Kleeblatt-Fan Kraft: "Im ersten Trainingslager waren wir fünf Fans"

8.3.2021, 14:48 Uhr
Richard Kraft in Kitzbühel beim Trainingslager der Spielvereinigung im Sommer 2009.

© Sportfoto Zink / WoZi, Sportfoto Zink / WoZi Richard Kraft in Kitzbühel beim Trainingslager der Spielvereinigung im Sommer 2009.

Schwarze Cappy, dunkle Lederjacke und meistens eine Zigarre in der Hand: Wer in der Fürther Fanszene unterwegs war in den vergangenen Jahren, kennt Richard "Richie" Kraft. Der 58-Jährige hat seit 1996 circa 50 Trainingslager besucht und als Allesfahrer so ziemlich jedes Stadion mit der SpVgg Greuther Fürth gesehen. Die Spiele der U 23, U 19 und U 17 schaut er sich ebenfalls oft an. Der Beamte im Vorruhestand lebt mit seiner Frau in Gostenhof.


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Herr Kraft, wie fühlt es sich denn an, den Herzensklub vom heimischen Sessel aus nur noch im Fernsehen zu verfolgen?

Richard Kraft: Es ist natürlich überhaupt kein Vergleich zu einem Besuch im Stadion, aber ich bin froh, dass der Ball rollt. Für viele ist der Fußball gerade doch eine willkommene Abwechslung zur Tristesse des Alltags und somit ein Grund zur Freude. Ich finde nicht, dass der Fußball uns etwas wegnimmt, sondern uns etwas zurückgibt.

Für jemanden, der es gewohnt war, jedes Wochenende mit dem Verein auf Achse zu sein, muss es sich trotzdem komisch anfühlen.

Kraft: Natürlich fühlt es sich nicht gut an. Sonst war ich immer dabei, so oft es ging und der Job es zugelassen hat.


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Wie kam Ihre Verbindung zur SpVgg?

Kraft: Es war am 1. Juli 1996 mit dem Beitritt des TSV Vestenbergsreuth zur SpVgg Fürth. Ich war Mitglied beim TSV, wir standen damals in Konkurrenz zu Fürth und dann kam Helmut Hack mit der überraschenden Idee ums Eck, dass wir zusammengehen. Und wer den Helmut kennt, weiß ja, dass er Überzeugungskraft hat. Ich habe dann für den Beitritt gestimmt, obwohl ich skeptisch war.

Und dann?

Kraft: Habe ich mir ein Jahr Probezeit gegeben mit Greuther Fürth. Ich war zuvor durch Zufall zum TSV Vestenbergsgreuth gestoßen, weil ich beruflich öfters in der Ecke war und mir hat das dann dort gefallen am Schwalbenberg. Es wurde guter Fußball gespielt, es roch nach Pfefferminztee und es gab eine schöne Kneipe mit gutem Essen. In Fürth war dann aber schnell klar, dass ich dabei bleibe, weil es Spaß gemacht hat. Und dann lief es getreu dem Kraftschen Gesetz: ganz oder gar nicht. Das ist mein Naturell. Wenn ich eine Sache mache, dann ganz und richtig. Und ich wollte von Anfang an nah dabei sein. Und da war es dann auch klar, dass ich mir eine Dauerkarte hole und so viel wie möglich auswärts dabei bin.


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Anfangs mit einem durchaus überschaubaren Haufen. Der Blick von der Pressetribüne in den Auswärtsblock machte manchmal traurig.

Kraft: Es gab damals nur einen Bus. Den hat der Manni Knaut organisiert, egal wie verrückt es war. Immer und zu jedem Spiel und egal wie viele mitfuhren. Wie er das gemacht hat, weiß ich nicht. Zuerst fuhren wir als "Der goldene Engel", dann als "Weisse Rose". In Oberhausen waren wir während der Woche abends zu fünft, in Lübeck an einem Freitagabend mal zu siebt oder haben uns mit einer Hand voll Leuten im Winter in Chemnitz bei einem 0:5 den Arsch abgefroren. Aber das war alles egal. Wir waren dabei, hatten Spaß, das Bier kostete einen Euro im Bus. Es ging nur um Fußball.

Und die Trainingslager kamen auch dazu. Wie viele sind es mittlerweile?

Kraft: Es sind um die 50. Manchmal waren es ja auch drei im Jahr, weil der Benno Möhlmann im Sommer immer gerne zweimal gefahren ist. Für uns war das immer ein Highlight. Die Testspiele zu sehen, nah dran zu sein am Team und mit anderen Fans eine schöne Zeit zu verbringen. Das letzte war 2020 in der Türkei. Seit Corona ist ja alles vorbei.


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Haben sich die Ausflüge ins Trainingslager verändert über die Jahre?

Kraft: Früher und heute kannst du nicht mehr vergleichen. Es hat eine Entfremdung stattgefunden. Im ersten Trainingslager waren wir fünf Fans. Die Strattners, meine Frau, ich und noch jemand. Wir sind mit dem Team geflogen, waren im Mannschaftshotel und sind im Teambus mit zu den Testspielen gefahren, weil wir keinen Mietwagen hatten. Die Journalisten waren auch im selben Hotel und abends saßen alle ungezwungen und locker zusammen. Das ist heute undenkbar. Es ist eine Schere zwischen Verein und Fans aufgegangen. Wahrscheinlich gibt es einen Mangel an Vertrauen.

Kleeblatt-Fan Kraft:

© Foto: Wolfgang Zink

Wie begleitet man seinen Verein als knallharter Fan. Gläubig oder in Ansätzen doch kritisch?

Kraft: Ich habe viele Dinge immer hinterfragt. Sauer war ich, als das Abo-Modell für die Dauerkarte eingeführt wurde. Ich hatte 23 Jahre eine Dauerkarte. Anfangs auf der Haupttribüne, dann, als wir den VIPs weichen mussten, auf der Gegengerade. Aber ein Abo verkaufe ich vielleicht bei einer TV-Zeitschrift oder bei Sky. Ich habe gekündigt und kaufe mir mein Ticket jetzt immer an der Tageskasse. Und fühle mich besser.


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Und natürlich sind alle Fürther vereint in der Abneigung gegen den Club?

Kraft: Ich bin kein Club-Hasser, sowas mag ich nicht. Mir geht es immer um den Sport, aber ich freue mich schon innerlich dreckig, wenn der Club verliert und wir der Frankenmeister sind. Mein Vater ist schon immer ein Clubfan, meine Frau kommt auch aus Nürnberg, aber ich konnte sie bekehren.

Schafft die SpVgg den Aufstieg und Richard Kraft darf mal wieder nach München zu den Bayern fahren?

Kraft: Ja, ja ich weiß, dass viele Fürther Bayernfans sind. Ich weiß auch nicht, warum. Ich bin es nicht. Aber mir ist es fast unerklärlich, warum es bei uns gerade so gut läuft. Ich reibe mir immer die Augen beim Blick auf die Tabelle. Und ich bin nicht Rachid Azzouzi. Ich darf vom Aufstieg reden, und ich will aufsteigen.


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Also alles paletti im Hause Kraft?

Kraft: Fast. Dass wir jetzt zweimal eine negative Bilanz hatten, treibt mich um. Das hätte dem Helmut Hack sicher einige schlaflose Nächte bereitet. Sowas gab’s unter ihm nicht. Ich würde mir allgemein etwas mehr Einfluss für die Fans im Verein wünschen. Neulich habe ich mir den Podcast "Fürther Flachpass" mit Dominik von den Ultras angehört. Er hat da ein paar interessante Aspekte angesprochen.

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