Nach Pokal-Drama: Mehr als nur Ergebniskrise beim Club?

31.10.2019, 18:15 Uhr
Nach der Pleite im Pokal waren Mannschaft und Fans aus Nürnberg restlos bedient.

© Sportfoto Zink Nach der Pleite im Pokal waren Mannschaft und Fans aus Nürnberg restlos bedient.

Die Gerry-Ehrmann-Torwartschule mit Sitz in Kaiserslautern hatte schon ein paar prominente Absolventen. Roman Weidenfeller zum Beispiel oder Tim Weise, beide ziemlich breitschultrig und -brüstig und stets mit literweise Gel zwischen den Haaren unterwegs. Roman Grill ist so etwas wie der Gegenentwurf zu seinen vielen Vorgängern, seit Mittwochabend aber trotzdem berühmt, ein bisschen zumindest.

Der junge Kerl durfte sogar einen Pokal in Empfang nehmen. "Man of the match" ist Grill geworden, weil er unter anderem im Elfmeterschießen gegen den Nürnberger Tim Handwerker spielentscheidend parieren konnte. Danach brachen auf dem Betzenberg alle Dämme.

Redebedarf im Club-Block

Die Westkurve träumte lautstark vom Finale in Berlin, die Ostkurve, besetzt mit über 2500 überwiegend erbosten Club-Anhängern, bat zum Rapport. Der Triumph über den klassenhöheren und deshalb leicht favorisierten 1. FC Nürnberg wäre aber beinahe ausgefallen. In der 90. Minute hatte sich die Nummer eins der Pfälzer ein wenig tolpatschig von Michael Frey den vor ihm liegenden Ball entwenden lassen, mit dem späten 2:2 schien die Zweitrundenpokalpartie in letzter Sekunde noch ihren allseits erwarteten Verlauf zu nehmen.

Die Köpfe der bis dahin tapfer und mit zwei Angriffswellenbrechern verteidigenden Gastgeber gingen wie auf Befehl nach unten. Plötzlich spürten sie die Schmerzen und schweren Beine; das berühmte Momentum wechselte im Bruchteil einer Sekunde auf die andere Seite.

Die über 21.000 Menschen im Fritz-Walter-Stadion dachten eigentlich, dass der Zweitligist jetzt ernst machen würde. Allerdings passierte zunächst wenig bis gar nichts, wie schon zuvor in den zweiten 45 Minuten. "Wenig Situationen" hätten sie da geschaffen, "um den Gegner in Bedrängnis zu bringen", meinte Trainer Damir Canadi, eigentlich gar keine, trotz optischer Überlegenheit; erst in der allerletzten Schlussviertelstunde hätten Dovedan oder Hack für die Entscheidung sorgen müssen, scheiterten aber jeweils am glänzend reagierenden Grill.

 

 

Also mussten beide Mannschaften aus elf Metern einen Sieger ermitteln. Dass die Nürnberger beim finalen Höhepunkt mit Enrico Valentini im Kasten auf höhere Mächte vertrauen mussten, gab auch die Verlegenheitslösung Valentini ehrlich zu. Am ersten war er dran, die anderen hätte er nur abwehren können, wenn er schon vorher im richtigen Eck gestanden oder gelegen wäre. Aber wirklich nur dann.

Weil sein Trainer nach Patric Klandts schwerer Verletzung in der 115. Minute nicht mehr wechseln konnte, streifte sich Valentini die Handschuhe über; bei Nürnbergs Nummer drei diagnostizierten die Ärzte später einen Achillessehnenriss im linken Fuß, die Saison dürfte für ihn vorbei sein. Da auch die Nummer eins namens Christian Mathenia wegen eines Kniescheibenbruchs noch mindestens bis zur Winterpause krankgeschrieben ist, wird der Club zeitnah noch einen Keeper verpflichten.

Es kommt gerade einiges zusammen; Unvermögen, kein Glück, merkwürdige Schiedsrichter-Pfiffe wie vor dem Strafstoß in der siebten Minute, für Verursacher Valentini "ein Witz". Dennoch deutet einiges darauf hin, dass es vielleicht doch mehr ist als eine kleine Ergebniskrise, auch Robin Hack wollte keine Ausreden gelten lassen: "Wir hatten die Chancen, den Sack zuzumachen".

Auch so ging seine Abenteuerreise einfach weiter; "jede Woche etwas, was ich in meiner Karriere so noch nicht erlebt habe", sagte Hack, auch nicht im Fernsehen. Neulich Aue, jetzt Kaiserslautern, dazwischen der Ausgleich gegen Regensburg in der vierten Minute der Nachspielzeit. Lediglich die Drama-Queen im Club ist zurzeit in Topform.

Canadis Vorwürfe

Abhaken, aus den Fehlern lernen, beim nächsten Mal besser machen: Wie nach den Enttäuschungen zuvor richtete sich der Blick auch diesmal zügig nach vorn. "Jetzt müssen wir schauen, dass wir es irgendwie drehen", sagte Lukas Jäger, der nach einer Viertelstunde den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielt hatte. Drehen, irgendwie: Ein konkreter Plan, wie es bereits am Montagabend in Bochum erfolgreicher laufen könnte, hört sich anders an.

Auch in Kaiserslautern tat sich der Club schwer damit, strukturiert und durchdacht Fußball zu spielen. Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird immer größer. "Was wir uns vorwerfen können: Dass wir die letzten Pässe nicht gut reingespielt und nicht zielstrebig zum Tor hingearbeitet haben", meinte Canadi. Und wenn doch, stand da ja noch Roman Grill, der "Man of the match".

Während eines TV-Interviews haute ihm jemand kräftig auf die schmale Schulter, der aussah wie Gerry Ehrmann. "Ich hab’s verbockt, also musste ich’s für die Mannschaft rausreißen", sagte Grill. Hat er wohl in der Torwartschule gelernt.

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