"Ich war glücklich": Warum BMX-Fahrerin Nadja Pries aufhört

27.1.2021, 06:00 Uhr
Hängt den Helm an den Lenker: Nadja Pries beendet ihre BMX-Karriere.

© Nadja Pries, NN Hängt den Helm an den Lenker: Nadja Pries beendet ihre BMX-Karriere.

Sie hat es sich sehr gut überlegt, auch sehr lange. Ihre BMX-Karriere zu beenden, war für Nadja Pries keine schnelle Entscheidung. Sie ist gereift, über Monate hinweg. Das Coronavirus und seine Folgen haben diesen Prozess begleitet und - wie unser aller Leben - auch ein Stück weit bestimmt. Als wegen der Pandemie die Olympischen Spiele verschoben werden mussten, ist für viele Leistungssportler der halbe Lebensplan mit zusammengebrochen.

Für die BMX-Fahrerin war das nicht anders. Sie hatte gehofft, sich wie schon vier Jahre zuvor für Olympia zu qualifizieren. Doch daraus wurde nichts - und aus all den Weltcups und Reisen ebenso nicht. "Ich hatte die Qualifikation die ganze Zeit fest im Blick", sagt Pries nun. Doch als diese ins Ungewisse verschoben wurde, "hatte man einen sehr ungewohnten, anderen Alltag. Ich hatte dadurch mehr Luft, Emotionen und Gedanken zuzulassen."

Sonst sei sie immer "im Flow" gewesen, das Jahr war mit Vorbereitung und Wettkämpfen durchgetaktet. In der Corona-Pause habe sie gemerkt, "dass ich entlastet bin, glücklicher, ausgeglichener, weil ich mir jahrelang viel Druck gemacht habe". Für Pries war das ein monatelanger Prozess. "Mit meiner Sportpsychologin habe ich versucht, Gründe dafür zu finden. Da haben wir gemerkt, dass die Ursache tiefer liegt. Mein Fokus hat sich einfach so verschoben, sodass ich erkannt habe, dass mich BMX-Fahren auf diesem Niveau nicht mehr so erfüllt." Nadja Pries merkte: "Mit dem Gedanken, nicht jeden Tag BMX zu fahren, war ich glücklich."

Seit sie ein kleines Mädchen war, ist Nadja Pries immer wieder von ihrem Elternhaus zur nahegelegenen BMX-Bahn des RC 50 Erlangen gefahren, um sich dort mit dem kleinen, gut gefederten Rad die Startrampe hinunter zu stürzen. Niemand in diesem Land konnte das besser als sie. Pries hat zwölfmal die Deutsche Meisterschaft gewonnen. 2016 stand sie am Höhepunkt ihrer Karriere, sie hatte sich für die Olympischen Spiele qualifiziert - mit einem neunten Platz bei der Weltmeisterschaft. In Rio schaffte es Pries ins Viertelfinale, scheiterte dann aber auch an den eigenen Nerven, die beim ersten Groß-Event ein wenig durchdrehten.

Immer schon hat sie gekämpft: Als Talent einer Randsportart, von der in Deutschland nur die wenigsten wissen, wie ein Rennen überhaupt aussieht, muss man viel für den Erfolg investieren. Die geringe Spitzensportförderung machte es ihr immer wieder schwer, ihren Sport wirklich professionell betreiben zu können. Sie baute sich selbstständig ein Sponsoren-Netzwerk auf, um sich die Weltcup-Reisen leisten zu können. Lange gab es zudem im ganzen Land keine BMX-Strecke mit internationalen Standards. Um ordentlich trainieren zu können, musste Pries in die Niederlande fahren.

"Ein Teil, warum ich relativ früh am Ende meiner Kräfte war, ist, dass das ganze mit so einem Kampf verbunden war", sagt Pries. "Als Individualsportler war es nötig, es so zu machen", sich selbst zu organisieren und auch zu zum Teil zu finanzieren, "und das ist kräftezehrend". Im Alter von 26 Jahren beendet die Erlangerin also ihre Sport-Karriere.

Selbst die Chance, bei den Olympischen Spielen, die - Stand jetzt - im Sommer nachgeholt werden sollen, dabei zu sein, konnte Pries nicht davon abbringen. "Ich bin ein Mensch, der entweder etwas zu 100 Prozent macht oder nicht. Jeder Athlet gibt sein Leben dafür, sich für Olympia zu qualifizieren. Ich wusste nun, dass ich dazu nicht mehr bereit bin", sagt Pries.

Dazu kam die Forderung des Radsportverbands, der die Fränkin zwingen wollte, zum Bundesstützpunkt in Stuttgart umzuziehen. Ansonsten würde sie ihren Kaderstatus verlieren. Spätestens damit war die Entscheidung gefallen - denn Nadja Pries, die mittlerweile in Nürnberg wohnt, wollte immer in ihrer Heimat bleiben.

Aktuell schreibt Pries noch an ihrer Bachelor-Arbeit. Schon immer hat sie neben dem Leistungssport auch die Schule und später das Studium im Blick gehabt. "Als Athlet aus einer Randsportler ist es nicht so, dass man sich auf seinem Erfolg ausruhen kann: Ich muss jetzt Geld verdienen", sagt die BMX-Fahrerin. Pläne dafür gibt es schon, doch auch hier geht Nadja Pries wohlüberlegt vor.

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