Kiyotake: Winterkrise des Nürnberger Topscorers

23.1.2013, 06:19 Uhr
Vor der Rückrunde ein Star, sitzt Kiyotake derzeit auf der Bank.

© Sport-/Pressefoto Wolfgang Zink / JüRa Vor der Rückrunde ein Star, sitzt Kiyotake derzeit auf der Bank.

Noch vor zwei Wochen schien für Hiroshi Kiyotake die Sonne. Knapp 20 Grad hatte es in Marbella beim Testspiel gegen den FC Brügge, schon nach fünf Minuten erzielte der Japaner ein Tor des Monats. Also alles wie gehabt, Trainerwechsel hin oder her. „Hand und Fuß“ hätten seine Aktionen, lobte später Michael Wiesinger. In einem Interview ließ Kiyotake keinen Zentimeter Platz für etwaige Zweifel an seiner Lust auf Fußball.

Dass der kleine Ballzauberer demnächst in eine handfeste Formkrise rutschen könnte, zeichnete sich da so wenig ab wie Schnee an der Costa del Sol. Spätestens seit dem 1:1 zum Rückrundenauftakt gegen den HSV ist Kiyotake aber bis auf Weiteres nicht mehr erste Wahl. Nürnbergs erfolgreichster Torschütze (3) und Torvorbereiter (5) der Hinserie muss sich hinten anstellen.

Warum er zurzeit ein wenig durchhängt, ist ihm wahrscheinlich selbst ein Rätsel. Dass auch der deutsche Winter beiträgt zu seinem persönlichen Stimmungs- und Leistungstief, scheint mehr zu sein als bloß eine Vermutung. Etliche seiner beim Nachrichtendienst Twitter abgesetzten Mitteilungen beschäftigen sich mit der Witterung („Wird wohl noch kälter“), außerdem kannte er Schnee zuvor nur von Bildern. In Osaka, wo er bis 30. Juni angestellt war, fielen die Temperaturen eher selten unter den Gefrierpunkt.

Dass ihn am Sonntagabend noch auf dem Platz ausgerechnet Robert Mak tröstete, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Der Slowake spielte auf Kiyotakes angestammter Position rechts außen und dürfte seine Chance genutzt haben. Was vielleicht auch Kiyotake ahnte, als er sich nach seiner Einwechslung in der 76. Minute auf der für ihn ungewohnten linken Seite widerfand. Trotzdem kam vom flinken Filigrantechniker natürlich viel zu wenig. Vor allem sein Defensivverhalten wird in den nächsten Tagen noch Gesprächsthema sein beim Club.

Fakt ist: Kiyotake steht tatsächlich etwas neben sich, seit es hierzulande kühler wurde. Seit dem 13. Spieltag blieb er lediglich in Leverkusen von einer Auswechslung verschont; richtig überzeugen konnte er nur noch Ende November, beim 4:2 gegen die TSG Hoffenheim.

„Muss mich neu anstrengen“

Am Sonntag nun der vorläufige Negativ-Höhepunkt. „Schwierig“ sei es für Kiyotake gewesen, sich nach der Hereinnahme gleich zurechtzufinden, sagt Wiesinger. Der aber von einem leichten Aufwärtstrend berichten kann; vielleicht auch, weil Kiyotake Rückhalt spürt. „Ich habe ihm gesagt, dass er einfach weitermachen soll, so etwas passiert im Fußball“, erzählt Mak, „Kiyo war ein bisschen traurig.“

Erst kurz vor dem Anpfiff habe er von seiner Nicht-Nomnierung erfahren, erzählte Kiyotake später einem Journalisten der japanischen Zeitung The Hochi Shimbun. „Erstaunt“ sei er gewesen, aber nicht überrascht nach der vergangenen Trainingswoche. In der sich abgezeichnet hatte, dass Kiyotake aufgrund enttäuschender Vorstellungen auf dem A-Platz nicht mehr erste Wahl sein würde gegen Hamburg. „Jetzt muss ich mich eben neu anstrengen“, sagte er noch, ehe er sich in die warme Kabine verkrümelte.



Möglicherweise wird ihn die angekündigte Steigerung beim Üben aber vorerst nicht helfen. Übermorgen um 20.30 Uhr geht‘s schließlich schon weiter für den 1. FC Nürnberg. „Freitagabend, Dortmund, 80.000 Zuschauer – besser geht's kaum“, findet Kollege Hanno Balitsch, der durchaus Verständnis hat für die diversen Umstellungen. Aufgrund der Qualitätsdichte im Kader „kann man auf Einzelschicksale keine Rücksicht nehmen“, sagte Balitsch, diesmal „hat es eben Kiyo erwischt“. Und in Dortmund erwischt es vielleicht einen anderen, der nicht damit rechnet.

Der Ex-Dortmunder Markus Feulner und auch Per Nilsson, der gestern nach überstandener Magen-Darm-Grippe erstmals wieder ein paar Minuten mit der Mannschaft herumtobte, drängen in die Startelf, deren nominelle Zusammenstellung auch künftig von den Trainingseindrücken abhängen soll. Wiesinger ist wie sein Vorgänger ein Freund des Leistungsprinzips. Was auch sein talentiertester Profi spätestens am Sonntagabend verstanden haben dürfte.

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