Warten auf "Tag X": FCN übt unter ungewohnten Umständen

7.4.2020, 13:08 Uhr
Überschaubares Personal: Trainer Jens Keller (r.) leitete gestern Tim Handwerker (l.) und Robin Hack an.

Überschaubares Personal: Trainer Jens Keller (r.) leitete gestern Tim Handwerker (l.) und Robin Hack an.

Manchmal können sich auch kleine Schritte ziemlich großartig anfühlen. Wenngleich die Rückkehr auf den Platz gestern allenfalls rudimentär Ähnlichkeit mit einer regulären Trainingssession aufwies, genossen die Berufsfußballer des 1. FC Nürnberg den Hauch Normalität, der ihnen nach mehrwöchiger Zwangspause bei frühlingshaften Temperaturen am Valznerweiher um die Nase wehte.

"Jeder hat sich natürlich gefreut, dass er wieder Rasen unter den Füßen hatte", berichtete Chefcoach Jens Keller nach dem dritten "Trainingsauftakt" in einer jetzt schon historischen Zweitliga-Saison. Normal aber, das sagte Keller auch, war wenig an diesem sonnigen Tag, den sie alle so herbeigesehnt hatten.


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Schon das bizarre Procedere erinnerte schmerzhaft an den Schatten, der derzeit über einer aus den Fugen geratenen Welt liegt. Die in mehrere Schichten eingeteilten Profis kamen gleich umgezogen ans Gelände und absolvierten direkt nach dem Fiebermessen in jeweils zwei getrennten Vierergruppen unter Anleitung von je zwei Trainern ihre Übungen. Rund 80 Minuten später traten sie in verschwitzten Klamotten sofort wieder die Heimfahrt an. Die Kabine bleibt derzeit Tabuzone.

Auch Keller und seinen Stab stellt dieses reduzierte Arbeiten vor neue Herausforderungen – etwa bei der Zusammensetzung der Kleingruppen, die entgegen der ursprünglichen Planung nicht positionsbezogen übten. Angesichts des Risikos, dass bei einer möglichen Infektion dann vielleicht "alle Abwehrspieler einkaserniert werden und wir nur mit Stürmern spielen müssen", hat Keller sein Personal doch lieber "wild durchgemixt". Aber im Prinzip ist es ja ziemlich egal, wer sich da gerade den Ball zuschiebt – "taktisch", räumt Keller ein, "können wir mit vier Mann eh nicht allzu viel machen".

Also wird vor allem im physischen Bereich gearbeitet, garniert mit "ein bisschen Technik und Ballgewöhnung". Dass der Umgang mit dem Spielgerät in der häuslichen Isolation etwas gelitten hat, ist Keller nicht entgangen, "aber nach vier Wochen ist es ganz normal, dass noch nicht alles rund läuft". Weil direkter Kontakt vermieden werden soll, stehen auch Zweikämpfe auf dem Index – für einen ehemaligen Abwehrrecken wie Keller muss diese Art des körperlosen Fußballs eine Qual sein. "Natürlich ist das nicht der Sport, wie wir ihn kennen", gesteht Keller, "aber wir müssen jetzt einfach das Beste daraus machen und die Situation so akzeptieren."

Ein Pragmatismus, den der Schwabe auch bei der Frage pflegt, wann und wie es seiner Meinung nach denn weitergehen soll mit dem Fußball in Corona-Deutschland. "Was ich denke, ist völlig uninteressant", wehrt Keller ab. Momentan müsse man gemäß Ansage der DFL davon ausgehen, dass der Ball Anfang Mai wieder rollt, "und mein Job als Trainer ist es, die Mannschaft auf diesen Tag X vorzubereiten. Alles andere können wir nicht beeinflussen".

Keller ist kritisch

Allerdings gibt der 49-Jährige zu bedenken, dass vor dem Profigeschäft "natürlich auch andere Wirtschaftszweige wieder am Laufen sein müssen", immerhin gehe es ja nicht nur im Fußball um viel Geld. Entscheiden müsse das alles letztlich aber nicht die DFL, sondern die Politik, betont Keller.

Auch einige Planspiele, wie dass der Betrieb in Bundesliga und 2. Liga gesichert werden könnte, sieht Keller kritisch. Etwa das Modell, wonach alle Mannschaften in einer Art Teamhotel einkaserniert würden. "Ich weiß, wie sich eine zweiwöchige Quarantäne anfühlt und kann mir ein Szenario, in dem Spieler fünf, sechs Wochen ohne familiäre Bindung in einem Zimmer sitzen sollen, beim besten Willen nicht vorstellen."

Auch tägliche Untersuchungen aller Profis auf das Coronavirus hielte Keller sozialpolitisch kaum für vertretbar: "Wenn für uns diese Tests bereitstehen und für die öffentliche Masse nicht, würde ich das sehr bedenklich finden." Letztlich, glaubt Keller, könne das mit dem Fußball wohl nur funktionieren, "wenn wir uns alle wieder in einem normalen Bereich bewegen". Und davon ist man nicht nur beim Club noch immer meilenweit entfernt.

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