Krise beim Club: Trendwende im Trainingslager bleibt aus

14.1.2019, 06:00 Uhr
Krise beim Club: Trendwende im Trainingslager bleibt aus

© Sportfoto Zink

Michael Köllner wirkte mitgenommen wie selten zuvor in seiner Amtszeit als Cheftrainer des 1. FC Nürnberg. Den Blick starr in die Ferne gerichtet, die Stimme ungewohnt leise, mühte er sich am Samstag, die peinliche 1:2-Niederlage im Test gegen Royal Excel Mouscron zu analysieren - wohl wissend, dass dieser desillusionierende letzte Eindruck das gesamte einwöchige Trainingslager in Spanien überschatten würde.

Hatte Köllner nach dem ebenfalls mageren 1:1 gegen PEC Zwolle noch von einer "in der ersten Halbzeit offensiv sehr guten Partie mit einigen guten Möglichkeiten" fabuliert, fehlte diesmal selbst dem sonst so wohlwollend betrachtenden Oberpfälzer die nötige Fantasie, um die deprimierende Darbietung gegen einen biederen Tabellenvorletzten aus Belgien doch noch irgendwie zu einer gelungenen Generalprobe zu verklären. "Natürlich wollten wir hier anders auftreten", gestand Köllner, gegen einen eng am Mann stehenden Kontrahenten habe sein Team keine fußballerischen Lösungen gefunden und Passsicherheit vermissen lassen. Zumindest habe sich jeder trotz müder Beine "noch einmal reingeschmissen", befand Köllner. Mehr Positives fiel ihm zu diesem quälend langen 135-Minuten-Gemurkse auch nicht mehr ein.

Fragen wirft allerdings auch die an eine Agentur delegierte Organisation der Testspiele auf. Zur Partie gegen Mouscron musste der Club ins rund 70 Kilometer entfernte Los Barrios reisen - nur um dort im maroden Estadio San Rafael eines Bundesligisten unwürdige Rahmenbedingungen vorzufinden. Ein ramponierter Rasen, kein warmes Wasser in der Dusche. "Ich dachte mir: Wo sind wir denn hier gelandet? Am liebsten wäre ich gleich wieder in den Bus gestiegen und umgedreht", gestand Köllner sichtlich angefressen.

In unmittelbarer Nähe des Nürnberger Quartiers bereiteten sich übrigens etliche renommierte Vereine, darunter Bundesliga-Konkurrenten wie Düsseldorf, Hannover, Dortmund oder Mainz vor, selbst der Drittligist Karlsruher SC trug seine Testspiele in der schmucken Marbella Football Academy auf top-gepflegten Rasenplätzen aus. Der Club kickte lieber irgendwo in der andalusischen Provinz gegen belgische und niederländische Abstiegskandidaten, die allenfalls Zweitligaformat aufwiesen und wohl als Aufbaugegner dienen sollten, stattdessen aber die Nürnberger Schwächen schonungslos aufdeckten.

 

Ratlos, freudlos, trostlos, irgendwie gelähmt

Am Ende des sonnendurchfluteten Spanien-Trips wirkte der Club so, wie er sich nach dem 0:1 gegen Freiburg in die Winterpause verabschiedet hatte: ratlos, freudlos, trostlos, irgendwie gelähmt. Dabei wollten sie in Benahavis doch noch enger zusammenrücken, die Kräfte bündeln, den Reset-Knopf drücken, neuen Schwung aufnehmen für die Rückrunde. Es blieb eine Illusion.

Natürlich hat man im täglichen Training fleißig gearbeitet und an taktischen Details gefeilt, ein alternatives System mit Mittelfeldraute erprobt, sich intern mal ordentlich die Meinung gegeigt und bei einem netten Ausflug nach Gibraltar den Teamgedanken gepflegt. Doch plätscherte letztlich alles so unaufgeregt vor sich hin, als stünde der Verein irgendwo im gesicherten Mittelfeld der Tabelle. Vieles wirkt in Routine erstarrt, es fehlt an neuen Impulsen, Aufbruchstimmung ist nicht zu spüren. Fast könnte man meinen, der Aufsteiger habe sich mit dem Scheitern seiner vermeintlichen "Mission Impossible" schon so gut wie abgefunden.

Bei Köllners minutenlangen Monologen auf dem Feld scheint ein Teil der Profis gar nicht mehr richtig hinzuhören, andere wie Yuya Kubo, Matheus Pereira, Ewerton oder Edgar Salli verstehen meist eh nur Bahnhof oder wirken von den komplexen Anweisungen überfordert. "Lass uns doch einfach mal Fußball spielen", schimpfte ein genervter Spieler leise vor sich hin, als der Trainer eine Übungsform zum wiederholten Male unterbrach, um etwas zu erklären.

Die Hoffnung, durch die Rückkehr der verletzten Spieler wieder an Qualität zuzulegen, dürfte trügerisch sein. Natürlich sind Kapitän Hanno Behrens, Rechtsverteidiger Enrico Valentini oder Torhüter Christian Mathenia, der allerdings gleich bei seinem Comeback patzte, für diese Mannschaft schon aufgrund ihrer Führungsqualitäten unverzichtbar, Heilsbringer sind sie aber sicher nicht. Am ehesten erweckte in Spanien noch Eduard Löwen den Anschein, dem Team weiterhelfen zu können, weil der U21-Nationalspieler neben körperlicher Robustheit auch Kreativität, gute Technik und eine gewisse Raffinesse einbringt. "Man hat heute gesehen, wie wertvoll er für uns sein kann", sagte Köllner; Löwen könne "den Unterschied ausmachen". Auch der junge Brasilianer Pereira setzte offensiv zumindest ein paar zarte Akzente.

 

Beim erklärten Ziel, seine harmlose Mannschaft torgefährlicher zu machen, ist Köllner jedoch kein Stück vorangekommen - was vor allem daran liegt, dass sie sich kaum Chancen herausspielt, weil Laufwege nicht stimmen, Automatismen nicht greifen, die finalen Pässe nicht gelingen. Gerade der von Köllner auffallend oft gerügte Mikael Ishak wirkt zunehmend genervt ob der fehlenden Zuspiele seiner Kollegen. "Man hat schon gesehen, dass es schwer für uns ist, Tore zu schießen", gibt Köllner zu, "es war aber klar, dass wir in einer Woche nicht alles beheben können." Viel Zeit bleibt freilich nicht mehr.

Blutauffrischung wäre dringend nötig

Angesichts der jüngsten Eindrücke erschiene es fast schon fahrlässig, auf eine externe Blutauffrischung zu verzichten, auch wenn Wintertransfers mit Gütesiegel erfahrungsgemäß schwer zu bekommen sind, wie Sportvorstand Andreas Bornemann gebetsmühlenartig betont. Die Spieler, die helfen könnten, könne man sich nun mal nicht leisten, weiß auch Köllner: "Und die, die wir uns leisten könnten, haben wir schon hier." Was selbst von Vereinen wie dem FSV Mainz 05 bezahlt werde, sei eben "außerhalb unserer Reichweite". Ein Totschlagargument. Es mag den Trainer ehren, dass er sich mit den finanziellen Limits arrangiert und nicht lautstark nach Verstärkungen ruft. Doch in so einer Situation eben auch kreative Lösungen gefragt, etwa durch Leihgeschäfte oder cleveres Scouting.

Mit dem aktuellen Personal jedenfalls dürfte das Schlusslicht auf verlorenem Posten stehen, das scheint inzwischen selbst Köllner zu ahnen: "Ich muss halt schauen, dass ich mit denen trotzdem so viel Punkte hole wie irgendwie möglich - wie immer das auch funktionieren soll", grübelte der 49-Jährige und gab dann doch noch einmal den trotzigen Zweckoptimisten: "Das werden wir schon hinbringen." Im Fußball könne man "die Trendwende über einzelne Momente schaffen. Die Mannschaft ist dazu in der Lage." Es wäre, Stand heute, nicht weniger als ein fränkisches Fußballwunder.

Alle Bilder aus dem Trainingslager finden Sie hier.

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