Kommentar: Wie man im Stadion nicht für Sicherheit sorgt

11.2.2013, 14:48 Uhr
Samstag, kurz vor Spielbeginn: Fans verlassen den Block, um gegen das Zaunfahnenverbot zu protestieren.

© Sportfoto Zink / DaMa Samstag, kurz vor Spielbeginn: Fans verlassen den Block, um gegen das Zaunfahnenverbot zu protestieren.

"Nürnberg-Fans rasten aus", titelt die Münchner Abendzeitung in ihrem Online-Angebot. "Die Gästefans lieferten sich (...) Auseinandersetzungen mit der Polizei", heißt es von der Nachrichtenagentur dpa, vor dem Block hätten "die Randalierer ihren Auftritt gehabt", liest man beim Sportnachrichtenportal spox.com. Natürlich hat auch die Politik schnell etwas zu den Vorfällen zu sagen: "Solch brutale Attacken von Chaoten", wird Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) zitiert, seien nicht hinnehmbar.

Kurzum: Es sind die Reaktionen, die man gewohnt ist zu hören, wenn rund um die deutschen Stadien Fußball-Fans in Auseinandersetzungen mit der Polizei verwickelt sind. Die Sache hat nur einen Haken: Alle vier Statements passen nicht so Recht zusammen mit dem, was vor dem Stadion passierte. Wer am Samstagnachmittag die 90 Bundesliga-Minuten zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg hinter und nicht im Gästeblock verfolgt hat - wie auch der Autor dieser Zeilen -, dürfte das genauso sehen.

Was also war passiert? Bereits im Vorfeld hatten die Verantwortlichen der Eintracht und die Polizei auf die Maßnahmen hingewiesen, die die Club-Fans am in Hessen erwarten würden. Intensivere Personenkontrollen seien geplant, zudem seien Zaunfahnen jeglicher Art im Block verboten. Dahinter versteckt, so die Vermutung der Frankfurter, könnten Fans nämlich Pyrotechnik zünden.

Dazu muss man wissen, dass es für die Fan-Szenen, die sich in Deutschlands Stadien mit zentimetergenauen Reglementierungen ihrer Fanmaterialien auseinandersetzen müssen, eigentlich nichts Schlimmeres geben kann als das Verbot der Zaunfahnen. Dementsprechend versuchte der FCN im Vorfeld, eine Lockerung der Vorgaben zu erreichen - vergeblich. Mit Ärger und Frust bei den Fans war also zu rechnen.

So verständlich der Versuch der Frankfurter Eintracht ist, nach den Pyro-Vorfällen in Leverkusen, als SGE-Anhänger massiv zündelten, nicht wieder in die Schlagzeilen zu geraten, so unglücklich ist es, dass ausgerechnet die Nürnberger Fans die Leidtragenden sind. So jedenfalls sagte die Eintracht den Club-Fans quasi ins Gesicht: Auch wenn ihr euch (in Sachen Pyrotechnik) benehmt, treffen euch harte Maßnahmen. Denn sonderlich aufgefallen sind die Club-Ultras in den letzten Jahren nicht mit Pyrotechnik, auch nicht in Frankfurt.

Trotzdem reisten sie am Samstag mit dem Zug an den Main - die Fahnen im Gepäck. Dort angekommen, warteten sie geduldig, während Vertreter der Gruppe, Fanbetreuung und Fanprojekt des Club mit den Verantwortlichen über eine Lösung verhandelten. Vergebens – die Fahnen durften nicht rein. Als sich die Information vor und im Gästeblock verbreitete, verließen einige hundert Anhänger, die bereits im Stadion waren, aus Solidarität den Block und begannen gemeinsam mit den Fans vor den Toren ihren Verein lautstark zu unterstützen – ohne etwas vom Spiel mitzubekommen.

Was danach bis zum Ende der ersten Halbzeit folgte, hatte von Seiten der Einsatzkräfte – Einschränkung: soweit das in der unübersichtlichen und hektischen Situation als einzelner Beobachter überhaupt wahrnehmbar ist – nicht viel mit Deeskalation zu tun. Selbst ein der Parteinahme für die Fans eher unverdächtiger Journalist wie "Liga-Total"-Reporter Martin Quast sagte während der Live-Übertragung des Senders sinngemäß, die Aggression vor dem Stadion sei von der Polizei ausgegangen. Erst nach der Pause beruhigte sich das Geschehen.

Grundlage für die meisten Medienberichte waren Berichte der Nachrichtenagenturen. Die wiederum bezogen ihre Informationen über die Vorfälle in der ersten Halbzeit unter anderem aus dem offiziellen Polizeibericht. 19 Beamte wurden demnach verletzt, auch durch den angeblichen Einsatz von Pfefferspray durch die Fans. Ordner und Beamte seien "massiv angegriffen“ worden. "Durch das besonnene aber konsequente Zusammenwirken aller eingesetzten Kräfte“ habe sich die Lage beruhigt. Davon, dass man das Geschehen, wenn man vor Ort war, auch ganz anders wahrnehmen konnte, ist nur vereinzelt zu lesen.

Was bleibt, ist der Eindruck eines Polizeieinsatzes mit Ansage, der im Vorfeld durch eine konziliantere Vorgehensweise der Eintracht vermeidbar gewesen wäre. Der zwar konsequent, aber eben nicht besonnen war und dadurch die Eskalation erst herbeigeführt hat. Und über den danach in vielen Medien einseitig berichtet wurde - nicht zum ersten Mal und wohl auch nicht zum letzten Mal. Freilich ist dieser Eindruck ein subjektiver - aufgeschrieben werden musste er aber trotzdem.

Manch Verantwortlicher der Frankfurter Eintracht schien jedenfalls mit dem Tag zufrieden zu sein. "Ja, es gab ein großes Aufgebot von Polizei und Ordnungskräften. Aber in der Gesamtbetrachtung scheint das notwendig gewesen zu sein“, sagte Vorstandsmitglied Axel Hellmann nach dem Spiel - und verdrehte dabei Ursache und Wirkung.

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