1:4 gegen München

Ein Abend, an dem die Ice Tigers das Nürnberger Eishockey feierten

Sebastian Böhm

Sportredaktion

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2.12.2022, 21:42 Uhr
Legenden unter sich: Martin Müller wirft ein, Patrick Reimer und Pucki (rechts) machen sich bereit. 

© Sportfoto Zink / Thomas Hahn, Sportfoto Zink / ThHa Legenden unter sich: Martin Müller wirft ein, Patrick Reimer und Pucki (rechts) machen sich bereit. 

Ja, unangenehm kalt war es auch. Draußen, vor der Arena. Drinnen duftete es nach Glühwein, der in den Originalkochern vor sich hinsimmerte. Drinnen trugen die Menschen Trikots, die sie lange nicht mehr getragen, aber offensichtlich mit großer Sorgfalt aufbewahrt und an diesem Freitag mit Stolz angezogen hatten. 6818 Zuschauer hatte diese sogenannte Retro Night angezogen, so viele wie seit den Playoffs 2019 nicht mehr, vielleicht weil die Menschen schon ahnten, dass dies kein normales Eventspiel werden würde, keine Marketingmaßnahme.

Mit viel Liebe zum Detail haben die Ice Tigers für einen Abend versucht, eine Erfahrung zu kreieren, die man selbst für sehr, sehr viel Geld nicht mehr kaufen kann. Das Lindestadion an der Äußeren Bayreuther Straße, diese nasskalte, stinkende, unbequeme, einfach großartige Brutkammer des Nürnberger Eishockeys, wurde zwar 2001 abgerissen, aber für ein Spiel gegen die derzeit beste DEL-Mannschaft wiederbelebt – also zumindest die Atmosphäre. Wirklich bekannt war zuvor nur, dass die Spieler in Trikots auflaufen sollten, die man so zuletzt vor einem halben Jahrhundert gesehen hatte. Geboten wurde dann viel mehr.

Seeeeeeeervus

Der DJ spielte nur Lieder, die vor 2001 herauskamen. Der Arena-Sprecher begrüßte die Besucher mit dem legendär lang gezogenen Seeeeervus. Eishockey wurde auch gespielt. Beim 1:4 (0:1, 1:2, 0:1) gegen den Tabellenführer München auch sehr ansehnlich. Wichtiger aber war, dass sich Nürnberg an diesem Abend seiner wechselhaften, aber reichhaltigen Eishockey-Tradition gewahr wurde. Die Blöcke trugen die Namen verdienter Spieler, auf dem Videowürfel wurden immer wieder wunderbare alte Fotos eingeblendet. Und den Puck warf kein Geringerer als Martin Müller ein.

Wie lässig kann man sein? Tom Rowe (2. von rechts). 

Wie lässig kann man sein? Tom Rowe (2. von rechts).  © Sportfoto Zink / Thomas Hahn, Sportfoto Zink / ThHa

Die Probleme der Ice Tigers waren danach sehr gegenwärtig. Den Spielern war ganz offensichtlich eindringlich erklärt worden, wie wichtig diese Partie vielen Besuchern sein würde. Und obwohl kein einziger, nicht einmal der sehr 39-jährige Patrick Reimer, jemals im Linde gespielt hatte, begannen sie beseelt. Doch nachdem erste Großchancen nicht genutzt werden konnten, wurden sie in Unterzahl geschickt. Lange sah auch das ganz gut aus, doch dann durfte Patrick Hager zu energisch nachstochern, wovon wiederum Frederik Tiffels profitierte (11. Minute). Auf der anderen Seite setzte Gregor MacLeod den Puck an den Innenpfosten.

Grippewelle rollt durch die Kabine

Nürnberg spielte trotzdem mit dem Selbstvertrauen einer Mannschaft, die zuletzt dreimal in Folge gewonnen hatte. München kam allerdings mit einer Serie von sieben Siegen. Die Partie war rasant und ausgeglichen – die Abschlüsse der Gäste aber waren zwingender und frecher. Der Ex-Nürnberger Andreas Eder erhöhte durch einen Schuss aus spitzem Winkel (29.). Da brauchte es schon die aktive Nürnberger Eishockey-Legende, um dagegen zu halten. Kapitän Reimer brachte seine Mannschaft wieder heran (31.). Zach Redmond stellte den alten Abstand wieder her (36.).

Auch die Kabine der Ice Tigers war nach dem 4:2 in Düsseldorf von der Grippewelle erfasst worden. Julius Karrer, Danjo Leonhardt und Jake Ustorf fielen aus, werden frühestens am Sonntag (16.30 Uhr) in Augsburg wieder zur Verfügung stehen. Weitere Nürnberger spielten angeschlagen. Auch deshalb kam der Maximilian Merkl zu seinen ersten DEL-Minuten, der Nürnberger wurde fünf Jahre nach dem Abriss des Lindestadions geboren. Zusammen mit Roman Kechter steht er für die Zukunft des Eishockeys in der Fußballstadt. In der Gegenwart versuchten die Ice Tigers alles. Doch Münchens Nationaltorhüter Mathias Niederberger war zu souverän, seine Kollegen vor ihm zu stark. Maxi Kastner fälschte einen Redmond-Schuss ab (53.). Gefeiert wurde im Lindestadion am Kurt-Leucht-Weg danach trotzdem noch.

Nürnberg: Treutle; Weber/Shaw, Palett/Bodnarchuk, Mebus/Merkl – Sheehy/MacLeod/Schmölz, Reimer/Schofield/Fox, Lobach/Fleischer/Hede, Ribarik/Kechter/Kislinger. – Tore: 0:1 Tiffels (10:51/5-4), 0:2 Eder (28:50), 1:2 Reimer (30:53), 1:3 Redmond (35:32), 1:4 Kastner (52:30). – Schiedsrichter: Schimm. – Zuschauer: 6818. – Strafminuten: 6 - 6.

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