Unter Köllner ungeschlagen: Trifft 1860 bald den FCN?

1.6.2020, 17:07 Uhr
Unter Köllner ungeschlagen: Trifft 1860 bald den FCN?

© Foto: Stefan Matzke/sampics/Pool

Auf der Suche nach Fußball hatte ein globales Publikum die deutsche Bundesliga gerade erst entdeckt, als die ihr weltexklusives TV-Produkt schon wieder entwertete. Dortmunds 0:1 gegen den FC Bayern zeigte einem Milliardenpublikum die ganze Vorhersehbarkeit des Spektakels auch in Zeiten der Pandemie, in denen fast alle Spielklassen noch pausieren. Höchste Spannung und geballte Fußball-Tradition fände sich in Deutschland trotzdem noch – in der Dritten Liga, in der ein ehemaliger Europapokalsieger (der 1.FC Magdeburg) mitspielt und ferner zwei ehemalige Europapokal-Finalisten, der Tabellenletzte Carl Zeiss Jena und der TSV München von 1860.

Beim umstrittenen Neustart der Liga, den acht der 20 Mannschaften gern verhindert hätten, waren die Münchner Löwen die Attraktion des Tages – weil sie einfach da weitermachten, wo sie vor der Corona-Zwangspause aufgehört hatten. Ende Februar war, nach einem 0:2-Rückstand, ein tragödientauglicher 4:3-Erfolg über den Chemnitzer FC gelungen, das Siegtor glückte mit dem Schlusspfiff dem eingewechselten Prince Osei Owusu.

Aus 0:2 mach 3:2

Der Prince von Giesing, ausgeliehen von Arminia Bielefeld, versetzte das ausverkaufte Stadion An der Grünwalder Straße in einen blauen Rausch, "so darf er gerne weitermachen", sagte Sechzigs Trainer Michael Köllner – nicht ahnend, dass es fast drei Monate dauern sollte bis zur Gelegenheit dazu. Owusu hatte die Empfehlung trotzdem nicht vergessen, so saß er am Sonntag wieder auf der Ersatzbank, sah, wie Münchens Blaue gegen den Tabellenführer MSV Duisburg erst mit 0:2 in Rückstand gerieten, half, nach einer Stunde eingewechselt, mit, zum 2:2 auszugleichen – und erzielte vier Minuten vor Schluss den Treffer zum 3:2-Endstand. Die viel zitierte Corona-Blaupause: Die Löwen hatten sie.

"Wir haben gezeigt, was wir für eine geile Mannschaft sind", jubilierte Mittelfeldspieler Efkan Bekiroglu; zum kompletten blauen Rausch fehlte diesmal das Publikum. Aber: Geisterspiele hin oder her, mit seinem Sinn fürs Übersinnliche hatte Köllner schon vorher versichert, man werde die Energie der vor Fernseh-Bildschirmen versammelten Löwen-Fans trotzdem spüren, "wenn alle mit dem Herzen bei der Sache sind, wird das wirken". Offenbar lag er da nicht falsch, 1860 spielte zunehmend beseelt; Fußball, ohnehin ein mythenreiches Spiel, erlebt in Giesing gerade eine besonders spirituell anmutende Geschichte. Mit dem Erfolg rückte 1860, bei Köllners Amtsübernahme im November noch als Abstiegskandidat gehandelt und seither unbesiegt, von Rang sieben auf Rang drei – auf einmal ist der Aufstieg in Sichtweite. "Uns wird niemand mehr verdrängen", versprach Stürmer-Routinier Sascha Mölders, 35, im Überschwang der Gefühle.

"Den Lucky Punch setzen"

Allerdings ist die Konkurrenz riesig, die Dritte Liga erlebt die spannendste Saison seit ihrem Bestehen. Es gibt mindestens elf ernsthafte Aufstiegskandidaten, der KFC Uerdingen auf dem elften Platz hat nur drei Punkte Rückstand auf die Löwen, die ihrerseits zwei Zähler hinter Spitzenreiter Duisburg und dessen punktgleichem Verfolger Unterhaching liegen. "Wir wollen bis zum Schluss oben dabei bleiben und am Ende den Lucky Punch setzen", sagte Michael Köllner, der sich für seine Strategie bei der Aufholjagd wieder allerhand Komplimente anhören durfte.

Sehen wird man einen Endspurt im Rekord-Tempo, zehn Spieltage in knapp fünf Wochen – vor allem im Tabellenkeller ist die Vorfreude darauf deutlich geringer als auf Giesings Höhen. Jena, Magdeburg und Halle befinden sich erst seit Mitte vergangener Woche wieder im Mannschaftstraining, Carl Zeiss musste sein Heimspiel gegen Chemnitz (0:1) wegen der Corona-Einschränkungen in Thüringen in Würzburg austragen. Magdeburgs Trainer Claus-Dieter Wollitz spricht von zu ungleichen Voraussetzungen, in Halle kündigte Trainer Ismail Atalan an, vor allem auf Regeneration zu setzen und auf Training weitgehend zu verzichten.

Liga drei und ihre Reize

"Eine Frage der Fitness", meint Köllner, sei alles, was kommt, in seinem Fall könnte das eine nächste schicksalshafte Wendung sein. Der 1.FC Nürnberg, Köllners vormaliger Arbeitgeber, ist gerade stramm unterwegs Richtung Dritte Liga; sollte es wenigstens zum Zweitliga-Relegationsplatz reichen, könnte der Herausforderer des Clubs der TSV 1860 München sein. Passen würde das zu beiden im steten Auf und Ab bewegten Vereinen, und, immerhin: Nürnberg sieht beim Blick nach unten, dass auch die Dritte Liga ihre Reize hat.

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