Jule Steinert ist auf dem Trial ein Ass

1.4.2020, 10:52 Uhr
Jule Steinert ist auf dem Trial ein Ass

© Foto: Trial GP

Kunstturnen, Leichtathletik, Hockey oder vielleicht auch Snowboarden? Jule Steinert ist eine junge Frau, die man sich in vielen Sportarten gut vorstellen kann. Doch Fehlanzeige – mit den vier genannten hat sie absolut nichts am Hut, denn sie fährt Motorrad.

Genauer gesagt: Trial. Und darin ist die Steinerin eine echte Meisterin. Trial ist Geschicklichkeitsfahren auf dem Motorrad im Gelände und gilt als die hohe Kunst des Motorsports. Nur wer seine Maschine wirklich beherrscht, kommt durch.

In Wertungsprüfungen, sogenannten Sektionen, müssen Gräben, Steine, Felsabsätze, enge Kehren, Baumstämme und andere Hindernisse möglichst fehlerfrei überwunden werden. Trial erfordert Körperkontrolle, Balancegefühl, Konzentration, Kraft und Ausdauer. Und ziemlich viel Mut.

Obwohl immer mehr Frauen ihr Talent dafür entdecken, ist dieser Nischensport nach wie vor eine Männerdomäne, in der sich die zierliche Jule seit ihrer Kindheit ausgesprochen wohlfühlt. "Mein Vater ist sehr motorsportaffin und wollte eines seiner Kinder auch dafür begeistern."

Da sie das jüngste von vier Geschwistern ist – darunter ein Bruder, der jedoch kein Interesse am Motorsport zeigt –, war sie diejenige, die als Achtjährige zu einem "Vater-Sohn-Wochenende" für Motocross des Herstellers KTM mitgeschleppt wurde. Sie erinnert sich, dass sie "grottenschlecht und viel langsamer war als die anderen Kinder. Der Trainer meinte, Motocross sei nix für mich, aber ich hätte eine gute Balance und deshalb sollten wir es mal mit Trial versuchen".

Der aus England stammende Motorsport war genau ihr Ding. "Es dauert zwar lange, bis man es kann, aber dann macht’s richtig Spaß." Sie wurde stetig besser und überwand dank ihres Muts und ihrer Entschlossenheit bald die schwierigsten Hindernisse. "Am liebsten fahre ich über Steinstufen und Felsen."

Blessuren nimmt sie tapfer in Kauf. "Ernstere Verletzungen wie Rippenbrüche habe ich zum Glück nur alle paar Jahre einmal. Irgendein Risiko gibt es doch in jeder Sportart." Trotz aller anfänglichen Bedenken stehen ihre Mutter und ihre Geschwister voll hinter ihr und ihrem Traumsport.

2017 war sie Vize-Weltmeisterin

Ihr Vater kann sich über ihre Erfolge nicht mehr so freuen, wie sie es sich wünschen würde. "Er ist inzwischen leider schwer krank und kriegt nicht mehr so viel mit." Trotzdem erzählt sie ihm davon. Ganz sicher wäre er stolz darauf, dass seine Tochter 2017 Vize-Weltmeisterin auf der Jugendspur wurde und 2019 in der höchsten Wertung auf Anhieb den zehnten Platz erreichte.

Wie viel Zeit sie in ihren Sport investiert, kann die 22-Jährige, die in Erlangen Medizintechnik studiert und als Werksstudentin beim Fraunhofer-Entwicklungszentrum für Röntgentechnik in Fürth tätig ist, so pauschal nicht sagen. "Zeitintensiv ist Trial auf jeden Fall, weil ich im Winter auch zu Wettbewerben ins Ausland fahre."

Erst im Februar hat sie an einem WM-Lauf in Spanien teilgenommen. Als Schülerin saß sie gute zwölf Stunden wöchentlich auf dem Motorrad. Jetzt versucht sie, in den Sommermonaten drei Mal in der Woche zu trainieren. Das tut sie beim MSC Großhabersdorf und beim MSC Jura Heideck, der auch Ortsclub des ADAC Nordbayern ist. "Ich lerne von den erfahrenen Trial-Fahrern, höre und sehe ihnen gut zu und übe viel und geduldig."

Der jungen Sportlerin, die in Stein lebt, liegt auch die Technik im Blut, ihre beiden Trial-Maschinen repariert sie selbst. "Das Schrauben gelernt habe ich in meiner Werkstatt, die mich sportlich unterstützt. Und ich mach’s auch gerne."

Kostenintensiv ist der Sport auch. "Ohne meine Sponsoren wäre das alles gar nicht machbar", berichtet Steinert, die vom spanischen Motorradhersteller TRS (TRRS) unterstützt wird. Wenn es klappt, möchte sie in diesem Jahr bei der EM und der WM sowie einigen Wettbewerben, auch in Deutschland und Österreich, starten. Zudem stehen noch einige EM- und WM-Läufe an.

Derzeit gibt es rund 100 Mädchen und Frauen, die sich zum Vergnügen aufs Trial-Motorrad setzen und etwa 15 Fahrerinnen, die wie Steinert an hochrangigen Wettbewerben teilnehmen. "Ich freue mich, dass der weibliche Anteil im Trial größer wird." Freuen würde sie sich auch über mehr Unterstützung vom DMV (Deutscher Motorsport-Verband). "Zum Glück macht der ADAC viel für uns, sonst würde es traurig aussehen." Privat fährt sie nur mit dem Auto. Denn sie ist der Meinung: "Auf der Straße ist Motorradfahren lebensgefährlich und macht echt keinen Spaß."

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