Für Deutschland beginnt das Turnier

Um Hummels Willen! DFB-Elf verliert Auftaktmatch bei EM

15.6.2021, 22:55 Uhr
Leider drin! Ein Eigentor von Mats Hummels setzte Deutschland gegen Frankreich ins Hintertreffen.

© ALEXANDER HASSENSTEIN, AFP Leider drin! Ein Eigentor von Mats Hummels setzte Deutschland gegen Frankreich ins Hintertreffen.

Ein gewisser Aberglaube ist wohl den meisten Fußballern zu eigen. Folglich schien der Austragungsort der deutschen Vorrundenspiele bei dieser paneuropäischen EM schon mal Gutes zu verheißen. München ist für die DFB-Auswahl bei großen Turnieren eine "gmahte Wiesn", wie man in Bayern zu sagen pflegt: Viermal trat sie bislang an der Isar an, viermal gewann sie. Der spektakulärste Triumph datiert aus dem Jahre 1974, nach einem 2:1 im Finale gegen die Niederlande reckte Kapitän Franz Beckenbauer, damals noch im Olympiastadion, den WM-Pokal in den Münchner Himmel. Bei der Heim-EM 1988 wurde Spanien hier im Gruppenspiel 2:0 bezwungen. Das Sommermärchen 2006 nahm dann in der neuen Allianz Arena mit dem furiosen 4:2 im Eröffnungsspiel gegen Costa Rica seinen Anfang, im Achtelfinale folgte ein 2:0 gegen Schweden.

Keine Rücksicht auf die lokale Legendenbildung

Und nun also Frankreich, der Weltmeister, als ultimativer Härtetest im 50. deutschen EM-Rekordspiel - keine Nation hat bei einer Endrunde seit 1972 mehr Partien bestritten. Die Equipe Tricolore, einer der großen Favoriten auf den kontinentalen Cup, nahm auf derlei Jubiläen allerdings ebenso wenig Rücksicht wie auf lokale Legendenbildung: Mit einem 1:0-Sieg pulverisierte das Team von Trainer Didier Deschamps den deutschen München-Nimbus und verdarb dem Gastgeber den Start in der "Todesgruppe F".

Personell hatte Bundestrainer Joachim Löw zum Beginn seiner persönlichen Abschiedstour keine großen Überraschungen mehr ausgeheckt: Vor Manuel Neuer verteidigte eine Dreierkette mit Matthias Ginter, Mats Hummels und Antonio Rüdiger, flankiert von Joshua Kimmich und Robin Gosens. Im Mittelfeld sollten Toni Kroos und Ilkay Gündogan die Räume dichtmachen sowie das Offensivtrio Thomas Müller, Serge Gnabry und Kai Havertz, der wie erwartet den Vorzug vor Leroy Sane erhielt, in Szene setzen.

Auch auf Seiten der Franzosen gab es im Vergleich zur Generalprobe gegen Bulgarien (3:0) nur eine Änderung: Adrien Rabiot ersetzte Corentin Tolisso, der ebenso wie sein Münchner Kollege Kingsley Coman nur auf der Bank saß - im Gegensatz zu den anderen Bayern-Profis Benjamin Pavard und Lucas Hernandez, die in der Allianz Arena ein bisschen Heimspielatmosphäre genießen durften. Und immerhin mal wieder vor 14.000 Zuschauern spielen.

Es lag tatsächlich der zarte Hauch eines kleinen Fußballfests in der Fröttmaninger Luft. Die DFB-Elf schien die Rückkehr der Fans als Ansporn zu begreifen, begann couragiert und kombinierte phasenweise recht gefällig, ließ bei ihren Offensivaktionen aber Präzision vermissen. Nach einer Viertelstunde entschied sich der Weltmeister genug, selbst etwas aktiver zu werden. Nach einer Ecke setzte Paul Pogba einen Kopfball knapp über das deutsche Gehäuse (16.). Nur eine Minute später musste sich Neuer bei einem tückischen Flachschuss von Kylian Mbappé erstmals strecken. Die französische Führung lag in der Luft, kam dann aber auf doch eher kuriose Weise zustande. Nach einer starken Spielverlagerung von Pogba auf die rechte Seite brachte Hernandez den Ball vors Tor, wo Hummels vor Mbappé klären wollte, den Ball aber aus fünf Metern mit dem Schienbein unhaltbar für Neuer ins eigene Netz abfälschte (20.).

Geschichte? Aber keine schöne

Damit hatte der Rückkehrer unfreiwillig sogar ein bisschen Geschichte geschrieben: Es war das erste deutsche Eigentor bei einer EM. Seine Kollegen zeigten sich nur kurz irritiert. Gosens fand mit einer Hereingabe im Strafraum Müller, dessen Kopfball aber zu unplatziert geriet. In der 38. Minute verzog Gündogan nach Vorarbeit von Gnabry aus wenigen Metern - symptomatisch für die oft fahrigen Abschlussbemühungen der Löw-Elf, die bis zur Pause zwar mehr Ballbesitz verbuchte, in der Defensive aber stets auf der Hut sein musste vor Frankreichs flinken Edeltechnikern und ihren überfallartig vorgetragenen Kontern.

Drangphase ohne Ertrag

Die zweite Halbzeit nahm schnell Fahrt auf: Rabiot hätte den Vorsprung ausbauen können, traf aus spitzem Winkel aber nur den Außenpfosten (52.). Auf der Gegenseite hatte Gnabry das 1:1 auf dem Fuß, seine fulminante Direktabnahme nach Flanke von Gosens strich knapp über die Latte (54.). Es war das Signal für eine kleine Drangphase des dreifachen Europameisters, weder Müller, Havertz, Gnabry noch Gosens fanden aber ein Durchkommen gegen das französische Abwehrbollwerk. Wie man eine Lücke findet, demonstrierte dann Mbappé - Glück, dass er vor seinem Zaubertor im Abseits gestanden war (67.). Auch das vermeintliche 2:0 durch Karim Benzema nach einem Konter zählte nach Intervention des Videoassistenten nicht (85.). Es reichte aber auch so zum Auftaktsieg des Turnierfavoriten. Deutschland hingegen steht im zweiten Gruppenspiel am Samstagabend gegen Europameister Portugal nun nicht ganz überraschend schon unter Druck. Der Zauber von München ist verflogen - und taugt kaum mehr als Mutmacher.

+++ Deutschland gegen Frankreich! Der Live-Ticker zum Nachärgern +++

Frankreich: Lloris - Pavard, Varane, Kimpembe, Hernandez - Kanté, Pogba, Rabiot (90.+4 Dembelé), Griezmann - Benzema (89. Tolisso), Mbappé

Deutschland: Neuer - Ginter (87. Can), Hummels, Rüdiger - Kimmich, Gündogan, Kroos, Gosens (87. Volland), Havertz (74. Sané), Müller - Gnabry (74. Werner)

Tore: 1:0 Hummels (Eigentor, 20.) | Gelbe Karten: / - Kimmich | Schiedsrichter: del Cerro Grande (Spanien) | Zuschauer: 14.000.

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