Michael A. Roth: «Ich wollte aussteigen«

22.5.2008, 00:00 Uhr
Michael A. Roth: «Ich wollte aussteigen«

© Eduard Weigert

«Die Regionalliga«, sagt Roth heute, «das war meine schönste Zeit« - der Club fuhr über die Dörfer, war Ereignis und Volksfest; da, sagt Roth, «wussten wir, wie sich sonst der FC Bayern fühlt«. Mittelpunkt und Zugnummer einer Spielklasse: Das erlebt Nürnberg jetzt wieder. In der Zweiten Bundesliga, die mit Borussia Mönchengladbach und dem 1.FC Köln ihre größten Attraktionen nach oben verabschiedet hat. Jetzt sind die Nürnberger die Bayern des Unterhauses.

Leiden am schlechten Gefühl

Aber freuen darauf mag sich niemand, natürlich auch Roth nicht. Dieser siebte Abstieg hat ihn getroffen: nicht obwohl, sondern weil der Club ein gesunder Verein ist. Vor einem Jahr sah sich der Sanierer Roth endlich angekommen: Ein schuldenfreier Club auf einem ungeahnten sportlichen Höhenflug, nach 39 Jahren ein Titel für Nürnberg - und dann ein ebenso ungeahnter sportlicher Absturz als Folge einer Summe kleiner Fehleinschätzungen, über die man bis heute streiten kann.

Gravierende objektive Fehler müssen sich Sportliche Leitung und Präsidium nicht vorhalten lassen - «aber trotzdem hatte man die gesamte Saison über ein schlechtes Gefühl, man hat gelitten und musste immer mit dem Schlimmsten rechnen« (Roth).

Ausgewiesene Kämpfernatur

Zu viel selbst für eine ausgewiesene Kämpfernatur. «Ich wollte, ehrlich gesagt, aussteigen«, sagt Roth, 73, vier Tage danach. In der Präsidiumssitzung am Sonntag ließ sich der Chef umstimmen. «Wir haben beschlossen, alle zusammenzuhalten, gemeinsam wieder aufzustehen«, sagt er - verbunden mit ausdrücklichem Dank an den Trainer.

«Das schätze ich an ihm«, sagt Roth über Thomas von Heesen, «ich rechne es ihm hoch an, dass er diese Scharte wieder auswetzen will, dass er sich mitverantwortlich fühlt« - für eine Mannschaft, der, wie auch Roth im Rückblick sagt, eigentlich nur eines fehlte. Dummerweise das Entscheidende: eine Abstiegskampf-Mentalität.

«... aber sie konnten nicht«

«Es sind nette, sympathische Jungs«, sagt Roth über ein Team, das zwei Jahre ein Identitätsfaktor für diese Stadt war wie seit Jahrzehnten keine Nürnberger Fußballmannschaft mehr, «wir sind überall positiv aufgefallen« - nur hätte auch Roth auf dem Fußballplatz lieber «Typen« gesehen, wie er sagt, «die sich einem harten Kampf stellen«. Roths Fazit: «Sie wollten es, aber sie konnten es nicht.«

Zu lange zugesehen, das wirft sich Roth auch selbst vor, habe man dabei, «das gegenüber den Rivalen technisch bessere Spiel hat uns geblendet, und die Hoffnung, dass es mit dem Trainerwechsel schnell besser wird, hat sich leider nicht erfüllt - was kam, war dann doch zu wenig«.

Nicht nur auf dem Platz besser aufstellen will Michael A. Roth deshalb den Club. Zwei Wunschspieler sähe er gerne in der neuen Elf - Javier Pinola und Andreas Wolf, denn: «Mit Pinola kann man sich überall sehen lassen, und Wolf ist ein Recke, eine Bank.« Neben dem Rasen wünscht er sich eine weitere Verbesserung der Strukturen. «Jetzt war der Manager auf einmal allein der Dumme«, sagt er über Martin Bader, den er sich mittelfristig als Kopf eines größeren und insbesondere moderner besetzten Führungs-Teams vorstellen könnte. «Wir schauen uns die besten Vereine der Bundesliga an«, erklärt Roth, «daran wollen wir uns orientieren.«

Zweifel an Oechlers Teamfähigkeit

Inwieweit sich der umtriebige Aufsichtsrat Marc Oechler eventuell einbringt, «wird man sehen«, so Roth. Der Ex-Profi und Finanzberater musste sich vor seiner Wahl im Herbst schon fragen lassen, wie er zwischen eigenen Ambitionen und dem Wohl des Clubs unterscheide; an Oechlers Kompetenz und Teamfähigkeit gibt es intern durchaus auch Zweifel - und Rivalitäten um Führungsansprüche könnten den Club in seiner Handlungsfähigkeit beschränken.

Dass, unabhängig von Personen, die veralteten, für selbst ernannte lokale Hilfsmanager anfälligen Strukturen nur mit einer integren Persönlichkeit wie Roth an der Spitze überhaupt noch funktionieren, weiß Roth selbst am besten. Er wünscht sich eine berufene, unabhängige Geschäftsführung um einen hauptamtlichen Vorstand - nach seiner Amtszeit, deren Ende er noch nicht terminieren will. «Ich habe mich nicht festgelegt«, sagt Roth, und: «Es kann ja sein, dass die Zweite Liga doch auch Spaß macht.«