Ice-Tigers-Boss und HCE-Chef sprechen über leere Arenen

5.10.2020, 19:11 Uhr
Ice-Tigers-Boss und HCE-Chef sprechen über leere Arenen

© Screenshot: BR/Sebastian Böhm

Es ist nicht alles schlecht für den Publikumssport abseits des Fußballs. Nach 23 Minuten Sendezeit für Michael Köllner über Michael Köllner, Corona und den Drittligisten TSV 1860 München und vier Minuten über das 2:2 der Spielvereinigung Greuther Fürth auf dem Dallenberg in Würzburg widmete die Sportredaktion des Bayerischen Rundfunks den Rest von "Blickpunkt Sport" am späten Sonntagabend dem ordentlichen 30:36 des Handballerstligisten HC Erlangen in Kiel und der Verzweiflung der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Immerhin 18 Minuten - zu wenig, um die komplexe Problematik ordentlich aufzulösen, aber lang genug, um gnadenlos aufzuzeigen, dass es eine einfache Antwort zumindest für das Eishockey nicht geben wird.


Ice-Tigers-Fan: 20 Prozent zum Saisonstart "viel zu wenig"


Moderator Markus Othmer hatte mit Carsten Bissel und Wolfgang Gastner zwei Gesprächspartner an den Tisch gebeten, deren Klubs normalerweise Mieter in der Arena Nürnberger Versicherung sind, deren Sportarten aber unterschiedliche Lösungen im Umgang mit der Corona-Krise gefunden haben. Bissel ist Aufsichtsratsvorsitzender des HC Erlangen, der in der Handballbundesliga beinahe regulär in die Saison gestartet ist - so regulär das derzeit eben möglich ist. 20 Prozent der Kapazität, die Vorgabe der Bundesregierung wird in der HBL überall dort umgesetzt, wo der 7-Tage-Inzidenz-Wert unter 50 liegt. In der Ostseehalle in Kiel hätten am Sonntag 2000 Menschen dem Turnverein Hassee-Winterbek und dem HC Erlangen zusehen dürfen. Tatsächlich kamen nur 1480 Menschen. Und das lag nicht am sehr physischen Gegner aus der Metropolregion, sondern am unsichtbaren Gegner Covid-19.

Ice Tigers haben 18 Millionen Euro Schulden

Carsten Bissel wurde in seiner ursprünglichen Skepsis also durchaus bestätigt, "aber wenn ich sehe, wie diszipliniert man am Wochenende die Dinge umgesetzt hat, wie gut die Stimmung in Kiel trotz der wenigen Zuschauer war, finde ich es richtig, dass wir wieder spielen, weil die Leute wieder Handball sehen und weil unsere Sponsoren auch Live-Sport sehen - auch wenn uns natürlich die Einnahmen fehlen". Gleich zu Beginn hätte bereits die entscheidende Frage diskutiert werden können. Und natürlich stellte Othmer Gastner auch die richtige Frage, warum die erneute Verschiebung des DEL-Starts richtig sei. Aber der Hauptgesellschafter der Ice Tigers sagte, was er seit Wochen sagt: "Wir wollen alle spielen. Wir sind voller Leidenschaft. Wir möchten beginnen. Aber wir können nicht."


Keine Sensation beim Start: Hektischer HCE verliert in Kiel


Die 14 Gesellschafter der DEL hatten sich am Freitag darauf geeinigt, den bereits verschobenen Saisonstart von 13. November noch einmal auf die zweite Dezemberhälfte zu verschieben. Zuvor hatten sie der Politik ein Ultimatum gesetzt, das die DEL selbst nicht als Ultimatum hatte interpretiert wissen wollen, das außerhalb dieses Gremiums aber als genau das angesehen wurde. Die Politik reagierte kopfschüttelnd. Für eine Liga, die angeblich 60 Millionen Euro braucht, um ohne die Aussicht auf volle Hallen starten zu können, war das zu wenig. Das wäre der Ansatz für eine Kontroverse gewesen, weil sich die Rahmenbedingungen für einen Handballbundesligisten und Eishockey-Erstligisten am selben Standort kaum unterscheiden.

Othmer thematisierte auch die unterschiedlichen Interpretationen vernünftigen Wirtschaftens. Bissel durfte also sagen, dass sein HCE, das "große Glück" habe, keine Schulden zu haben. Und Gastner musste eingestehen, dass die Sabo-Ära mit 18 Millionen zu Ende gegangen ist. Um diesen oberflächlich gewaltigen Unterschied aufzulösen und den Zuschauern, den im Eishockey üblichen Fachterminus "Darlehen mit Rangrücktritt" zu erklären, fehlte es aber an der Zeit. Dass Schulden in dieser Höhe in der DEL eher die Regel als die Ausnahme darstellen und dass sie "noch nie den Staat belasten haben", erklärte Gastner immerhin noch - aber damit zugleich das Dilemma der DEL. Klubs, deren Unterdeckung jedes Jahr von Mäzenen oder Großkonzernen ausgeglichen wird, können unter diesen Bedingungen tatsächlich nicht in die Saison starten, können aber auch auf wenig Verständnis hoffen.

Name Vorname, Funktion

Und so war man sich einig in der Runde, dass das Konjunkturpaket Spitzensport der Bundesregierung "eine Mogelpackung" (Bissel) sei, weil die maximal in Aussicht gestellten 800.000 Euro pro Klub nur wenige in Anspruch werden nehmen können. Deshalb hatte Gastner eine Art "Vollkasko-Versicherung" nach österreichischem Vorbild ins Gespräch gebracht. Und deshalb geht Bissel davon aus, dass von dem vermeintlich 200 Millionen schweren Konjunkturpaket unter den derzeitigen Voraussetzungen lediglich "60, 70 Millionen Euro" verteilt werden. Zu Beginn des Gesprächs waren Bissel und Gastner, zwei geschulten Rhetorikern, die Drehstühle keine Hilfe. Nachdem sie beide ihre Kritik angebracht hatten, saßen die beiden Klub-Chefs entspannt da. Gastner konnte ja nicht ahnen, dass er dem Fernsehpublikum per Insert als "Name Nachname, Funktion" vorgestellt wurde.

Gastner musste noch die Frage beantworten, ob es denkbar sei, dass die DEL komplett abgesagt wird. Der Geschäftsführer der Ice Tigers holte aus, erwähnte die Nationalspieler, die von der DEL bezahlt werden (wenn auch derzeit nur wenige), die Nachwuchsmannschaften (die der DEL plötzlich besonders wichtig erscheinen) und schloss mit einer Hoffnung: "Ich glaube einfach, dass es möglich ist, diese 200 Millionen mit anderen Richtlinien zu belegen und dass man dann die Löcher stopfen kann." Markus Othmer formulierte die Hoffnung, dem Zuschauer ein bisschen geholfen zu haben. Wirklich zuversichtlich klang der Moderator dabei nicht.

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