Unendliche Club-Krise: Was läuft schief beim FCN?

3.2.2021, 17:29 Uhr
Unendliche Club-Krise: Was läuft schief beim FCN?

© Foto: Uwe Anspach/dpa

Noch vor gut drei Wochen wähnten nicht wenige den 1. FC Nürnberg auf einem guten, wenn nicht gar auf einem sehr guten Weg. Beim 1:1 gegen den Hamburger SV, die wahrscheinlich beste Mannschaft in der zweiten Liga, zeigte Robert Klauß‘ Elf eine ansprechende Leistung, insbesondere gegen den Ball. Es schien, als sei der Club dabei, früher als erwartet den nächsten Entwicklungsschritt zu nehmen.

Vier Niederlagen und 15 Tage später forderten 60 bis 70 aufgebrachte Fans aus der Ultra-Szene von den Spieler und Trainern ein paar Antworten auf offenbar drängende Fragen. Die geplante Aussprache am Sonntagabend lief geringfügig aus dem Ruder, die Polizei setzte unweit des Vereinsgeländes Schlagstöcke ein, es kam zu drei Festnahmen.

Dieter Hecking, der Sportvorstand, kann zumindest den Unmut der Anhänger verstehen; schon vor der Dienstreise nach Sandhausen, einer Kleinstadt nahe Heidelberg mit etwas mehr als 14.000 Einwohnern, hatten Unbekannte hinter einem der Trainingsplätze ein Plakat angebracht. "Kurzarbeit auch für Mannschaft und Trainer!" lautete die Forderung, "60% Verdienst für 0% Leistung ist mehr als genug!"

Die nächste Scheiß-Saison

Dass jetzt auch Hecking die Wut zu spüren bekommt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie des Schicksals; mit ihm als Trainer erlebte der 1. FC Nürnberg zwischen Dezember 2009 und Dezember 2012 die stabilste Phase in den vergangenen 13 Jahren. Nach seinem überraschenden Abschied kurz vor Weihnachten stürzte der Verein mit 17-monatiger Verzögerung wieder in die Zweitklassigkeit ab und hinkt seitdem fast durchweg dem eigenen Anspruch hinterher.

Der eigene Anspruch. Darum ging es, wie so oft in letzter Zeit, auch am Sonntag nach dem 0:2 beim badischen Provinz-Klub. "Das war in der ersten Halbzeit zu wenig, in der zweiten Halbzeit haben wir es probiert", sagte Hecking am nächsten Tag mit ernster Stimme, "das ist aktuell eine sehr, sehr schlechte Phase, die wir durchlaufen. Wer möchte, kann es auch Krise nennen."

Krise nennen es mittlerweile oder immer noch fast alle jenseits des Sportparks Valznerweiher, weil sie gefühlt ja eigentlich nie so richtig aufgehört hat seit dem Bundesliga-Aufstieg im Mai 2018. In: Sandhausen. Ungefähr so viele Club-Fans wie die Gemeinde Einwohner hat, lagen sich damals im Hardtwald-Stadion in den Armen. Jetzt aber. Der 1. FC Nürnberg ist wieder da!

Es folgten, bis Sonntag: 16 Siege in 87 Ligaspielen, rund zweieinhalb Jahre Abstiegskampf, ohne längere Unterbrechungen. Die Fans haben davon allmählich genug. Auch wenn es gegen Ende des vergangenen Jahres kurzzeitig so aussah, als könnte die aktuelle Spielzeit eine weitestgehend sorgenfreie werden, ist es längst die nächste Scheiß-Saison. So hört man es in letzter Zeit immer häufiger, wenn man sich mit Menschen unterhält, die ihr Herz an den Club verloren haben. Und gerade mal wieder fürchterlich leiden.

Dieter Hecking leidet ebenfalls, wenn auch von Amts wegen professioneller und mehr nach innen. Wie schwer es ein Trainer in Nürnberg haben kann, wenn es einfach nicht mehr laufen mag, hat er in seinen ersten drei Jahren beim Club selbst nie so richtig erfahren müssen. Robert Klauß hingegen, den er im Sommer von RB Leipzig geholt hatte, ist inzwischen auch am schlechten Wetter schuld.

"Letztendlich sind wir gefordert", sagt Hecking, "wir alle, nicht nur der Trainer." Sondern und vor allen anderen die Mannschaft und auch er als letzte Instanz. Senkt er den Daumen, ist Klauß‘ ein paar Stunden später nicht mehr da. Allerdings hat Hecking nicht vor, den Daumen zu senken. Nicht jetzt.

Keine branchenüblichen Reflexe?

"Wissen Sie, es ist immer die gleiche Leier", sagt der Sportvorstand, "wenn’s nicht läuft, geht’s immer nur um einzelne Personen." Das bringt Verantwortung so mit sich und ist bei anderen großen Traditionsvereinen nicht viel anders. Hecking klingt aber tatsächlich so, als wolle er standhaft bleiben. Weil er den Verdacht hat, dass es vielleicht gar nicht oder nur ein bisschen am Trainer liegt. "Es sollte auch in Nürnberg möglich sein, so eine Phase ohne die branchenüblichen Reflexe zu durchstehen", sagt Hecking, der jetzt gerne noch einen stabilen Innenverteidiger geholt hätte, aber zwei, drei Absagen kassierte.

Sieben Trainer in zwei Jahren

Dass vor Klauß schon andere daran gescheitert sind, die im Sommer 2019 von Robert Palikuca radikal und im Sommer 2020 von Dieter Hecking nur marginal veränderte Nürnberger Mannschaft und ihre Strukturen aufzubrechen, spräche tatsächlich dafür, dass die Qualität im Aufgebot einfach nicht reicht, um auch mal länger als zwei, drei Monate einigermaßen unbeschwert zu bleiben. Mangels Alternativen muss Klauß auch regelmäßig Profis einsetzen, die ihn wiederholt enttäuscht haben.

Interimslösungen inklusive ist Klauß‘ bereits der siebte Trainer in zwei Jahren, der versucht, dem 1. FC Nürnberg anständigen und vor allem erfolgverheißenden Fußball beizubringen. Weil der in den zurückliegenden vier Begegnungen nur ansatzweise bis gar nicht zu erkennen war, ist der Club plötzlich Tabellen-Vierzehnter, mit bloß noch drei Punkten Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. Klauß muss zügig Antworten finden auf drängende Fragen, die wichtigste: Wie könnte am Samstag in Darmstadt mal wieder ein Sieg gelingen?

Polemik und Treueversprechen

"Es hilft uns in keinster Weise, polemischen Ratschlägen von außen zu folgen", sagt Hecking und möchte stattdessen einfach, dass zumindest intern alle die Ruhe bewahren. Die harsche Kritik nach drei phasenweise indiskutablen Auftritten in der Englischen Woche sei natürlich absolut berechtigt, nur gerade eben nicht besonders hilfreich.

Heckings Treueversprechen ist auch in eigener Sache mehr als verständlich; der Sportvorstand möchte sich nicht angreifbar machen, immerhin hat er sich erst vor ein paar Monaten für Klauß und einen etwas anderen Weg entschieden. "Wenn man sich für einen Weg entschieden hat, und das haben wir im Sommer mit der Verpflichtung von Robert Klauß, einem jungen, frischen Trainer, dann ist es unsere Aufgabe, ihn in stürmischen Zeiten zu stützen und zu begleiten."

".... solange ich es vertreten kann"

Drei Wochen genügten, um die Ende Dezember nach dem 1:0 gegen Aue noch passable Ausgangs- und Stimmungslage komplett ins Gegenteil zu drehen. Weil sich bestimmte Verhaltensmuster ständig wiederholen. Einfache Fehler beim Verteidigen, kaum Kreativität im Aufbau, schwache Chancenverwertung. Wird schon, glaubt und hofft Hecking. Mit Robert Klauß. "Dafür stehe ich, und das werde ich auch vertreten, solange ich es vertreten kann."

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