Kritik an Katar-WM: Norwegische Klubs fordern Boykott

13.3.2021, 16:29 Uhr
In Katar sollen in den letzten Jahren zahlreiche Arbeiter gestorben sein, auch die Arbeitsbedingungen beim Bau der Stadien entsprechen wohl nicht den Menschenrechten.

© Sebastian Gloser In Katar sollen in den letzten Jahren zahlreiche Arbeiter gestorben sein, auch die Arbeitsbedingungen beim Bau der Stadien entsprechen wohl nicht den Menschenrechten.

Mehrere norwegische Erstliga-Klubs fordern BVB-Star Erling Haaland und seine Nationalmannschaft zum Boykott der Fußball-WM in Katar auf. Seit mehreren Jahren seien der Weltverband Fifa und Katar wegen der fragwürdigen WM-Vergabe und der unwürdigen Bedingungen für Arbeiter aus dem Ausland kritisiert worden, schrieb der Eliteserien-Verein Tromsö IL am Freitag in einer Mitteilung. Kritik und der versuchte Dialog hätten zu nichts geführt, ein jüngst veröffentlichter Bericht des Guardian zu Tausenden gestorbenen Arbeitern sei nun völlig niederschmetternd gewesen.


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"Wir haben das Gefühl, dass es an der Zeit ist, einen Schritt weiterzugehen: Boykott", schrieb der Verein. Geld sei ein Teil des Fußballs und werde immer ein Teil des Sports bleiben. Dies dürfe aber trotzdem nicht mit sich bringen, dass Korruption, lebensgefährliche Arbeitsbedingungen und Wegschauen akzeptiert würden. Tromsö IL rufe den norwegischen Fußballverband NFF deshalb zum WM-Boykott auf. "Wir sind der Meinung, dass wir Nein sagen sollten zu einer Reise nach Katar, wenn wir uns qualifizieren."

Tromsös Ligakonkurrenten Strömsgodset und Viking unterstützen die Forderung mittlerweile, wie die Nachrichtenagentur NTB berichtete. Inzwischen hat sich auch Norwegens erfolgreichster und bekanntester Verein Rosenborg BK angeschlossen. Weitere Klubs erwägen offenbar ebenfalls, sich dahinter zu stellen.

Fan-Protest und Infantino-Tadel

Auch in Deutschland regt sich Protest, wenn auch nicht bei den Vereinen. Das Bündnis ProFans hat den DFB zu einem Verzicht auf eine Teilnahme bei der WM aufgefordert: "Es gibt nichts, was es rechtfertigen könnte, die Menschenrechtsverletzungen in Katar hinzunehmen, ja, gar durch die Teilnahme am Turnier wissentlich, billigend zu unterstützen", erklärt die Fan-Organisation in einer Mitteilung. Sie sieht den Boykott des Turniers für "unumgänglich" an, eine Teilnahme dagegen wird als "Ende von Ethik und Würde" verstanden.

Verständnislos gegenüber der Boykottüberlegungen dagegen zeigt sich Fifa-Präsident Gianni Infantino. Er glaube, dass ein Boykott "definitiv nicht die richtige Maßnahme" sei, um etwas zu erreichen, sagte der Chef des Fußball-Weltverbandes am Freitag während einer Pressekonferenz. Stattdessen spricht er sich für einen Dialog aus: "Es ist immer, war immer und wird immer der einzige Weg sein, in den Dialog zu treten und sich zu engagieren, um Veränderungen herbeizuführen".


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In Bezug auf die Menschenrechtslage habe Katar in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Er freue sich auf eine "fantastische" WM, sagte Infantino. "Vielleicht hat der Fußball ja einen kleinen Teil zu positiven Veränderungen beigetragen."

Verbesserungen und fehlende Umsetzung

In Katar sind in den vergangenen zehn Jahren nach Recherchen des britischen Guardian mehr als 6500 Arbeiter aus fünf asiatischen Ländern gestorben. Dabei handele es sich um Arbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka, hatte die Zeitung berichtet.

Katars Regierungspressestelle erklärte auf Anfrage, in dem Emirat lebten mehr als 1,4 Millionen Menschen aus den genannten Ländern. Zu ihnen gehörten Studenten, Ältere und Arbeiter in verschiedenen Industrien. Weitere Millionen hätten in den vergangenen zehn Jahren in Katar gelebt und seien in die Heimat zurückgekehrt. Von diesen Millionen Menschen sei ein "kleiner Prozentsatz" verschieden, heißt es weiter. Die Sterberate liege in einem Bereich, der für diese Größe und diese demografische Zusammensetzung zu erwarten sei.

Die Fußball-WM 2022 war 2010 an das reiche Emirat vergeben worden. Das Land steht international immer wieder wegen der Ausbeutung von Gastarbeitern in der Kritik. Katars Regierung erklärt hingegen, dass sie in den vergangenen Jahren mit Reformen die Lage der Arbeiter deutlich verbessert habe. Auch Menschenrechtler räumen Fortschritte ein, mahnen aber, die Reformen würden unzureichend umgesetzt.

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