Nur die Debütantin lässt sich nicht erschrecken

11.7.2011, 07:00 Uhr
Nur die Debütantin lässt sich nicht erschrecken

© Andre Ammer

Stunden nach dem Ende stand Keat, eine der Verliererinnen, mit den Eltern der Fabelsiegerin Chrissie Wellington zusammen, lachte und scherzte.

Und dann war da noch eine doppelte Debütantin, die mit großen Augen bei der Pressekonferenz saß, zwischen Wellington und Keat. Julia Wagner hatte sich für den ersten Langdistanz-Triathlon ihrer Karriere Roth ausgesucht, nach 8:56:23 Stunden kam sie ins Ziel, das Stadion feierte die Zweitplatzierte. „Das braucht Tage, bis ich das begreife“, sagte die 28-Jährige ungläubig.

Drei Szenen, ein Wettkampf. Ja ein Rennen war es, ein Rennen um Rang eins, ein Rennen um die Siegprämie von 15000 Euro und, wie im vergangenen Jahr, ein Rennen gegen die Uhr. Ein Rennen, das zu einem Zeitpunkt endete, als nur eine Handvoll Menschen von dem tragischen Unglücksfall beim Schwimmen wusste.

Natürlich brandete daher Jubel auf, als Wellington ins Zielstadion einbog. Auch bei ihrem dritten Sieg in Roth hintereinander zog die Britin, die lachend und weinend unter dem Tor mit der unglaublichen Zeit von 8:18:13 Stunden stand, das Publikum in ihren Bann, sog die emotionale Dynamik des Augenblicks eine gefühlte Ewigkeit auf. Die Britin ist die schnellste Triathletin weltweit auf der Langdistanz, aber im Moment des Sieges scheint um sie herum selbst die Zeit ehrfürchtig innezuhalten.

Rasant war das Rennen, ihr Solo-Rennen, aber es war auch ein Rennen, das noch mehr Spannungsmomente bot. Wie viele Männer hatten es diesmal vor Wellington ins Ziel geschafft? Die Antwort: vier. Und wie verteilten die Jägerinnen den Rest des Wettkampfs, den diese unwiderstehliche Wellington übrig ließ? Indem sie sich zu Herzen nahmen, was Mama Wellington ihrer Tochter mit auf den Weg gegeben hatte: Enjoy it. Genieß es.

Nur die Debütantin lässt sich nicht erschrecken

© Stefan Hippel

Ein Genuss sind 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und ein Marathon selten, Keat stöhnte hinterher, dass der Laufabschnitt „40 Kilometer Schmerzen“ waren. Doch am Anfang genossen sie es, freuten sich Keat und Granger, dass sie auf dem Rad „nur“ acht Minuten Rückstand auf die Britin hatten.

Der Wettkampf war trotzdem zweigeteilt. Vorne bestritt die perfekt vorbereitete Vorjahressiegerin ihr eigenes Rennen, dahinter formierte sich ein Verfolgerquartett mit den beiden Australierinnen, Julia Wagner und der Neuseeländerin Belinda Harper.

Nach dem Schwimmen lagen sie noch recht nah zusammen, nach dem zweiten Wechsel fehlten dem Aussie-Gespann Keat/Granger zwölf Minuten auf Wellington. Und dann kam Wagner, Überraschungszweite in Kraichgau, die ihren Ruf als exzellente Läuferin bravourös bestätigte. Harper war rasch abgehängt, bald hatte die junge Deutsche Granger, die Fünfte wurde (9:12:56), eingeholt. Keat war über vier Minuten weg, doch die Freiburgerin gab Gas und stoppte erst im Ziel, wo Wellington die fassungslose Zweite in Empfang nahm.

Keat ermahnt den Coach

Ein bisschen wacklig stand zuvor die Siegerin auf den Beinen, doch ihre Analyse wirkte grundsolide wie eh und je. „Ich wollte schneller laufen als im letzten Jahr, das habe ich geschafft.“ Wie wahr, in 2:44:35 Stunden unterbot sie ihren Splitrekord vom Vorjahr um knapp vier Minuten, machte damit die 4:40 Stunden auf dem Rad wett (eine Baustelle bedingte einen zwei Kilometer langen Umweg), auch ihre Schwimmzeit (49:49) war einen Tick besser als 2010. Keat verlor nach einer guten Radzeit das Rennen auf der Laufstrecke, die Uhr hielt daher „erst“ bei 8:59:22 an. „Ich werde jedes Jahr langsamer, ich muss mit meinem Coach reden“, verkündete sie ironisch.

Dass es bei ihr zum Rekord reichen würde, ahnte Wellington, die in Boulder trainiert, sie wusste es aber erst, als sie in den Zielbereich einbog und das Zieltor sah. „Ich bin so unglaublich stolz, ich habe mich so stark gefühlt, hatte nur kleine Probleme zu Beginn auf dem Rad“, sagte sie. Es war, mal wieder, ein perfektes Rennen der dreimaligen Hawaii-Siegerin, die seit Februar ihre Dopingtests samt Ergebnissen auf ihrer Homepage veröffentlicht. Nicht wegducken, sondern sich auch diesem Problem stellen, lautet die Devise.

Was ihr geholfen habe an diesem Tag? Das Publikum, antwortete sie sofort, besonders auf dem letzten Marathon-Drittel. „Und das hier“, schob sie hinterher, deutete auf das gelbe Teilnehmer-Armbändchen. „Smile“ stand dort mit schwarzem Filzstift Genieß es.

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