Sturmfrage: Spielt Keller die Frey-Karte gegen Stuttgart?

19.6.2020, 11:30 Uhr
Sturmfrage: Spielt Keller die Frey-Karte gegen Stuttgart?

© Sportfoto Zink / DaMa

Als sich Club und VfB das letzte Mal vor ihrem richtungsweisenden Rendezvous am Sonntag begegneten, war Nürnbergs noch immer absturzgefährdetem Vorzeigeverein ebenfalls ein Dreier anzuraten. Der FCN, der mit einem Sieg gegen favorisierte Stuttgarter bestenfalls schon vor Abschluss der Zweitliga-Runde den Klassenerhalt festzurren kann, hatte vor dem Duell mit dem finanz- und spielstarken Aufstiegsaspiranten sieben Partien nicht gewonnen.

Auch nicht unter Jens Keller, dem gebürtigen Stuttgarter und früheren Brustringträger, der die Nürnberger seit den Vorbereitungen auf das erste Frankenderby in dieser aus Club-Sicht schrecklichen Saison anleitet.

Anfang Dezember gewann der FCN auch gegen den VfB nicht. Dass er sich - am Neckar da allerdings längst nicht mehr ebenbürtig - bis kurz vor Stundenfrist dennoch Hoffnung diesbezüglich machen durfte, hatte mit Michael Frey zu tun. Mit dem bulligen Stürmer, der in Stuttgart das erste Club-Tor seit Kellers Amtsübernahme erzielte. Mit dem Mann, den dieser, den Ratschlag vieler Beobachter zumindest entsprechend, nicht erneut angreifen lassen sollte. Zumindest nicht von Beginn an, beim fränkisch-schwäbischen Wiedersehen am Sonntag (15.30 Uhr, Live-Ticker auf nordbayern.de).

 

Handwerker, Geis, Frey - und gefühlt 240 km/h

Als Blaupause für einen Torerfolg mit größerer Reichweite könnte der Kanonenschlag von damals dennoch dienen. Als Strickmuster, wie man den VfB vielleicht komplett erschüttern kann. Und möglicherweise doch auch als erneuter Arbeitsauftrag für den Schweizer, der gerne so abschließt wie beim Zweitliga-Treff in der Hinrunde. Eine Hereingabe des in der Frühphase dieser Partie im Vorwärtsgang gewohnt aktiven Tim Handwerker hatte die Stuttgarter Abwehr nur recht unzureichend geklärt bekommen. Johannes Geis riskierte im Zentrum gegen den jetzt gelbgesperrten Castro buchstäblich Kopf und Kragen, um den Ball noch einmal scharf zu machen. Und fand Frey, der sich geschickt von seinem Gegenspieler löste, das Leder mit der Brust gekonnt mitnahm und es mit einem Dropkick und gefühlt 240 km/h unter die Latte drosch.

Die Club-Führung zur Pause war angesichts nun ebenso wütend wie zielorientiert nach vorne drängender Gastgeber glücklich. Nach einer Stunde hatte der inzwischen deutlich überlegene VfB die Partie gedreht. Der seit Wiederbeginn angreifende Wamangituka, für den die dank sprudelnder Daimler-Millionen von Sparzwängen scheinbar befreiten Schwaben das Scheckbuch vor der Saison ganz weit geöffnet hatten, glich vom Elfmeterpunkt aus. Sturmchef Mario Gomez machte keine 180 Sekunden später Stuttgarts Doppelschlag perfekt. Und den schwäbischen 3:1-Sieg im Dezember absehbar.

Klarheit, Flaute, FCN 

Bewerkstelligt hatte Gomez die Ergebniswende mit einer klaren Abschlussaktion vor der Club-Kiste. Klarheit vor dem gegnerischen Tor - gepaart mit immenser Wucht. Auch ein Vorzug von FCN-Angreifer Frey. Eigentlich. Unter Beweis gestellt hatte der Eidgenosse diese nicht nur in Stuttgart, sondern auch schon zuvor in Aue. Bei einem Gewaltschuss, der bei der wilden Club-Fahrt im Erzgebirge den 2:2-Ausgleich bedeutet hatte. Umso besorgniserregender wirkt mit Blick auf Nürnbergs Saisonfinale da, dass der ehemalige Langhaarträger diese Qualitäten völlig eingebüßt zu haben scheint. Gleiches gilt für den Status als feste Sturmspitze. Beim rot-schwarzen Re-Start auf St. Pauli beorderte Jens Keller Adam Zrelak in vorderste Front. Beginnend mit seinem gelungenen Comeback in Regensburg war dieser Platz anschließend für Mikael Ishak reserviert, den eigentlich schon augemusterten, nach starker Rückkehr jedoch auffällig abbauenden Schweden.

 

Mit der Hacke ist nicht gleich Hack

Kam Frey, der aufgrund gut gemeinter Vorarbeiter-Tätigkeiten, oft nicht dort ist, wo ein Angreifer zu Abschlüssen kommt, in die Partie, machte der Kraftprotz einen seitdem schwachen Eindruck. Unzureichende Ballannahmen und -behauptungen, die es ihm, den nachrückenden Kollegen und der Defensive schwer machen. Wenig Bindung zum Spiel und zu den Mitstreitern. Vieles wirkt bei Frey in der jüngeren Vergangenheit noch unrunder, komplizierter und in der Folge ineffizienter als vor der Corona-Pause. Auch vor dem gegnerischen Kasten, wo der Schweizer bei der Sechs-Tore-Show in Wiesbaden - dort von Beginn an stürmend - die Hacke nimmt. Und nach Behrens' Vorarbeit das 4:0 aus der Nahdistanz beinahe grotesk verschludert. 

+++ Aufatmen, nicht zurücklehnen: Der FCN ist weiterhin gefordert +++

Wie es geht, hat der aktuell indisponierte Club-Angreifer jedoch bereits gezeigt. In der Hinrunde, als Jens Keller die Frey-Karte mit Blick auf die energische Anfangsphase seines Teams erfolgreich spielte. Ein auch noch nach der Nachspielzeit stehender Erfolg gegen Stuttgart wäre für Frey der Ausweg aus der Formkrise. Und für seinen Noch-Arbeitgeber in Form des gesicherten Klassenerhalts Gold wert.

Ein Abschiedsgeschenk für Nürnberg? 

Der Um- und Irrwege gewohnte 1. FC Nürnberg, nach dem Schützenfest in Wiesbaden drei Punkte vor Relegationsplatz-Inhaber Karlsruhe notiert, will die Saisonverlängerung mit all ihren Unwägbarkeiten vermeiden. Aus eigener Kraft. Mit einem Sieg. Mit einem Frey-Tor gegen Stuttgart? Es wäre zumindest ein schönes Abschiedsgeschenk des sympathischen Sturmbullen, der - vorausgesetzt, er würde danach in Kiel nicht noch einmal für den FCN treffen - diesen mit vier Liga-Treffern auf dem Konto Richtung Istanbul verlassen würde. Nicht ohne aber, der bevorzugten Abschlussart des Angreifers entsprechend, ein wuchtiges Statement für Nürnbergs Klassenerhalt gesetzt zu haben. 

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