Radoki will kein Profitrainer mehr sein

15.9.2019, 16:00 Uhr
Radoki will kein Profitrainer mehr sein

© Foto: Wolfgang Zink

Erst zum 1. Januar 2019 war Radoki zum Cheftrainer des ungarischen Vereins ernannt worden. Ausgestattet mit einem langfristigen Vertrag bis Juni 2021. "Es war eine Herausforderung für mich und eine interessante Aufgabe", sagt Radoki. "Ziel sollte es sein, ungarische Nachwuchsspieler in die europäischen Klubs zu bringen."

Puskás Akadémia wurde im Jahre 2005 vom Erstligisten Videoton FC als Nachwuchsteam gegründet und liegt in der Heimatgemeinde von Ministerpräsident Viktor Orbán in Felcsut mit 1800 Einwohnern.

Bei den Verhandlungen saß Orbán mit Radoki an einem Tisch, man wurde sich einig. "Ich hatte ein gutes Gefühl nach den Gesprächen und dachte: Hier kann ich etwas aufbauen. Das Vereinsgelände und die Trainingsbedingungen sind überragend. So etwas haben viele Bundesligisten nicht", sagt Radoki. Elf Rasen- und Kunstrasenplätze, eine Fußballhalle und ein eigenes Internat besitzt der Verein, der nach der ungarischen Legende Ferenc Puskás benannt wurde.

Bedenken bezüglich des Engagements aufgrund der Nähe zu Orbán hatte Radoki keine. "Dass ich seine politischen Ansichten nicht teile, ist klar. Aber ich war dort, um als Trainer Fußballer besser zu machen. Sport und Politik sollte man trennen." Wie politisch Fußball doch sein kann, zeigte sich dann im April.

Radoki hatte sich in drei Monaten zuvor bemüht, den Spielern Mentalität, Spielverständnis und Trainingsabläufe beizubringen. Mal liefen die Spiele besser, mal schlechter. Eine Entwicklung braucht eben Zeit. Zeit, die man Radoki am Ende nicht geben wollte. "In einem Gespräch hieß es, wir würden zu viele Gegentore durch unser Pressing-System kassieren, sollten defensiver spielen, obwohl genau diese Spielweise anfangs propagiert wurde. Dann habe ich gefragt, wie viele Tore wir denn aufgrund unseres Pressing kassiert haben? Von neun aufgezählten blieben zwei übrig. Ab dem Moment habe ich mir dann schon meine Gedanken gemacht, wo das hinführen wird", erzählt Radoki.

Nach einer 0:4-Niederlage gegen Kisvárda war Radokis Zeit abgelaufen. Über einen Mittelsmann Orbáns wurde er zum Rapport bestellt. "Im Endeffekt war alles, was mir beim Einstellungsgespräch genannt wurde, Makulatur. Ich sollte andere Leute aufstellen, die Zielsetzung war plötzlich eine andere. Aber nichts anderes als der Klassenerhalt war realistisch. Es wurden einfach Gründe gesucht, um eine Entlassung zu rechtfertigen."

Der Anwalt machte Druck

Als Radoki sich weigerte, an Ort und Stelle einen Auflösungsvertrag mit minimaler Abfindung zu unterschreiben, wurde es ungemütlich. "Die wollten mich gar nicht mehr aus dem Büro lassen, haben mir die Ausreise verweigert." Radoki schaltete einen Anwalt ein, blieb im Hotel und harrte aus. Nach drei langen Tagen konnte er nach Deutschland zurückkehren. "Erst als mein Anwalt richtig Druck gemacht hat, haben wir eine Lösung gefunden."

Die Erfahrung in Ungarn und das jähe Ende zuvor in Fürth haben den 47-Jährigen nun bewogen, unter den Fußball einen Schlussstrich zu ziehen. "Ich war immer mit Herzblut bei der Sache, aber das spüre ich nicht mehr." Vor einem Spiel auf der Couch zu sitzen und nervös zu sein, vorher schlecht zu schlafen oder vor dem Anpfiff das Kribbeln zu spüren, all diese Gefühle sind verflogen.

"Als Trainer tut man viel für den Verein, für dich tut niemand etwas. Ich bin einer, der fleißig ist, Ziele mit Ehrgeiz verfolgt und den eine Niederlage richtig schmerzt", sagt Radoki. Die Entlassung in Fürth habe ihn lange beschäftigt. Der Verein, in dem er als Spieler wirkte, mit beschränkten Mitteln die U 19 über Jahre in der Bundesliga hielt und nach der Beurlaubung von Stefan Ruthenbeck im Schlussspurt sicher die Klasse hielt.

Die Ansprüche der Klubs an einen Trainer, gepaart mit dem tatsächlich vorhandenen Potenzial, würden oft einfach nicht mehr zusammenpassen, meint Radoki. "Wenn ich überall Erfolg gehabt hätte, würde ich sicherlich viele Dinge anders sehen. Das war eben nicht der Fall. Aber ich bin kein Typ, der irgendwo einen Vertrag unterschreibt mit dem Wissen, dass ich sowieso irgendwann rausfliege, die Kohle mitnehme, und das dann so zehn Jahre durchziehe, bis ich ausgesorgt habe. Das bin nicht ich."

Nicht mehr zu Hause

Seine Worte wolle er nicht als Ausrede verstanden wissen. In einer Fußballwelt, in der Berater sich schon einmal wegen einer schlechten Spielerbewertung in der Redaktion beschweren und drohen oder den Vereinsmanager maßregeln, wenn der Trainer mal intern kritische Worte über den eigenen Schützling findet, fühlt er sich nicht mehr zu Hause.

"Es gibt nur noch wenige Spieler, die etwas erreichen und Widerstände überwinden wollen. Ein Typ Trainer, der permanent fordert, ist nicht gewollt. Während der Woche ist der Schulterklopfer gefragt, der die Spieler bei Laune hält, am Wochenende wollen dann alle Spaß haben und wenn es nicht klappt, dann halt in der nächsten Woche. Und wenn es vier Spiele lang nicht funktioniert, kommt zum fünften halt ein neuer Trainer", sagt Radoki. Bis zum Winter hat er sich eine Findungsphase verordnet, wie es beruflich weitergehen soll.

"Ich lebe nur einmal und dann soll es auch so laufen, wie ich mir das vorstelle. Aktiv habe ich seit Ungarn überhaupt nicht mehr versucht, einen Verein zu finden", berichtet er. In der Zwischenzeit machte er viel Sport, verbrachte Zeit mit der Familie und schaute seinem Sohn in der Bezirksliga beim Kicken zu.

In Fürth wird Radoki so schnell nicht mehr anzutreffen sein. Der Stachel der Entlassung und die Begleitumstände saßen lange tief. "Ich habe nie jemanden beleidigt, aber klare Worte gefunden, wenn die Leistung nicht gepasst hat. Am Ende sind Dinge vorgefallen, bei denen ich sehr nachtragend bin." Wer sich bei der SpVgg angesprochen fühlen soll, verschweigt er.

Loyalität, Ehrlichkeit und eine offene Streitkultur ohne persönliche Animositäten waren ihm immer wichtig. Was in der Blase Profifußball für ihn nicht mehr funktioniert hat, will er sich in seinem neuen Berufsleben zurückholen. Verbiegen lassen wird sich ein Janos Radoki sowieso nicht mehr.

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