hampus Olsson entschieden, der lange nur zuschauen hatte können. Erst bremste ihn eine Verletzung aus, dann kam ein Magen-Darm-Infekt hinzu, anschließend die Quarantäne, auch wenn sich der Schwede selbst nicht mit dem Coronavirus infiziert hatte. "Er hatte nun genug Trainingseinheiten", sagt Haaß: "Er ist bereit und braucht nun Spielpraxis. Diesmal hat er sie eindrucksvoll genutzt." Tatsächlich brauchte Olsson nicht besonders lange, um sich wieder zu akklimatisieren. Zwei Tore und den ein oder anderen Überraschungsmoment steuerte er in den Anfangsminuten bei, die Körpersprache war sofort wieder die alte.

Hat die Einsatzzeit gegen die Rhein-Neckar Löwen laut seinem Trainer "eindrucksvoll genutzt".

Hat die Einsatzzeit gegen die Rhein-Neckar Löwen laut seinem Trainer "eindrucksvoll genutzt". © Sportfoto Zink / Oliver Gold, NNZ

Dass auch ihm nicht alles glückte, lag unter anderem an seinem Landsmann Andreas Palicka, dem hervorragend aufgelegten Schlussmann der Löwen. Er entschärfte zwei freie Würfe von Olsson und parierte insgesamt 17 Bälle, vier Mal wurde er allerdings vom Erlanger Rechtsaußen überwunden, Sellin blieb diesmal nur die Rolle als erneut nervenstarker Siebenmeter-Schütze: zwei Versuche, zwei Treffer.

Zum ersten Mal echter Konkurrenzkampf

Florian von Gruchalla, der dritte Rechtsaußen beim HCE, stand in Mannheim gar nicht erst im Aufgebot, auf anderen Positionen sind die Lücken gerade größer und braucht es mehr Varianten für den Ernstfall. Ob sich daran am Dienstag in Lübbecke gegen Minden (20.30 Uhr) oder am Donnerstag in Leipzig (19 Uhr) etwas ändert, da ist sich Haaß "noch nicht ganz schlüssig". Er will die "Belastung teilen", wobei er natürlich "keine Münze wirft, wer spielt". Neben dem Aspekt der Rotation geht es um die aktuelle Form und darum, welcher Spielertyp am besten zum jeweiligen Gegner passt.

Nachdem sich der Rechtsaußen beim HCE in dieser Spielzeit lange von selbst aufgestellt hat, ist es nun endlich ein echter Dreikampf.

"Wir wissen genau, was wir an ihm haben", sagt René Selke über Florian von Gruchalla

"Wir wissen genau, was wir an ihm haben", sagt René Selke über Florian von Gruchalla © Sportfoto Zink / Oliver Gold, NNZ

In der Vorbereitung hatte sich Sellin einen komplizierten Fingerbruch zugezogen und war lange ausgefallen. Also spielte Olsson, der spät verpflichtete Sommerneuzugang, der mit der Empfehlung "Topscorer in der schwedischen Liga" nach Erlangen kam. Weil Sellin sein Comeback zu schnell angegangen war und sich auch Olsson verletzte, war Von Gruchalla plötzlich wieder ein gefragter Mann – und dürften die Verantwortlichen beim HCE darüber nachgedacht haben, ob es eine so gute Idee ist, seinen Vertrag einfach auslaufen zu lassen am Ende der Saison.

Natürlich haben sich die Verantwortlichen darüber auch schon Gedanken gemacht, wobei Geschäftsführer René Selke noch nicht konkret werden kann oder will. Nur so viel: "Wir wissen genau, was wir an ihm haben", sagt Selke über Von Gruchalla, und: "Er hat sich über die Jahre hier unglaublich eingebracht, er ist eine sehr wertvolle Personalie."

Bleibt Von Gruchalla über die Saison hinaus?

Seit 2018 ist der gebürtige Westfale beim HCE unter Vertrag, er gilt als echter Teamplayer und würde, so hört man, auch nach seiner aktiven Karriere gerne in der Region bleiben. Gut möglich, dass er dem Verein also auch über die Saison hinaus erhalten bleibt – in welcher Form auch immer.

Für den Moment ist es vor allem eine ungewöhnliche Situation. Die Spielanteile auf der Außenposition sind oft überschaubar, manchmal scheint die Stelle "in der Ecke", wie die Handballer gerne sagen, fast für zwei Sportler-Egos schon zu klein, nun kämpfen drei um Minuten.

Gewöhnungsbedürftig

Ungewöhnlich, findet auch Sellin und sagte vor dem Spiel gegen die Eulen: "Es gab in dieser Saison eigentlich noch gar keine Situation, in der man sagen konnte, dass alle drei bei Hundert Prozent sind." Er sieht darin zunächst einmal einen glücklichen Umstand, dass der HCE auf der Position so gut ausgestattet war – und ist, bei diesem "Mammutprogramm im Mai", natürlich würde er in Zukunft den Konkurrenzkampf aber wieder etwas übersichtlicher gestalten.

"Im Training ist es schon gewöhnungsbedürftig, wenn auf ein Tor gespielt wird und man sich die Angriffe dann auch noch teilen muss", sagt er. Eine weitere Saison mit drei Rechtsaußen? Johannes Sellin würde seine Gedanken wohl mit einem Piep überblenden.

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