Problemzonen beseitigen: Das Zwischenfazit zum HCE

22.11.2020, 08:27 Uhr
Eine ausgeglichene Punktebilanz, ein positives Torverhältnis – da kann man Johannes Sellin schon mal vor Freude in die Luft werfen, so wie hier Antonio Metzner.

Eine ausgeglichene Punktebilanz, ein positives Torverhältnis – da kann man Johannes Sellin schon mal vor Freude in die Luft werfen, so wie hier Antonio Metzner.

Nach zwischenzeitlich sechs Toren Vorsprung stand am Ende eine vermeidbare 32:34-Niederlage und nicht wie erhofft der vierte Sieg in Folge. Mit dem Verlauf des ersten Viertels der neuen Spielzeit können sie beim HCE trotzdem zufrieden sein, vor allem das Auftaktprogramm hatte es ja in sich. Will sich die Mannschaft von Michael Haaß aber dauerhaft in den schöneren Regionen der Tabelle festsetzen, muss sie aber in allen Teilen noch zulegen. Und vor allem: gesund bleiben.

Die Torhüter

Er sei ja eigentlich nur der Busfahrer, sagte Martin Ziemer und kurbelte dann gegen Stuttgart und in Ludwigshafen munter das Torwartspiel des HC Erlangen an. Sehr viel Qualität und auf einer Position sogar Weltklasse – so wurde die Mannschaft vor der Saison charakterisiert. Im Umkehrschluss bedeutete das: Klemen Ferlin, der unumstrittenen Nummer eins, dem slowenischen Nationaltorhüter, dem Champions-League-Leistungsträger, darf auf keinen Fall etwas passieren.

Tatsächlich passierte Ferlin dann schon sehr früh etwas in der Saison, von einem Nationalmannschaftslehrgang in seiner Heimat brachte er das Virus mit, das im schlechtesten Fall ganze Mannschaften, ja sogar ganze Ligen lahmlegen kann. Ferlin zeigte zwar keine größeren Symptome, aussetzen musste er natürlich trotzdem – und durfte Ziemer zweimal beweisen, dass die Reflexe des "Busfahrers" auch mit 37 Jahren noch sehr ordentlich funktionieren.

Gegen Balingen kehrte Ferlin auf die Bank zurück, weil er nach seiner Quarantäne aber kein einziges Mal mit der Mannschaft trainiert hatte, handelte es sich wohl lediglich um den Versuch, den Gegner einzuschüchtern. Im Tor stand wieder Ziemer und als er in der zweiten Halbzeit nicht an die glänzenden Auftritte zuvor anknüpfen konnte, kam nicht Ferlin, sondern Janis Boieck. Auch ihm trauen sie beim HCE zu, ein guter Bundesligatorhüter zu werden, gegen Lemgo dürfte kommende Woche trotzdem wieder Ferlin zwischen den Pfosten stehen.

Mit einer Quote von 34 Prozent gehaltener Bälle gehört er zur Ligaspitze, Martin Ziemer folgt immerhin mit 30 Prozent. Die beiden strahlen eine Sicherheit aus, die es ihren Vorderleuten einfacher macht. Sorgen muss man sich auf dieser Position nicht machen, auch wenn die Partie gegen Balingen gezeigt hat, dass Ferlin nicht mehr allzu viel passieren sollte.

Die Abwehr

27 Tore kassiert der HC Erlangen bisher im Schnitt. In der sehr unbefriedigenden Vorsaison waren es am Ende: 27. Um zu erkennen, dass in der Abwehr Fortschritte erzielt worden sind, hilft dieser Wert nicht weiter. Es geht ja um die Verteilung der Tore.

In Kiel beim Auftakt der Spielzeit waren 36 Gegentore leicht zu erklären, schon schwieriger wird es bei 26 in Ludwigshafen und vor allem 34 zuhause gegen Balingen. "22 Tore in einer Halbzeit: Eigentlich sollte es unser Anspruch sein, dass das keiner Mannschaft hier in der Arena gelingt", sagte Michael Haaß am Donnerstagabend in der Nürnberger Arena, nachdem seine Spieler nach dem Seitenwechsel völlig den Faden verloren hatten.

Dagegen stehen beeindruckende Defensivleistungen gegen Melsungen und Essen, bei denen die Erlanger Abwehr lediglich 21 beziehungsweise 20 Tore zuließ. Im weiteren Verlauf wird es darauf ankommen, dass sie zumindest den Gegnern aus dem Tabellenmittelfeld und dem Tabellenkeller nicht mehr als 25 Treffer zugestehen, dann sollte es an normalen Tagen zum Sieg reichen.


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Ob es dem HCE gelingt, in der Verteidigung noch stabiler zu stehen, wird aber natürlich auch und vor allem davon abhängen, wie es um den Fitnesszustand von Petter Overby und Nikolai Link bestellt ist. Gegen Essen, Stuttgart und Ludwigshafen war der Ausfall von Overby auch dank eines starken Sebastian Firnhaber zu kompensieren, als sich gegen Balingen aber auch noch Link wegen seines schmerzenden Rückens zurückhalten musste, wurde die Lücke größer, am Ende zu groß. Die Partie hat gezeigt, dass hier nicht mehr allzu viel passieren sollte.

Der Angriff

Die offensichtlichsten Fortschritte hat der HC Erlangen im Sommer und unter dem neuen Cheftrainer Haaß im Angriff gemacht.

Nach abgewehrten Bällen geht es nun mit deutlich mehr Tempo nach vorne, eine kompakte Verteidigung sowie gute Torhüterleistungen ermöglichen mehr einfache Tore. Im Setplay lässt sich bei den Spielzügen mehr Kreativität und mehr Drang zum Kreis erkennen, der Abschluss wird früher gesucht, wenn auch zuweilen fast zu früh. Dazu kommt mit Simon Jeppsson ein guter Shooter, der dem HCE auch mal einfache Tore verschaffen und dank seiner Übersicht als zusätzlicher Spielgestalter dienen kann. Mit 32 Assists ist der Schwede derzeit bester Vorbereiter in der Liga.


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Auf Halbrechts bilden Sime Ivic und Antonio Metzner ein sehr treffsicheres Gespann, Hampus Olsson hat den Konkurrenzkampf auf Rechtsaußen befeuert, Max Jaeger tut das auf Linksaußen. Mit Steffen Fäth, Nico Büdel und Benedikt Kellner stehen Haaß zudem theoretisch drei sehr gute Spielgestalter zur Verfügung, allerdings hatten bereits alle mit Verletzungen zu kämpfen. Noch fehlt allen dreien etwas die Sicherheit.

Verbesserungsbedarf gibt es bei der Zahl der technischen Fehler und bei der Wurfauswahl. Mit 62,35 Prozent verwandelter Würfe steht der HCE in dieser Kategorie im Mittelfeld. Sobald es hektisch wird, fehlt oft noch der Überblick, die ordnende Hand, die das Team zumindest wieder stabilisiert. Das Spiel gegen Balingen hat gezeigt, dass sich solche Phasen jederzeit noch einschleichen können.

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