Sechs Geschichten vom Triathlon

11.7.2011, 07:00 Uhr
Sechs Geschichten vom Triathlon

© Stefan Hippel

Zunächst einmal ist eine Entschuldigung fällig. Werter Markus Finger, es war Ihr gutes Recht, ernsthaft an unseren aufgeregten Ausführungen zu zweifeln. Sie hatten Ihren famosen Wettkampf tatsächlich nicht als bester Nürnberger beendet, sondern als zweitbester. Michael Krell war aber offenbar derart erfreut über seine neue Bestzeit, dass er nach 8:49:43 Stunden die Ziellinie überquert und den Zielbereich sogleich verlassen hat, um sich feiern zu lassen, statt sich bei uns abzumelden. Auf seiner Homepage hatte Krell, Buchautor („Triathlon für Berufstätige“), Herausgeber eines Triathlon-Aktkalenders und Organisator des Nürnberger „Run & Bike“, noch offenbart, dass er sich nicht sicher sei, ob er die Pedale oder seine Laufschuhe stärker beanspruchen solle. Offensichtlich war er auch während des Wettkampfes noch unentschlossen und stellte sowohl auf den 180 Radkilometern (4:40 Stunden) als auch im Marathon (3:11) neue Bestzeiten auf. Markus Finger, der für den TSV Hof an den Start ging, war nur unwesentlich langsamer (4:41 und 3:20) und kam also nach 9:09:00 Stunden als Zweiter der inoffiziellen Nürnberger Stadtmeisterschaften ins Ziel.

Hannes Schmidt ballte die Faust einmal, er ballte sie zweimal und noch ein drittes Mal und dann streckte er sie in den blauen Himmel über der Triathlon-Hauptstadt. Es war sein 25. Langdistanztriathlon, sein 16. in Roth – und bejubelt hat er ihn, als wäre es sein erster gewesen. Und eigentlich hätte er danach gar nichts mehr sagen müssen. Hannes Schmidt liebt diesen Sport, er wird niemals von ihm lassen können. Aber natürlich hat Nürnbergs bekanntester Ausdauersportler dann doch noch gesprochen, hat erstmals verraten, dass er im Frühjahr nicht hatte laufen können („ich wollte nicht jammern, deswegen habe ich das niemandem verraten“), hat erzählt, wie sehr er den Tag genossen hat und wie sehr er mit seiner Endzeit (9:23:05) zufrieden sei und dann hat er noch alle Umstehenden dazu aufgefordert, doch im nächsten Jahr selbst mitzumachen. Und dann hat Hannes Schmidt, der nach seinem 40. Geburtstag eigentlich keinen Fuß mehr in das Kanalwasser setzen wollte, noch gesagt, dass er dazugelernt habe und niemand sagen würde, das sei sein letzter Auftritt in Roth gewesen: „Nein, das würde ich nie mehr tun. Aber fragt doch mal den Mirko Stockbauer, der hat im Vorjahr genau dasselbe gesagt.“ Gut, Hannes, machen wir.



Herr Stockbauer, eigentlich wollten Sie doch nie wieder teilnehmen, war das nun Ihr letzter langer Triathlon?

Mirko Stockbauer: Ja, das war er, das kannst du genau so schreiben. Dabei hat er aber versucht zu grinsen. So gut einem das eben gelingt, der gerade seine körperlichen Grenzen ausgelotet hat. Und wenn er nur eine Minute früher durch das Zieltor geschritten wäre, hätte er wohl gelacht und nicht nur gegrinst. Wahrscheinlich hätte er seine Antworten dann auch nicht mit derart vielen unflätigen Wörtern garniert. „Erst diese ewige Vorbereitung und dann so eine Sch..ße“ zum Beispiel. Oder: „Auf der ersten Radrunde hab’ ich überzockt, nach 90 Kilometern hatte ich dann Krämpfe, aber so ist es eben, du fühlst dich gut, gibst Gas. Ich Idiot.“ Und: „Aber aufgeben ist Sch..ße.“ Man könnte meinen, Mirko Stockbauer ist ungefähr nach 15 Stunden ins Ziel gekommen, tatsächlich aber blieb die Digitalanzeige bei 9:50 Stunden stehen, als der Athlet des TSV Altenfurt ins Ziel kam — und damit exakt bei seiner bisherigen Bestzeit.

Tobias Leitmann kennen in Nürnberg viele, die Wert auf anspruchsvolle zeitgenössische Musik legen. Im Monoton, seinem kleinen, aber so feinen Plattenladen in der Jakobstraße steht er hinter der Theke, stets freundlich, stets kompetent. Wer würde da einen sechsmaligen Eisenmann vermuten. Am Sonntag aber hat er sich diesen Titel erneut mit einigem Recht erkämpft. Im März hatte er erst mit der Vorbereitung angefangen, in den letzten drei Wochen ging „alles schief, was schiefgehen konnte“ und am Tag vor dem Start war er auf die Freundlichkeit und Kulanz der Veranstalter angewiesen („Vielen Dank, noch einmal“). Am Sonntag aber durfte er nur noch genießen — bis Kilometer 40 beim Marathon. Dann spürte er „ein Stechen im Oberschenkel“. Tobias Leitmann blickte auf seine Uhr, registrierte, dass es noch möglich war, unter zehn Stunden ins Ziel zu kommen. „Nein, da kann ich jetzt nicht stehen bleiben“, dachte sich der 42 Jahre alte Athlet vom Team Klinikum und genau das dachten sich auch sein Vater und seine Schwester und feuerten und trieben ihn immer wieder an, glaubten an ihn. „Das war nur noch Kopf, reiner Wille“, sagte er später – nachdem er nach 9:59:44 Stunden mit seinem Sohn und seiner Nichte ins Ziel gelaufen war. Gratulation.
 

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