Sportvereine in der Coronakrise: Abstand halten und überleben

21.7.2020, 06:00 Uhr
Nach und nach ist das Leben auf die Sportplätze zurückgekehrt: Doch solange die Gefahr einer zweiten Corona-Welle droht, müssen alle Hygieneregeln einhalten.

© Harald Sippel Nach und nach ist das Leben auf die Sportplätze zurückgekehrt: Doch solange die Gefahr einer zweiten Corona-Welle droht, müssen alle Hygieneregeln einhalten.

Aktuell, und das will schon was heißen, hat Jörg Bergner die größten Ängste überwunden. Viele Wochen lang hat sich der Vorsitzende des TV 1848 Erlangen Sorgen gemacht um seinen Verein und dessen Mitarbeiter. "Es ist schließlich die Verantwortung des Vorstands, dass der Verein überlebt." 25 Hauptamtliche musste er in Kurzarbeit schicken. "Das", sagt Bergner, "war existenziell notwendig." Denn der Lockdown hat den Erlanger Turnverein mit seinen großen Fachbereichen, dem Fitnessstudio "TV Vital" und der Kindersportschule, bis ins Mark getroffen. "Unser Geschäft ist die Betreuung von Menschen", sagt Bergner. "Corona hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen."

"Seit 1. Januar haben wir ein Minus von 300 Mitgliedern"

Bergner musste trotzdem sicherstellen, dass der Verein liquide blieb. Zwar gab es eine Haushaltssperre und alle Sachkosten wurden — soweit machbar — gestoppt. Der Verein aber musste weiter Darlehen, mindestens 10.000 Euro pro Monat, und den Unterhalt der vier großen Sportanlagen bezahlen. "Dazu muss man bedenken, was alles wegfällt", sagt Bergner: Die Zusatzbeiträge, die Mitglieder zum Beispiel im TV Vital oder für Sportkurse zahlen, blieben im Mai ganz aus. Gleiches gilt für die Einnahmen durch Ferienprogramme oder Großveranstaltungen wie der Erlanger Triathlon.

Noch schlimmer allerdings könnte der Rückgang der Vereinsmitglieder insgesamt den TVE treffen. "Seit März haben wir keine Eintritte mehr", sagt Bergner. Dabei ist der Turnverein auf bis zu 100 Eintritte pro Monat angewiesen, pro Jahr gibt es rund 1000 Ein- und Austritte. "Seit 1. Januar haben wir ein Minus von 300 Mitgliedern." Geht das so weiter, rechnet der Vorsitzende im Jahr 2021 mit einem Beitragsausfall im sechsstelligen Bereich. "Bislang", sagt Bergner, "sind wir glimpflich durch die Krise gekommen." Doch das kann sich auch ändern.

Beim ESC Höchstadt stehen in der Krise momentan andere Dinge im Vordergrund als die Finanzen. Über die Verdopplung der Vereinspauschale freut sich Schatzmeister Sebastian Johna zwar: "Alles, was man kriegt, hilft. Aber sie ist im Verhältnis zu dem Budget, das wir haben, nicht so hoch." Was fehlt, ist nicht so sehr das Geld – sondern das Vereinsleben, vor allem das mit Kindern und Jugendlichen. Denn im Freibad ist aufgrund der Corona-Beschränkungen Training erst ab 20 Uhr möglich. Und so können nur die erwachsenen Schwimmer, Taucher und Triathleten ins Wasser. Über die Hälfte der ESC-Mitglieder ist aber unter 18 Jahre alt.

"Wie lange gehen manche Eltern da noch mit, bei einer Vereinsmitgliedschaft ohne Vereinsleben"

Der Verein mit den zwei großen Sparten Eis- und Schwimmsport finanziert sich ausschließlich über Mitgliedsbeiträge. Die meisten Trainer arbeiten ehrenamtlich. Bislang kommt der ESC so vergleichsweise gut durch die Krise. Kündigungen gab es nur im üblichen Rahmen. Johna macht sich aber durchaus Sorgen: "Die Frage ist schon, wie lange gehen manche Eltern da noch mit, bei einer Vereinsmitgliedschaft ohne Vereinsleben." Auch er erhofft sich mehr Klarheit im Herbst. Denn Hochbetrieb ist beim ESC traditionell im Winter, wenn Eishalle und Hallenbad öffnen — hoffentlich.

Beim RC 50 Erlangen hat Corona mehr durcheinander gebracht als den Trainings- und Wettkampfbetrieb. Der BMX-Verein wollte eigentlich eine seit Langem geplante Baumaßnahme angehen und den Starthügel endlich renovieren. "Wir waren in der Planungsphase mit der Baufirma und wollten viel in Eigenleistung machen", sagt der Vereinsvorsitzende Thomas Otto. Die Mitglieder dazu hat er, beim BMX helfen immer alle zusammen. Wegen Corona aber durften sie es nicht, niemand durfte sich ja sehen oder geschweige denn gemeinsam auf dem Vereinsgelände ein Fundament ausheben.

Also musste doch die Baufirma ran, und das natürlich nicht umsonst. Trotz dieser Zusatzkosten, sagt Otto, kam der Verein bislang "glimpflich" durch die Krise. Kündigungen der 260 Mitglieder gab es nicht. Selbst nicht zu Beginn der Pandemie, als Thomas Otto die Bahn früher als von der Regierung vorgegeben sperrte. "Da gab es zu Beginn schon Unmut Einzelner."


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Mittlerweile konnte der RC 50 zumindest seine Jahreshauptversammlung nachholen, wenn auch nur im Freien, und wichtige Beschlüsse für die Finanzierung der Bauvorhaben fassen. Die Halbierung der Hallenmieten durch die Stadt Erlangen — beim BMX fürs Wintertraining — und die Verdopplung der Vereinspauschale durch den Freistaat Bayern helfen finanziell. "Es ist eine Erleichterung, gerade für uns als kleinen Verein", sagt Otto. "Das gleicht die ausbleibenden Einnahmen der Bayernliga-Rennen, die wir veranstaltet hätten, aus." Alle Wettkämpfe sind mit Ausnahme der Deutsche Meisterschaft in Berlin abgesagt. 

Die Turnerschaft Herzogenaurach hat umtriebige Abteilungen, die sich zum größten Teil selbst den Sportbetrieb finanzieren. Die Handballer verkaufen zum Beispiel Getränke beim Altstadtfest, die Basketballer veranstalten eine Ü30-Party. Und diese Einnahmen fehlen nun schmerzlich. Die Verdopplung der Vereinspauschale ist da ein eher kleiner Posten, aber ein willkommener. "Es ist eine Hilfe, das ist klar. Wir versuchen momentan, überall die Ausgaben zu senken. Und das macht ein paar Tausend Euro aus", sagt TSH-Finanzvorstand Lothar Babler. Die Turnerschaft musste in der Krise die Ausgaben senken, die Belegschaft – ein Trainer und zwei Mitarbeiterinnen in der Geschäftsstelle – waren und sind zum Teil noch in Kurzarbeit. Über Spendenportale sammeln die Abteilungen Geld.

Immerhin: Hallengebühren muss die TSH in der Corona-Zeit nicht an die Stadt zahlen, auch Kosten für Übungsleiter fielen nicht an. Viele Möglichkeiten, weiter zu sparen, sieht der Finanzvorstand aber nicht. Die Stunde der Wahrheit dürfte im Herbst kommen: "Es ist durchaus möglich, dass dann einige Mitglieder, die selbst in Kurzarbeit sind, kündigen", schätzt Babler. "Momentan sind wir noch flüssig. Aber wenn sich das weiter hinzieht, wird das irgendwann in die falsche Richtung gehen. Dann ist der Sportbetrieb nicht mehr gesichert."

"Diese Hilfen werden keinen Verein vor dem Aussterben retten"

Mit "einem blauen Auge" wird wohl der SC Adelsdorf durch die Krise kommen. Zumindest hofft das der Vorsitzende Volker Höfer. Die Folgen der Pandemie habe der SCA aber "merklich" zu spüren bekommen. "Wir hatten Kündigungen in größerem Umfang als normal, vor allem beim Kinderturnen und in der Gymnastik." Gerade bei den Indoor-Sportarten bleibt es schwierig. "Mit den Maßnahmen wie der Desinfektion von Turngeräten lässt sich kein vernünftiger Trainingsbetrieb aufrecht erhalten", sagt Höfer. Weil keine Eltern in der Halle erlaubt sind, ist an Eltern-Kind-Turnen nicht zu denken.

Dazu kommen abgesagte Vereins-Veranstaltungen wie die Sportler-Kirchweih. "Das merken wir deutlich, da fehlt einiges in der Kasse", sagt Höfer. Sehr geholfen habe dem SCA, dass alle Trainer, die ein Mini-Job-Gehalt erhalten, in der Krise darauf verzichtet haben. Die erhöhte Förderung über die Vereinspauschale ist auch in Adelsdorf eine eher kleine Hilfe. "Prinzipiell ist aber natürlich jede finanzielle Hilfe willkommen", sagt Höfer. Größere Hoffnungen hatte er in eine Abfrage des Bayerischen Landes-Sportverband gesetzt, über die die Vereine in der Anfangsphase der Krise finanzielle Schäden melden konnten. Versprochen wurde Hilfe durch das bayerische Innenministerium. "Doch da ist bislang gar nichts passiert", sagt der SCA-Vorstand. 

Der Turnerbund Erlangen hat viel investiert, um den Sportbetrieb so früh wie möglich wieder zuzulassen. "Das wurde sehr positiv aufgenommen", sagt Präsident Matthias Thurek. "Im Moment haben wir keine Austrittswelle, alle waren solidarisch." Grundsätzlich aber hat auch der TB eine jährliche Fluktuation an Mitgliedern. "Was passiert, wenn wir die Mitglieder, die wir automatisch verlieren, nicht mehr dazu bekommen?" Von einem "Eintrittsboom" jedenfalls könne man "im Moment" nicht sprechen, zum Kündigungstermin im November drohen hingegen weitere Austritte.


Beim TB Erlangen turnen alle draußen herum


Die Verdopplung der Vereinspauschale durch den Freistaat Bayern sei eine "unbürokratische Unterstützung", meint Thurek, "wird aber keinen Verein vor dem Aussterben retten." Beim TB mache die Pauschale keine zehn Prozent des Etats aus. Bei der Halbierung der Hallenkosten durch die Stadt Erlangen sei es ähnlich: "Doch es ist für jeden Verein eine Hilfe." Müsste jedoch die Tennishalle wegen einer zweiten Corona-Welle über den Winter schließen, würde das beim Turnerbund herbe Einbußen mit sich bringen.

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