Verträge, Corona, Europapokal: HCE-Boss Bissel spricht

26.11.2020, 05:56 Uhr
Verträge, Corona, Europapokal: HCE-Boss Bissel spricht

© Wolfgang Zink / OGo

Mit der Entwicklung des HC Erlangen ist Carsten Bissel sehr zufrieden - trotz der jüngsten Niederlage gegen Balingen. Für den Vorsitzenden des Aufsichtsrates sind solche Rückschläge Teil eines Prozesses, der den Klub zu einem festen Teil der oberen Hälfte in der Handball-Bundesliga machen soll. Und vielleicht sogar noch zu etwas mehr.

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Herr Bissel, im Moment weiß niemand, welche Auswirkungen die Pandemie noch auf die Handball-Bundesliga haben wird. Der HC Erlangen scheint dennoch schon sehr intensiv für die kommende Spielzeit planen zu können.

"Wir müssen mit nichts werben"

Beim HC Erlangen glauben wir daran, Spieler wie Funktionäre, dass nächstes Spieljahr die Normalität zurückkehren wird. Deswegen spielt die Pandemie bei der Kaderplanung eher eine untergeordnete Rolle.

Mit welchen Argumenten wirbt der Verein für sich, abgesehen von einem offenbar immer noch ordentlichen Gehalt?

Wir müssen mit nichts werben. Die Spieler sehen selbst, dass sie gemeinsam auf dem richtigen Weg sind, und sie sind sehr zufrieden mit ihrem Umfeld und ihrem Trainer. Diese Perspektive ist ihnen wichtiger als ein üppiges Gehalt.

Lautet ein Anreiz vielleicht auch, dass man hier in zwei, drei Jahren international spielen kann?

Ich sage es mal so: Ich glaube, dass die Spieler selber sehen, dass sie in dieser Konstellation in der Lage sind, den nächsten Schritt zu gehen.

Sie haben gesagt, Sie wollen im kommenden Sommer Abgänge vermeiden. Aktuell stehen vier Nationalspieler unter Vertrag: Muss das der nächste Schritt sein, dass der Verein ihnen auch Einsätze im Europapokal bieten kann?

Die Selbsteinschätzung unseres Teams ist das eine, das andere ist, die anderen Mannschaften anzuschauen. Alle unsere Konkurrenten um die einstelligen Tabellenplätze haben mehr Nationalspieler als wir.

Selbstvertrauen und keine "Selbstmord"-Pläne

Aber konkret: Ist die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb ein Szenario, das beim HCE aufgezeigt wird?

Wir versuchen jedes Jahr, das Beste aus unseren Möglichkeiten herauszuholen. Wir sind der Meinung, dass wir eine gute Mannschaft haben, wir wollen nicht viel verändern. Was am Ende dabei herauskommt, liegt nicht nur an uns. Wir werden keinen kollektiven Selbstmord begehen, wenn wir in den nächsten Jahren keinen Platz, der zum internationalen Wettbewerb berechtigt, erreichen. Natürlich wünschen wir uns, irgendwann einmal international zu spielen und nicht "nur" im Mittelfeld der Tabelle. Aber eine Garantie dafür gibt es nicht.

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© Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / OGo

Um Abwehrchef Petter Overby gab es zuletzt Wechselgerüchte, Sie sind aber fest davon überzeugt, dass er "mindestens bis 2022" bleibt.

Genau. Danach wird man sehen.

Im Profi-Sport haben Aussagen oft einen relativen Wert. Wenn Spieler sagen, dass sie sich "hier wohlfühlen", dann meinen manche damit, dass sie sich auch woanders wohlfühlen könnten, und wenn die Verantwortlichen sagen: Ein Spieler hat noch Vertrag, dann bedeutet das: "Freunde, wenn ihr ihn haben wollt, muss die Ablösesumme stimmen."

Nennen Sie mir einen Fall, wo das bei uns passiert ist.

"Es gab keine Anfrage von Kiel"

Die Formulierung war bewusst allgemein gehalten in Bezug auf den Profi-Sport.

Aber ich stehe nicht für den Profi-Sport im Allgemeinen, sondern für den HC Erlangen. Wir hatten lediglich drei Fälle, an die ich mich erinnern kann, bei denen wir vorzeitig den Vertrag aufgelöst haben. Unser Plan ist es nicht, Gewinne aus Ablösesummen zu erwirtschaften, sondern sportlichen Erfolg zu haben. Abgesehen davon handelt es sich bei dem Gerücht über Overby um einen Fake, es gab keine Anfrage von Kiel und es wurde auch keine an Petter herangetragen. Ich glaube auch nicht, dass Kiel einen weiteren Kreisläufer sucht. Wir reden hier also über einen hypothetischen Fall.

Der aber als Musterbeispiel taugen kann.

Das ist richtig. Natürlich gab es für andere Spieler Anfragen – und zwar nicht nur von kleinen Vereinen. Aber wir hatten rechtsgültige Verträge, mehr muss ich dazu nicht sagen.

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Wie lässt sich denn bereits für die Saison 2021/22 planen, wenn derzeit noch völlig unklar ist, wie sich die Pandemie und damit auch die Ticketerlöse und Sponsorengelder entwickeln?

Das ist trotz der schwierigen Gemengelage gar nicht so schwer. Denn die anderen Vereine sind ja in der selben Situation und können nicht mit Geld um sich werfen. Wir sind überzeugt von unserer Mannschaft und vom Trainer. Wir wissen, dass es in nächster Zeit noch Rückschläge geben kann und wird. Das ist normal bei einer größeren Fluktuation der Stammspieler, weil man neue Situationen miteinander erleben und lernen muss, damit umzugehen. Wir sind optimistisch, die Mannschaft im Großen und Ganzen halten zu können.

"Die Bundesliga wird es überleben"

Wird die Handball-Bundesliga, so wie wir sie kennen, diese Krise überstehen?

Ja. Es gibt Vereine, die anders als wir schon vor der Krise Schulden aufnehmen mussten und diese nun natürlich nicht verloren haben, aber die Bundesliga wird es überleben. Ich glaube auch, dass alle Vereine es überleben werden. Natürlich nur wenn wir im kommenden Jahr langsam auf das Ende der Krise zusteuern, wovon ich überzeugt bin.

Die könnte sich durch die Weltmeisterschaft im Januar noch einmal verschärfen oder zumindest den Spielplan der Bundesliga durcheinanderwirbeln. Gleichzeitig ist die Nationalmannschaft ein enormes Zugpferd für den Handball. Warum haben Sie sich bei dem Thema so früh und so eindeutig positioniert?

Weil ich glaube, dass es ein Bumerang sein wird, wenn wir unsere Bundesligaspieler nach Kairo schicken und die Berichterstattung dann nicht zum Vorteil, sondern zum Nachteil des Handballs gereichen wird. Ich halte es für unverantwortlich, 32 Mannschaften und den dazugehörigen Tross in eine unübersichtliche Stadt wie Kairo zu schicken, ohne über die Mittel wie in der Fußball-Champions-League zu verfügen, die uns zu einer echten sogenannten Blase verhelfen könnten. Durch die nachfolgenden Infektionen würde der Spielplan der Bundesliga wieder durcheinanderkommen und auch das Renommee würde schweren Schaden nehmen.

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Das Gastgeberland hat viel investiert, es wurden extra neue Hallen gebaut.

Natürlich soll das Turnier nachgeholt werden und natürlich in Ägypten, im besten Fall in einem Jahr. Ich betone es noch einmal: Die WM auf dem Höhepunkt der Pandemie durchzuziehen, halte ich für Irrsinn. Aber klar ist: Die Liga kann nicht die WM absagen. Sie kann nur entscheiden, wie sie mit den Spielern verfahren möchte, die in Deutschland unter Vertrag stehen und abgestellt werden sollen, und gegebenenfalls Nachholspiele im Januar ansetzen. Die Spieler nach Kairo zu schicken, wäre ein Bumerang.

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