Marco Wittmann: Wache jeden Tag mit einem Lachen auf

2.1.2015, 16:55 Uhr
Marco Wittmann: Wache jeden Tag mit einem Lachen auf

© Fotos: imago, dpa

NZ: Herr Wittmann, hier ist es ja ordentlich. Wer ist denn in Ihrer WG fürs Aufräumen und Putzen zuständig, Sie oder Ihr Bruder Nico?

Marco Wittmann: Beide. Weil ich viel unterwegs bin, hält meistens er die Wohnung auf Vordermann, aber wenn ich daheim bin, mache ich ein bisschen mehr.

NZ: Also keine chaotische Männer-WG?

Wittmann: (lacht) Nein, ich glaube nicht. Man fühlt sich ja auch wohler, wenn die Wohnung ordentlich ist.

NZ: In 18 Jahren Motorsport haben sich einige Pokale angesammelt. Können Sie die überhaupt noch alle unterbringen?

Wittmann: Viele Pokale habe ich schon im Keller verstaut. Im Wohnzimmer stehen die, die für mich was Besonderes sind, wie der goldene Rennfahrerschuh. Aber wenn das noch mehr wird, muss ich ein extra Pokalzimmer einrichten (lacht).

NZ: Sie sind beruflich oft auf Reisen. Wo fühlen Sie sich heimisch?

Wittmann: Ich bin hier aufgewachsen, mag das Frankenland und die Leute. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass meine Familie in der Nähe wohnt. Wir haben ein super Verhältnis, da kann ich meine Batterien wieder aufladen.

NZ: Nach dem Titelgewinn jagte ein Termin den nächsten. Was haben Sie alles erlebt?

Wittmann: Das waren Pressetermine und Shootings bei Zeitungen, Zeitschriften, Radiosendern. Für BMW war ich in Las Vegas und Austin/Texas, ich war für Sponsoren und Partner unterwegs. Dazu kamen Ehrungen, dann hatten wir einen Test im DTM-Auto. Die letzten Wochen war ich nur auf Reisen, und wenn ich mal heimgekommen bin, habe ich gleich wieder Koffer gepackt. Es ist positiver Stress. Ich wache immer noch auf mit einem Lachen im Gesicht.

NZ: Lange Zeit lang waren Sie höchstens Motorsportfans bekannt. Wie ist es, nun selbst Promi zu sein, der auf dem Roten Teppich fotografiert wird, wie beim „GQ Men of the Year Award“?

Wittmann: Ich sehe mich nicht wirklich als Promi. Und ich habe lieber einen Rennanzug an als einen Smoking. Mit Sicherheit ist die Aufmerksamkeit gestiegen, gerade aus unserer Region verfolgen viel mehr Leute die DTM. Und auch bei den Rennfahrern und Pressevertretern wird man anders wahrgenommen.

NZ: Haben Sie jetzt mehr Fans?

Wittmann: Ja, in den sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, Instagram sind die Zahlen enorm gestiegen. Ohne die Fans gäbe es keinen Motorsport. Die setzen sich an den Rennwochenenden drei Tage lang auf die Tribüne, egal ob's regnet oder ob die Sonne scheint.

NZ: Hat sich Ihre Wirkung auf Frauen verändert?

Wittmann: (lacht) Das kann ich nicht wirklich beantworten. Dadurch, dass ich fast nur unterwegs bin, habe ich gar keine Zeit für eine Frau an meiner Seite. Das wird sich mit Sicherheit wieder ändern, aber in dieser Saison habe ich den Fokus ganz auf den Motorsport gerichtet.

NZ: Und was war da mit Supermodel Karolina Kurkova? Um das Treffen mit ihr haben Sie bestimmt viele Männer beneidet...

Wittmann: (lacht) Ja, das glaube ich auch. Sie ist Markenbotschafterin für BMW, und ich habe ihr das Fahren auf der Rennstrecke in Monza beigebracht. Sie ist überhaupt nicht abgehoben, wir haben beim Mittagessen über alles Mögliche gequatscht, auch über Privates.

NZ: Nicht abzuheben ist Ihnen selbst auch wichtig, oder?

Wittmann: Genau. Ich will mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen und der gleiche Mensch bleiben. Es ist wichtig zu wissen, wo man herkommt. Und ich glaube, wenn ich anfinge, die Nase hoch zu tragen, würden meine Eltern oder mein Bruder sagen: Marco, tu' ein bisschen langsam.

NZ: Sie haben, ganz bodenständig, Karosseriebauer gelernt. Was konnten Sie davon als Rennfahrer mitnehmen?

Wittmann: Verständnis fürs Auto, Präzision, Teamwork. Ich kann die Arbeit der Mechaniker besser nachvollziehen, weiß, wie hart sie unter der Woche und an der Strecke schuften, um die Autos vorzubereiten. Und ich wollte einfach ein zweites berufliches Standbein haben.

NZ: Es war ja fast logisch, dass Sie Rennfahrer werden – bei der erblichen Vorbelastung…

Wittmann: Stimmt. Mein Vater ist Kart gefahren, mein Opa und sein Bruder Bergrennen. Dadurch hat der Motorsport immer zur Familie gehört. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis ich zum ersten Mal ins Kart springe. Mit sechs Jahren war das.

NZ: In all den Jahren hat Ihre Familie Sie immer unterstützt und zu den Rennen begleitet: Mama Angelika, Papa Herbert und Bruder Nico. Schweißt das zusammen?

Wittmann: Ja. Wir sind an die Rennstrecke gefahren, haben das Kart ausgepackt, der Papa hat geschraubt, mein Bruder war für die Zeiten zuständig, die Mama hat uns versorgt. Wenn es nicht so gelaufen ist, gab's auch mal Zoff mit meinem Vater, aber das ist ja normal. Dieser Zusammenhalt ist der Grund, warum wir uns heute noch so super verstehen.

NZ: Motorsport ist extrem kostspielig, Sie mussten jeden Euro hart erkämpfen. Wie oft dachten Sie, dass Sie den Traum von der Rennsportkarriere begraben müssen?

Wittmann: Den Traum begräbt man nie. Aber wir haben sicher fünfmal in der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester gebangt, ob das Geld fürs nächste Jahr reicht. Für eine Saison in der Formel 3 benötigt man 700 000 bis 800 000 Euro. Meistens war am Jahresende das Paket aus Investoren und Sponsoren noch nicht geschnürt. Es waren schwierige Zeiten.

NZ: Es gab immer wieder Leute, die meinten, Sie hätten nicht das Zeug zum Champion. Auch Ex-Schumi-Manager Willi Weber, der nach nur einem Jahr bei Ihnen wieder abgesprungen ist. Empfinden Sie Genugtuung?

Wittmann: Von einigen wurde ich abgestempelt als der ewige Zweite. Außenstehende sehen nur das Ergebnis und sagen, der kann's nicht, der wird nie ein Großer werden. Wir als Familie wussten aber, wo die Fehler lagen. Und es ist umso schöner, dass jetzt alles gepasst hat, und das auch noch in der größten Tourenwagenserie der Welt. Das freut mich und macht mich schon stolz.

NZ: Kommen jetzt die Schulterklopfer?

Wittmann: Es gibt Leute, mit denen du durch Dick und Dünn gegangen bist und die dir immer geholfen haben. Die freuen sich richtig mit. Und es gibt die Leute, die jetzt kommen, wo der Erfolg da ist. Aber ich weiß schon, wer es ernst meint.

NZ: BMW hat Ihnen zum DTM-Titel einen Formel-1-Test bei Toro Rosso geschenkt. Der fiel kürzlich ins Wasser. Wann wird der Test nachgeholt?

Wittmann: Leider hat es in Imola geregnet. Ich hatte mich sehr auf den Test gefreut, aber er soll unter trockenen Bedingungen stattfinden. Jetzt wird er wohl irgendwann Anfang 2015 sein.

NZ: Ihren DTM-Vertrag bei BMW haben Sie gerade vorzeitig verlängert. Hat der Kindheitstraum von der Formel 1 an Faszination verloren, oder sind Sie einfach Realist?

Wittmann: Klar träumt man als Kind von der Formel 1. Aber man braucht zu viel Geld, um überhaupt reinzukommen. Da sprechen wir von fünf bis 20 Millionen, speziell bei den Privatteams – außer vielleicht, du hast einen Namen und gute Connections. Es gibt kaum noch Fahrer, die in der Formel 1 Geld verdienen. Es ist schade für den Sport. Ich finde, die DTM ist auch eine fantastische Rennserie. Ich fühle mich wohl. Darum ist die Formel 1 nicht wirklich ein Thema.

NZ: Es gibt Leute, die meinen, schnell Auto fahren kann jeder. Wieviel Training ist wirklich nötig, um diese DTM-Rennen zu bestreiten?

Wittmann: In erster Linie muss man körperlich total fit sein. In einer freien Sieben-Tage-Woche trainieren wir Fahrer an fünf Tagen Ausdauer, Kraft oder Koordination. Bei uns in den Cockpits wird es 60, 70 Grad heiß, da ist schwitzen angesagt, und das über eine Stunde lang. Was die Beinmuskulatur betrifft: Wir drücken teilweise 120 Bar Bremsdruck ins Pedal, und das fünf-, sechsmal pro Runde, teilweise über 50 Runden. Im Straßenverkehr auf der Autobahn mal 240 zu fahren ist mit Sicherheit was anderes.

NZ: Zumal man sich beim Rennen über eine Stunde permanent konzentrieren muss. Wie schaffen Sie es, mental so stark zu sein?

Wittmann: Das ist ja mein Geheimnis (lacht). Man muss trainieren, um fokussiert und konzentriert zu bleiben. Im Qualifying, gerade wenn das Feld mit allen 23 Fahrern innerhalb einer halben Sekunde liegt, darf man sich keinen Fehler erlauben. Im Rennen muss man es schaffen, über 50 Runden konzentriert zu bleiben und nicht abzuschweifen. Das habe ich mir in dieser Saison immer wieder gesagt, wenn ich in Führung lag: Marco, lass dich nicht ablenken.

NZ: Ihr Vorbild ist Alessandro Zanardi, der bei einem Rennunfall beide Beine verlor und sich zurückgekämpft hat. Haben Sie keine Angst vor so einem Horrorcrash?

Wittmann: Nein. Wenn man Angst hat, ist man zu langsam. Du blendest die Gefahr nicht aus, sondern du weißt, was du machst, und vertraust dem Team. Auf der Rennstrecke sind alle Profis. Und die Sicherheitsstandards sind mittlerweile so hoch, dass sehr selten was passiert. Daher ist das Unfallrisiko wahrscheinlich geringer als im Straßenverkehr.

NZ: Auf welcher Rennstrecke fahren Sie in der DTM am schnellsten?

Wittmann: In Hockenheim und am Norisring, da kommen wir auf 260, 270 Stundenkilometer. Das kommt manchem vielleicht wenig vor, aber man muss sehen, dass die Autos abgestimmt sind auf Rundenzeiten. Es nützt nichts, wenn wir den wahnsinnigen Topspeed haben, aber in den Kurven 20 km/h zu langsam sind.

NZ: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Wittmann: Ich spiele gerne Squash, gehe Skifahren und mit Freunden was trinken. Wenn ich Zeit habe, helfe ich auch in der Werkstatt der Eltern mit.

NZ: Privat fahren Sie einen golden lackierten BMW M4 Coupé mit 433 PS. Mal ehrlich, halten Sie sich immer an die Geschwindigkeitsbegrenzung?

Wittmann: Eigentlich schon. Aber wir haben ja auch Autobahnen ohne Tempolimit, da fährt man dann schon mal ein bisschen schneller...

 

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