Taktiktafel: Abwartende Auer mit Problemen bei Standards

20.4.2021, 05:55 Uhr
Kein Vorbeikommen: Aues Martin Männel klärt hier im Hinspiel vor Fabian Schleusener.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr Kein Vorbeikommen: Aues Martin Männel klärt hier im Hinspiel vor Fabian Schleusener.

Wie war das Hinspiel?

Die letzte Partie 2020 endete mit einem knappen 1:0-Heimsieg für den Club, dem letzten bis Anfang April. Der FCN kletterte auf Rang sieben, punktgleich mit den unterlegenen Gästen. Dass es zum Sieg kam, hatte der Club vor allem zwei Faktoren zu verdanken: dem eigenen Torwart und den gegnerischen Angriffsbemühungen. So parierte Christian Mathenia wirklich alle Schüsse, die auf sein Tor kamen, darunter auch eine Riesenchance von Krüger in der ersten Spielminute, noch vor dem Club-Führungstor durch Hack eine Eins-gegen-Eins-Situation gegen Calogero Rizzuto und in der zweiten Halbzeit einen Fernschuss von Fandrich.


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Dass dieser Fernschuss nach der Clubführung aber noch der gefährlichste Abschluss aufs Tor war, zeigt aber auch, wo die Sachsen ihre Probleme hatten: Sie schafften es nicht, aus dem hohen Ballbesitz, der nach dem Führungstor des FCN bei 60 Prozent lag, Kapital zu schlagen. Die einzigen Pässe, die zu Abschlüssen führten, waren lange Bälle oder Flanken, beides Arten von Zuspielen, die seltener zu gefährlichen Chancen führen als kurze Zuspiele in den Strafraum. Auch deshalb blieb der Club ohne Gegentor.

Was ist seitdem passiert?

Nur zweimal schaffte der FCN es seitdem ohne Gegentor zu bleiben. Statt Platz sieben heißt es Platz 14 und Aue ist auch nicht punktgleich, sondern vier Punkte vor dem Club. Die Erzgebirgler spielen eine unaufgeregte Saison ohne – rein tabellarisch – besonders positiv oder negativ aufzufallen. Positive Ergebnisse wie ein 3:3 gegen den HSV oder 1:0 gegen Bochum sind ebenso die Ausnahme wie Negativresultate wie das 1:4 in Darmstadt oder das 0:3 gegen Düsseldorf. Einige Trends setzen sich jedoch fort: Aus dem Spiel tut sich Aue schwer. Sobald der Ballbesitz steigt, sinkt sowohl die Anzahl der Schüsse als auch der Tore.

So gesehen ist die Taktik aus dem Hinspiel – in Führung gehen, dann Aue kommen lassen und auf Konter warten – durchaus ein gangbarer Weg: Elf Partien hat Aue nach Rückstand auch verloren, genauso viele wie der FCN. Doch im Gegensatz zum Club, der aus zwölf Rückständen gerade mal einen Punkt – in Fürth – geholt hat, hat Aue nach Rückstand noch drei Siege und vier Remis eingefahren. Mehr Punkte nach Rückstand hat keiner – öfter in Rückstand waren aber auch nur Würzburg, Osnabrück und Braunschweig.


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Aue ist darüber hinaus auch der Beweis, dass man nicht intensiv pressen muss, um zu bestehen. Die Erzgebirgler sind – in der zweiten Saison in Folge – das Team mit den niedrigsten Pressingwerten in der zweiten Liga. Sie warten also insgesamt gerne ab, lassen den Gegner kommen, um dann zu kontern. In dieser Kategorie sind sie mit zehn Toren auch Ligaspitze, noch vor dem FCN, der auf neun kommt.

Wie kann man sie knacken?

Der FC St. Pauli machte es im letzten Spiel gegen Erzgebirge Aue vor: Standards. Nur der VfL Osnabrück hat mehr Gegentore nach Ecken, Freistoßflanken und Elfmetern kassiert. Dabei spielt die Tatsache, dass Aue nicht so kopfballstark ist (45 Prozent Erfolgsquote) nur eine untergeordnete Rolle. Gegen St. Pauli war es vor allem die Raumaufteilung bei Flanken auf den langen Pfosten, die zu wünschen übrig ließ.


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Darüber hinaus hat Aue in den letzten Wochen vor allem über die rechte Abwehrseite Probleme gehabt. Steve Breitkreutz als rechter Innenverteidiger im 3-4-1-2 oder Rechtsverteidiger im 4-2-3-1 und 4-4-1-1 und John-Patrick Strauß als rechter Sechser im 4-2-3-1, rechter Flügelverteidiger im 3-4-1-2 und teilweise auch Rechtsverteidiger in der Viererkette waren zusammen für 26 Prozent aller verlorenen Zweikämpfe in der eigenen Verteidigungszone verantwortlich.

Hinzu kommt bei Breitkreutz und auch Linksverteidiger Bussmann, dass sie nur knapp 40 Prozent ihrer Kopfballduelle im eigenen Strafraum gewinnen. Für den Club heißt das: Auf der eigenen linken Angriffsseite gegen Breitkreutz und/oder Strauß durchsetzen und dann an den langen Pfosten flanken, wo dann das Duell mit Bussmann erfolgversprechend ist.

Auf wen muss der Club aufpassen?

An dieser Stelle einen Torhüter zu nennen ist ungewöhnlich, aber Martin Männel ist ein Phänomen: Zwölf Tore weniger als auf Grund der Chancenqualität der Schüsse auf sein Tor zu erwarten gewesen wäre hat sich der 33-Jährige eingefangen. Gerade angesichts dessen, dass nur Sandhausen mehr Schüsse pro 90 Minuten als Aue zulässt, ist das ungewöhnlich. Über die letzten drei Jahre hat Männel im Tor von Aue damit insgesamt 20 Treffer weniger kassiert als statistisch wahrscheinlich. Zum Teil ist es damit zu erklären, dass er in den letzten drei Jahren acht von sechzehn Strafstößen gehalten hat, also doppelt so viele als zu erwarten wäre. Zum anderen ist Männel aber einfach auch in herausragender Verfassung und pariert im Eins-gegen-Eins immer wieder stark.


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Dazu kommt, dass er mehr ins Spiel eingebunden ist als viele andere Torhüter. Nur Bochums Riemann und Hamburgs Ulreich spielen mehr Pässe als der Auer Schlussmann. Seine langen Bälle sind zwar nicht immer die präzisesten, aber auf Grund der relativen Häufigkeit seiner Zuspiele ins Angriffsdrittel oder gar in den Strafraum des Gegners kommen sie oft genug an. Gegen Sandhausen leitete er mit langem Schlag auf Nazarov, der den Ball zu Testroet weiterleitete, sogar ein Tor ein.

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