Großer Ärger

Nachwuchsmangel bei Schiedsrichtern: "Vereine kommen uns nicht entgegen"

22.9.2021, 06:05 Uhr
Nachwuchsmangel bei Schiedsrichtern:

© Foto: Dominik Mayer

Uli Spitzenpfeil ist sauer. Der Lehrwart der Schiedsrichtergruppe Jura Süd musste den Neulingslehrgang, der eigentlich am kommenden Wochenende hätte stattfinden sollen, kurzfristig absagen. Der Grund: Gerade einmal sechs Leute wollten sich das Rüstzeug für eine Laufbahn als Schiedsrichter holen. Den Unparteiischen bricht der Nachwuchs weg. Das könnte schon bald ernsthafte Folgen haben, wie Spitzenpfeil im Gespräch mit unserem Medienhaus erklärt.

Wie groß ist der Ärger aktuell bei Ihnen?

Extrem groß. Es sind zwei Faktoren, die da eine Rolle spielen. Der eine ist mehr persönlich, weil ich mich wirklich gefreut habe, nach Corona wieder was zu machen und neue Schiedsrichter an Land zu ziehen. Und zweitens ist es eben so, dass die Mannschaften von uns erwarten, dass wir immer einen Schiedsrichter stellen. Wir reißen uns jedes Wochenende den Arsch auf, dass wir die Spiele irgendwie besetzt bekommen, aber die Vereine kommen uns keinen Schritt entgegen und schicken uns keine Anwärter. Wenn der Motor funktionieren soll, müssen die Zahnräder ineinander greifen. Und der Motor Fußball funktioniert nun einmal so, dass die Vereine uns Anwärter bringen, wir bilden die aus und schicken die dann zum pfeifen.

Wie viele Teilnehmer waren für den jetzt abgesagten Lehrgang angemeldet?

Es waren sechs, wir haben aber gesagt, zehn ist die absolute Untergrenze. Wir haben ja auch Kosten. Es gibt zwar eine Lehrgangsgebühr, die ist aber nicht kostendeckend. Drei der angemeldeten Teilnehmer kamen zudem noch aus München. Das nächste ist die Frage, wie viele Schiedsrichter werden uns am Ende bleiben, wenn wir schon nur so wenige Teilnehmer haben?

Gibt es da Erfahrungswerte?

Wenn es hochkommt, vielleicht zwei Drittel. Wenn wir einen Lehrgang mit zehn Teilnehmern machen und sechs davon bleiben uns dauerhaft, dann ist es richtig gut gelaufen.

Es drohen Spiele ohne Schiedsrichter

Wie läuft so ein Lehrgang eigentlich ab?

Wir haben schon immer einen Hybrid-Lehrgang, da waren wir unserer Zeit voraus, sage ich mal augenzwinkernd. Vier Tage, zwei Wochenenden, halten wir in Präsenz ab. Da geht es zum Beispiel um Regelverständnis und Regelauslegung. Aber natürlich auch um praktische Dinge, wie das Verhalten auf dem Platz oder die Abstimmung mit den Assistenten. Und am letzten Tag ist dann die Prüfung angesetzt. Die weniger wichtigen Regeln erarbeiten sich die Teilnehmer über die Online-Lernplattform des BFV selbst.

Welche Konsequenzen hat die Absage des Lehrgangs jetzt für Schiedsrichter und Vereine?

Für uns bedeutet es ganz klar, dass uns der Nachwuchs fehlt. Wir haben dieses Jahr ja einen ganzen Haufen qualifizierter Schiedsrichter – und je mehr da nach oben rücken, desto mehr Plätze werden unten wieder frei. Und es fehlen jetzt ja schon Schiedsrichter an allen Ecken und Enden. Für die Vereine wird die Konsequenz sein, dass Spiele nicht mehr besetzt werden können. In der B-Klasse sind heuer schon fast keine Spiele mehr besetzt und wenn die Entwicklung so weitergeht, dauert es keine zwei Jahre mehr, dann können wir die A-Klasse auch nicht mehr besetzen.

Warum finden sich denn kaum Leute, die Schiedsrichter werden wollen?

Zum einen trifft uns dasselbe Problem wie alle Ehrenämter: andere Dinge sind einfach wichtiger, Privatleben Freunde, elektronische Medien. Die Komfortzone wird weniger gerne verlassen, genau das muss man aber machen. Wenn man Schiedsrichter ist, muss man die Komfortzone sogar ganz extrem verlassen, weil man eben ab und zu mal was auf die Ohren bekommt. Und viele Jugendliche sagen dann, wenn ich schon was in meiner Freizeit mache, dann lasse ich mich doch nicht von irgendwelchen Zuschauern beschimpfen.

Vereine müssen aktiv Werbung machen

Und die Vereine tun zu wenig, um das zu ändern?

Genau, das ist einfach ein Problem. Das Einfachste wäre, wenn die Vereine zwei Monate vor Lehrgangsbeginn fragen würden, wer teilnehmen will. Dafür kann man auch eine Infoveranstaltung machen. Ich könnte mir auch vorstellen, da dann zu kommen und ein bisschen was zu erzählen. Leider passiert es aber gar nicht, dass Vereine aktiv Werbung machen. Die hängen die Plakate auf und denken, das wird schon passen. Aber das reicht heute nicht mehr.

Fehlt da manchmal auch der Respekt vor dem Amt des Schiedsrichters?

Ja, ganz klar. Als Schiedsrichter triffst du eben Entscheidungen und die Person XY fühlt sich dadurch vielleicht benachteiligt. Und wenn es dann darum geht, den Schiedsrichtern zu helfen, setzt eben manchmal auch der menschliche Egoismus ein. Der hat mich benachteiligt, also helfe ich denen nicht. Das ist aber nicht gut. Wenn es ganz, ganz düster läuft werden früher oder später in der Kreisliga keine Linienrichter mehr mitfahren können – in anderen Fußball-Landesverbänden ist das ja schon so. Es gibt auch im BFV schon Schiedsrichter-Gruppen, die das fordern.

Zur Person: Uli Spitzenpfeil ist jung, motiviert und Schiedsrichter. Seit 2015 steht er als Unparteiischer auf den Fußballplätzen der Region. Derzeit pfeift er in der Kreisliga und ist als Bezirksliga-Qualifikant gemeldet. Sein Heimatverein ist der SV Westheim, dort stand er einst selbst im Tor. Aktuell absolviert der 19-Jährige ein Freiwilliges Soziales Jahr.

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