Mutige Aufholjagd nicht belohnt: FCN scheitert an S04

26.10.2016, 22:35 Uhr
Eine völlig verschlafene und mutlose erste Halbzeit kostete den FCN das Weiterkommen im Pokal.

© Sportfoto Zink / DaMa Eine völlig verschlafene und mutlose erste Halbzeit kostete den FCN das Weiterkommen im Pokal.

Manch einer wird sich Mitte der zweiten Halbzeit an das Champions-League-Finale 2005 in Istanbul erinnert haben. Da lag Liverpool zur Pause aussichtslos 0:3 gegen den AC Mailand hinten - am Ende hieß es 3:3, Liverpool siegte im Elfmeterschießen.

Auch der Club lag zum Pausenpfiff 0:3 hinten und drehte im zweiten Durchgang dann auf, erst 1:3, dann 2:3 - doch am Ende reichte es für die Sensation nicht ganz. Doch der Reihe nach:

In einer zweiten Pokalrunde, die die angeblich eigene Gesetzmäßigkeit des populären Wettbewerbs um einigermaßen anarchische Züge erweiterte – mittlere Sensationen waren beinahe der Regelfall -, sah man in Nürnberg am späten Abend zunächst ein Stück Fußball-Normalität. Der Europa-League-Teilnehmer aus Gelsenkirchen verspürte 45 Minuten lang wenig Lust auf einen prickelnden Pokal-Abend, führte zur Pause mit 3:0 – und musste dann doch befürchten, das nächste Opfer des Aufstands der Außenseiter zu werden. Der Club imponierte mit Mut und Widerstandsgeist, sogar mit Spielfreude und Witz, am Ende hatte Schalke Mühe, den 3:2 (3:0)-Erfolg über die Zeit zu bringen.

Schalkes Konoplyanka traf zweimal nach einer Ecke.

Schalkes Konoplyanka traf zweimal nach einer Ecke. © Sportfoto Zink / JüRa

Die Nürnberger, die den angeschlagenen Innenverteidiger Dave Bulthuis durch Lukas Mühl ersetzten und es im Mittelfeld mit Tim Leibold anstelle von Kevin Möhwald versuchten, bescherten Schalke vor der Pause keine Probleme, hernach aber jede Menge Schrecksekunden. Glück hatte zunächst Lukas Mühl, als ihm Abdul Rahman Babas Flankenball an die Hand sprang (11.) - ohne die Folge eines Elfmeterpfiffs.

Fortan diktierte der Gast das Geschehen, als Jung-Nationalspieler Max Meyer, der mit einigen ansehnlichen Talentproben aufwartete, einen Eckball nach innen zirkelte, stand zwar gefühlt eine halbe Mannschaft um Yevhen Konoplyanka herum – der Schalker kam aber trotzdem aus kürzester Distanz zum Zuge und beförderte die Kugel per Hacke kunstvoll zum 0:1 ins Tor (20.).

Nürnbergs Versuche, sich von der Schalker Dominanz zu befreien, scheiterten da an einem Mangel an Präzision, erst Kempe und später Guido Burgstaller verpassten bei aussichtsreichen Kontern den richtigen Moment fürs Zuspiel knapp; nach einer halben Stunde führten wieder die Schalker vor, wie man es besser macht. Der Brasilianer Junior Caicara narrte über die rechte Seite die Nürnberger Defensive, in der Mitte hatte der inzwischen bejahrte Niederländer Klaas-Jan Huntelaar keine Mühe, zum 0:2 zu vollenden.

Ob individueller Klasse in Königsblau jeweils eine etwas zu große Portion Unbedarftheit gegenüberstand, konnte diskutiert werden, aber an Engagement mangelte es Nürnberg nie. Es half zunächst bloß nichts, weil die Schalker, wenn ihr Spiel ins Rollen kam, auch einem stärkeren Gegner Probleme bereitet hätten – was sich aus diesem ambitionierten Team entwickeln kann, sah man, nach dem zähen Saisonstart, eine Halbzeit lang auch gestern im Frankenstadion, in einem ungewohnten 3-3-3-1-System beherrschte die Elf von Trainer Markus Weinzierl dank geschickter Raumaufteilung den Gastgeber fast nach Belieben.

Das dritte Tor glückte erneut dem bisher nur einem Fachpublikum bekannten Yevhen Konoplyanka, der 27 Jahre alte Ukrainer, ausgeliehen vom FC Sevilla, war erneut zur Stelle, nachdem wieder Meyer geflankt hatte und Keeper Kirschbaum gegen Nabil Bentaleb noch hatte klären können; Konoplyanka durfte allerdings ein wenig zu unbehelligt nachsetzen (45.).

Fortan konnte es für Alois Schwartz' Nürnberger im Grunde - dachte man - bloß noch darum gehen, einen zu argen Flurschaden zu verhindern, aber als Burgstallers Sololauf über links Tobias Kempe unter mithilfe des Ex-Fürthers Baba zum 1:3 (59.) traf, nahm das Spiel eine ungeahnte Wendung. Das Publikum dankte es mit viel aufmunterndem Applaus, auf den das Team mit frischer Energie reagierte. Zwar traf Schalkes Baba den Pfosten (63.), aber Nürnberg ließ nicht locker.

Als Caicara den couragierten Hanno Behrens im Strafraum umrannte, nutzte Kempe den berechtigten Elfmeter zum 2:3 (68.). Plötzlich  wackelte Schalke für den Rest des Abends genauso wie der FCN im ersten Abschnitt. Edgar Salli und Lukas Mühl boten sich Gelegenheiten zum Ausgleich, das Klasseteam der Gäste hätte sich darüber nicht beschweren dürfen – Trainer Schwartz' Wechsel belebten das Spiel zusätzlich, die zweite Halbzeit erinnerte phasenweise tatsächlich an schöne Bundesligazeiten, den Schlussapplaus für eine tatsächlich unglückliche Niederlage hatte sich Nürnberg verdient.

"Mehr Träume, als die Realität zerstören kann", stand auf einem Banner über der Nordkurve. Man ahnte nach einem am Ende doch großen Pokal-Abend, was gemeint war. Auch wenn der Abend dann doch nicht so groß wie der von Liverpool in Istanbul wurde.

+++Das Spiel zum Nachlesen im Live-Ticker+++

1. FC Nürnberg: Kirschbaum - Brecko, Mühl, Hovland, Sepsi - Petrak, Behrens (Kammerbauer, 71.) - Kempe, Leibold (Salli, 62.) - Burgstaller, Matavz

FC Schalke 04: Fährmann - Höwedes, Naldo, Nastasic, Baba - Bentaleb (Aogo, 46.), Stambouli - Junior Caicara, M. Meyer (Choupo-Moting), Konoplyanka (Schöpf, 80.) - Huntelaar

Tore: 0:1 Konoplyanka (20.), 0:2 Huntelaar (31.), 0:3 Konoplyanka (45.) 1:3 Baba (ET, 59.), 2:3 Kempe (FE, 68.) | Gelbe Karten: Burgstaller, Brecko, Petrak - Bentaleb, Junior Caicara | Schiedsrichter: Willenborg (Osnabrück) | Zuschauer: 28281

69 Kommentare