Mit Plan B zum Stammplatz: Gärtner wurde beim FCN doch noch glücklich

8.2.2021, 13:34 Uhr
Mit Plan B zum Stammplatz: Gärtner wurde beim FCN doch noch glücklich

Würde Sebastian Gärtner Fußballschuhe anziehen und sich mal eben ins Training der Club-Profis einschmuggeln, er würde wohl nicht weiter auffallen. Mit 28 Jahren ist Gärtner im besten Fußballeralter, er ist körperlich topfit und weiß mit der Kugel umzugehen. Wäre in seiner Karriere manches vielleicht nur einen Tick anders gelaufen, das einstige Talent könnte heute tatsächlich ein Teil dieser Mannschaft sein. Vor knapp drei Jahren aber hat Gärtner eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen. Und sich jetzt trotzdem einen Stammplatz beim 1. FC Nürnberg erkämpft – nicht auf dem Rasen, sondern im Büro.


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Seit Oktober 2020 darf sich Gärtner den hübschen Jobtitel "Referent des Vorstands" auf die Visitenkarte schreiben. Er ist am Valznerweiher – salopp formuliert – die rechte Hand von Dieter Hecking und Niels Rossow, also sowohl für den sportlichen als auch den kaufmännischen Vorstand tätig. "Ich bin in beide Komponenten des Profifußballs eingebunden, das macht mein Aufgabengebiet sehr vielfältig und spannend. So eine Stelle gibt es nicht oft", weiß Gärtner, der 2018 in der Marketingabteilung des Vereins begonnen hat, bald aber von Rossow zum Projektmanager befördert wurde.

Heckings Gedächtnis

Dann kehrte Hecking zum Club zurück. Auf der Suche nach einem, der ihn in seiner neuen Rolle als Vorstand bei der täglichen Arbeit unterstützt, erinnerte sich der frühere Trainer an jenen zielstrebigen jungen Mann, den er hier einst als begabten Nachwuchsfußballer kennengelernt hatte. "Er hat mich gefragt, ob ich nicht auch im sportlichen Bereich tätig sein möchte", erzählt Gärtner. Gärtner mochte, "ich habe den Profifußball als Spieler erlebt, weiß, wie das Geschäft funktioniert und kann meine Erfahrungen einbringen".

Seitdem kümmert sich der gebürtige Nürnberger um administrative Aufgaben, übernimmt etwa die Koordination bei Transfers und ist auch bei Gesprächen mit Spielern und Beratern dabei. Gärtner, so schwärmte Hecking in einem Interview mit der Nürnberger Zeitung, verfüge über "eine schnelle Auffassungsgabe" und habe "darüber hinaus auch noch eine Affinität zum Fußball". Was freilich leicht untertrieben ist. Seit er im Alter von vier Jahren beim Post SV in der vom Vater gegründeten G-Jugend mit dem Kicken begonnen hat, dreht sich bei Gärtner alles um den Fußball. 2005 wechselt er in die U13 jenes Vereins, den er schon als kleiner Bub im Stadion angefeuert hatte, und kämpft sich dort Jahrgangsstufe für Jahrgangsstufe nach oben.

Irgendwann ist er Kapitän der U19, spielt in der Juniorenauswahl des DFB und wird auch für die Profis interessant. Deren Trainer heißt: Dieter Hecking. Gärtner soll probeweise mittrainieren, wird dann aber jäh ausgebremst: Drei Tage, nachdem er für die deutsche U18 ein Länderspiel gegen Frankreichs Nachwuchs um den späteren Weltstar Paul Pogba bestritten hat, bricht er sich im Ligaspiel der Nürnberger A-Jugend in Mainz das Wadenbein.

"Das ist kein Mensch!"

Ein erster Rückschlag, den Gärtner schnell wegsteckt. Bald nimmt er auch in Nürnbergs U23 eine tragende Rolle ein. Als sein Trainer Michael Wiesinger im Dezember 2012 nach Heckings überraschendem Abgang zum VfL Wolfsburg die Profis übernimmt, scheint der Weg nach oben geebnet. Zusammen mit den zwei Jahre jüngeren Eigengewächsen Niklas Stark und Pascal Itter darf der damals 19-Jährige gleich mit ins Wintertrainingslager nach Andalusien reisen. Ein erster Schnupperkurs.

Im Sommertrainingslager in Österreich lässt dann vor allem Gärtners Ausdauer die Kollegen staunen. "Das ist kein Mensch", keucht Alexander Esswein bei einer Laufeinheit. Auch der Trainer ist angetan. "Es macht schon Eindruck, was er hier abgeliefert hat, auch fußballerisch. Basti war in den U-Mannschaften schon herausragend, jetzt hat er sich noch einmal verbessert", schwärmt Wiesinger. Die mitgereisten Journalisten sind sich einig: Das könnte was werden.

Warum es dann doch nichts wurde, das weiß Gärtner rückblickend auch nicht so recht zu sagen. Spätestens als nach dem Abstieg Valérien Ismaël übernimmt, spielt der Youngster in den Planungen keine Rolle mehr. Von der zweiten Mannschaft des FCN flüchtet er zur zweiten Mannschaft des FSV Mainz 05, die immerhin in die 3. Liga aufgestiegen ist. "Ich wollte mich dort weiterentwickeln, eine Führungsrolle auf dem Platz einnehmen und mich für höhere Aufgaben empfehlen", sagt Gärtner, der Plan geht nicht auf. "Relativ unglücklich" sei das eine Jahr in Mainz verlaufen, "meine Auffassung vom Fußball stand nicht mehr so im Einklang mit der des Trainers, er wollte andere Dinge von mir sehen", sagt der laufstarke, aber vielleicht zu wenig dynamische Defensivstratege. Nach nur acht Einsätzen ist das Kapitel Mainz schon wieder beendet.

Gärtner ist vertragslos und "ein bisschen vom Radar verschwunden", wie er einräumt. Eine neue Chance bietet sich im Januar 2016 eine Klasse tiefer bei Waldhof Mannheim. "Das war kein normaler Regionalligist, sondern ein Verein mit viel Tradition und einer bemerkenswerten Fanszene", betont Gärtner. Doch auch in der Quadratestadt läuft es nicht rund. Gärtner ist oft nur Reservist, Waldhof scheitert zweimal in der Relegation zur 3. Liga, erst an den Sportfreunden Lotte, dann am SV Meppen.

Gärtners Vertrag wird nicht verlängert, das Rückspiel im Emsland ist gleichbedeutend mit dem Karriereende. Mit gerade mal 24 Jahren. Denn Gärtner hat erkannt, "dass es vielleicht doch nicht reicht für ganz oben". Und deshalb die Entscheidung getroffen, sich, wenn auch schweren Herzens, vom Lebenstraum Fußballprofi zu verabschieden und "den Fokus auf mein anderes Standbein zu legen".

Über den Tellerrand

Denn einen Plan B hat Gärtner längst in der Tasche. Nach dem Abitur hat er nebenbei in Treuchtlingen Sportmanagement studiert und später an der Universität Bayreuth seinen Master of Business Administration (MBA) abgeschlossen. "Mir war schon immer wichtig, mich auch abseits des Fußballs weiterzuentwickeln und über den Tellerrand hinauszuschauen", erklärt Gärtner.

Dass vielleicht mehr drin gewesen wäre auf dem Fußballplatz, darüber mag Gärtner heute nicht mehr grübeln. "Ich hadere nicht", sagt er, lieber erinnert er sich an die schönen Momente und Erlebnisse, die Reisen mit der DFB-Auswahl nach Israel, Rumänien, Nordirland oder die Ukraine, zusammen mit heutigen A-Nationalspielern wie Julian Draxler oder Antonio Rüdiger. "Natürlich gab es da einige, die durchgestartet sind", räumt Gärtner ein, er sagt das aber ganz ohne Neid. "Es war keine verlorene Zeit. Sie hat mich geprägt in meiner persönlichen Entwicklung", betont Gärtner, der Sport habe ihm Tugenden wie Ehrgeiz und Zielstrebigkeit vermittelt. Für Wehmut ist also kein Platz, "dafür macht meine jetzige Aufgabe viel zu viel Spaß. Ich freue mich auf das, was vor mir liegt".

Viel rennen kann Gärtner dank regelmäßiger Laufeinheiten immer noch, "den Ehrgeiz und Anspruch an mich selbst habe ich". Nur das Kicken an sich vermisst er manchmal schon etwas. Bei der Traditionsmannschaft hat Gärtner mal vorsichtig angefragt. Für die Club-Oldies aber, so beschied man ihm, sei er leider noch zu jung.

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