Kreisläufer mit Potenzial

Wie Stefan Bauer zum Senkrechtstarter beim HCE wurde

15.6.2021, 06:00 Uhr
Mittendrin, statt nud dabei: Stefan Bauer (zweiter von rechts) ist nun auch ein Derbysieger.

© Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / OGo Mittendrin, statt nud dabei: Stefan Bauer (zweiter von rechts) ist nun auch ein Derbysieger.

Ein schwarzes Tape, ein gebrauchtes Trikot mit der Nummer Neun – und fertig ist das Spieloutfit. Was ein bisschen nach Kreisliga-Fußball klingt, ist in diesem Fall Bundesliga-Handball. "Das Trikot war halt übrig und relativ groß", sagt Stefan Bauer, der auch relativ groß ist und neuerdings Bundesliga-Handball für den HC Erlangen spielt. Die Neun trägt dort normalerweise Petter Overby auf dem Rücken, der norwegische Abwehrchef. Overby ist aber verletzt, wie so viele Handballer in Erlangen, weshalb sie seinen Namen kurzerhand mit Klebeband überdeckt haben und das Trikot Stefan Bauer gaben.

Ein paar Wochen oder sieben Bundesligaspiele ist das mittlerweile schon her und Bauer, der eigentlich der U23 des HCE angehört, hat seine Chance genutzt. Er spielt noch immer bei den Profis, ziemlich gut sogar, und hat nun auch ein eigenes Trikot. Rückennummer: 99. "Das fühlt sich schon cool an", sagt der gebürtige Forchheimer und deutet es auch als Zeichen, "dass man richtig dazugehört."


Klassenerhalt? Der HCE ist so gut wie durch


Die Sache mit dem Trikot beschreibt ganz gut die Geschichte von Stefan Bauer, denn sie zeigt, wie schnell sich sein Leben um einhundertachtzig Grad gedreht hat. Bauer hat zwar schon einmal Bundesliga-Luft schnuppern dürfen, damals unter Adalsteinn Eyjólfsson. "Der hatte nur meinen Körper gesehen und zu mir gesagt, komm mal vorbei, du wirst jetzt Kreisläufer", erzählt Bauer, der auch gut als Unterwäschemodell durchginge. Bis dahin war Bauer ein linker Rückraumspieler, erzielte als junger Mann in der Landesliga der Herren für den VfB Forchheim einmal 180 Feldtore in einer Saison. Parallel dazu trainierte er bereits in Erlangen mit, wo Tobias Wannenmacher auf ihn aufmerksam geworden war. Bauer wechselte schließlich vollends nach Erlangen, um zu schauen, was für ihn drin ist. Ob es einen Platz für ihn in der Handball-Bundesliga gibt.

Den gab es, allerdings nur für ein paar Sekunden, damals unter Eyjólfsson. Ein paar Jahre ist das nun schon her, mittlerweile ist Bauer 24 und hat mit der großen Bühne Bundesliga zuletzt nicht mehr gerechnet. "Die dritte Liga macht ja auch Spaß, ich hatte dort meine Einsatzzeiten", beginnt Bauer zu erklären. "Ich dachte, ich mache mein Studium fertig, habe solange ein cooles Hobby und kann dann mal als Ingenieur arbeiten."

Anruf, PCR-Tests, Bundesliga

Dann aber hat Michael Haaß angerufen, "weil ihm die Spieler ausgehen", Mitte Mai war das, kurz vor dem Auswärtsspiel bei den Rhein-Neckar Löwen. "Ja klar hab’ ich Bock", sagte Bauer, machte zwei PCR-Test und ist seitdem Teil des Bundesligakaders. Er trainiert mit den Profis, er spielt mit den Profis, er trifft für die Profis. "Ich fühle mich da mittlerweile als vollwertiges Mitglied", so Bauer, spätestens seit dem Heimspiel gegen Göppingen, als er Teil einer Mannschaft war, die gegen alle Widerstände über sich hinauswuchs und gewann. "Klappt ja eigentlich", dachte er sich damals, war zufrieden und auch ein bisschen stolz.

Als Jugendlicher begann Stefan Bauer mit dem Krafttraining, davon zehrt er bis heute.

Als Jugendlicher begann Stefan Bauer mit dem Krafttraining, davon zehrt er bis heute. © Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / OGo

Das trifft wohl auch auf Haaß zu, der Bauer nach dem gewonnenen Derby gegen Coburg lobte: "Er hilft uns gerade unfassbar weiter. Er wirft sich voll rein, bringt auch Emotionen mit rein." Was das für Bauer wert ist, wird sich noch zeigen. Hat er eine Zukunft im Profisport? Und beim HC Erlangen? Oder bleibt es doch die U23? Natürlich beschäftigt sich Bauer mit genau diesen Fragen, "ich habe ja gemerkt, dass es doch noch klappen könnte, das professionell zu machen, damit Geld zu verdienen." Bauer bleibt freundlich, wenn er über die Zukunft spricht, hält sich aber merklich zurück. Man müsse schauen, was sich für Möglichkeiten auftun, sagt er, und dass er Franken nicht unbedingt verlassen möchte. "Wir haben’s doch ganz schön hier." Bauer weiß noch nicht, wie es für ihn weitergeht, ein bisschen Zeit ist aber ja auch noch.

Vier Spiele stehen heuer in der Bundesliga-Saison noch an, der Modellathlet ("Ich war schon in der Jugend immer größer als andere") möchte diese nutzen, um sich weiter zu beweisen: "Ich will dem Trainer zeigen, was ich kann und den nächsten Entwicklungsschritt machen." Gegen Lemgo wird Bauer sein erstes echtes Bundesliga-Heimspiel vor Zuschauern absolvieren, am vorletzten Spieltag kommt Flensburg mit Johannes Golla, einem der besten Kreisläufer Deutschlands. Bauer hat sich vorgenommen, "alles was neu ist aufzusaugen". Im Trikot mit der Nummer 99.

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