Vergessene Vereine: Türk Gücü fehlte die Infrastruktur

3.6.2019, 11:00 Uhr
Vergessene Vereine: Türk Gücü fehlte die Infrastruktur

© Kögler

Dabei waren die Bedingungen nicht einfach. Genau wie Anadoluspor oder der Türkische SV hatte Türk Gücü keine eigene Sportanlage. Schießanger, Lohnert-Platz und beim MTV – die Türken mussten mehrfach ihre Sportstätten wechseln.

Von Anfang an dabei: Hasan Ersoy. Fußballer, Spielleiter, Vorstand – nahezu jede Aufgabe führte der 52-Jährige aus, nachdem er den 1988 gegründeten Verein 1990 mit Freunden übernommen hatte. "Wir wollten die Jugendlichen weg von der Straße holen", sagt er. "Viele standen vor der Spielhalle und hatten keinen gemeinsamen Treffpunkt. Das wollten wir ändern."

Sport und Gemeinschaft, das war ihnen wichtig. Um Politik oder Religion ging es nie, betont Ersoy. "Wir waren eher links orientiert und hatten keine Probleme mit anderen Mannschaften. Bei uns haben auch Serben und Griechen gespielt." Rivalitäten gab es vor allem in den Derbys mit Anadoluspor. Die Duelle am Schießanger waren stets heiß umkämpft – auch weil beide Teams unter ähnlichen Voraussetzungen spielten. Noch wichtiger aber: Es galt auszufechten, wer die beste türkische Mannschaft in Fürth ist.

Auch Halil Erbay, Vorstand von Anadoluspor, erinnert sich: "Es ging zur Sache, auf Biegen und Brechen wollten beide Teams gewinnen und zeigen, dass sie stärker waren. Der eine hat dem anderen nichts geschenkt, es war eine Prestigesache." Es waren möglicherweise auch diese intensiven, adrenalinhaltigen Duelle, unter denen der Ruf türkischer Mannschaften litt. Doch Erbay ist wichtig: "Am nächsten Tag haben alle wieder miteinander gelacht. Aber sobald das Spiel losging, mussten die Freundschaften ruhen."

Ende der 90er Jahre dann erledigte sich das auf seine Art, denn Türk Gücü etablierte sich in der Kreisklasse. Zu Beginn des neuen Jahrtausends klappte sogar mehrmals der Sprung in die Kreisliga, selbst wenn es nur kurze Gastspiele waren. Der Blick auf die Konkurrenten zeigt, warum es dauerhaft nicht für mehr reichte. Gegen die Erstvertretungen von Stadeln, Burgfarrnbach oder Kalchreuth fehlten Infrastruktur, Personal und Geld – fußballerisch und auch in Sachen Leidenschaft hatte Türk Gücü durchaus das Potenzial.

Es hat eine gewisse Ironie, dass das Ende des Vereins in seine erfolgreichste Phase fiel. Von 2006 bis 2010 spielte Türk Gücü in der Kreisliga, schien sich etabliert zu haben. Die dunklen Wolken zogen schon vor dem Abstieg 2010 auf. Mit deutlichem Rückstand ging es runter in die Kreisklasse, etwas stimmte nicht. Noch vor Ende der darauffolgenden Kreisklassensaison zog Türk Gücü seine Mannschaft zurück.

Hasan Ersoy erklärt: "Als wir angefangen hatten, waren wir eine Gruppe von jungen Männern. Mit der Zeit aber haben sich die Prioritäten geändert. Man wird älter, gründet eine Familie – das war wichtiger." Auch die Pleiten von Quelle, Grundig und AEG haben die Dinge nicht verbessert. "Viele unserer Spieler haben dort gearbeitet. Plötzlich fehlte Geld, die Leute hatten andere Sorgen." Eine Lösung wäre die Fusion türkischer Vereine gewesen. Zwischen Türk Gücü, Turnerschaft und Türkischen SV gab es zwar Gespräche, doch Animositäten untereinander ließen laut Ersoy die Pläne platzen.

Kaum Geld, wenig Mitglieder: Die Voraussetzungen waren nach dem Abstieg verheerend. Am Ende war er erleichtert, sagt Ersoy, immer noch mit einem Seufzen. "Wir haben den ganzen Ablauf zu Viert organisiert, das reibt auf." Der Sonntag war durchgeplant, früh die A-Jugend, später die erste Mannschaft, für die Familie blieb kaum Zeit.

Trotzdem blickt Hasan Ersoy nicht im Groll zurück. "Den Mitgliedern und kooperierenden Vereinen wie dem MTV gegenüber verspüre ich heute noch Dank. Bis 2010 war es eine tolle Zeit."

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