"Weg der Vernunft": Club-Aufsichtsrat steht hinter Köllner

2.1.2019, 05:46 Uhr

© Daniel Marr/Zink

Die freien Tage zwischen den Jahren verbrachte Michael Köllner mit seiner Frau in Dubai. Der Trainer des 1. FC Nürnberg sehnte sich nach stressigen Monaten nach etwas Ruhe. Um seine Person gab es in letzter Zeit ja doch erhebliche Aufregung – die mit jedem verlorenen Spiel ein bisschen größer geworden zu sein scheint.

Besonders in den sozialen Netzwerken fand der Fußballlehrer in letzter Zeit nicht mehr viele Fürsprecher. Etliche Kommentatoren überschütteten Köllner im besten Fall lediglich mit Hohn und Sport, andere beschimpften ihn in menschenverachtender, in abscheulicher Weise. Jenen Trainer, der ihren Club seit seiner Beförderung im März 2017 erst vor dem Abstieg in die Dritte Liga bewahrt hatte und im Mai 2018 sogar in die Bundesliga führte.

Die Zeit hier selber bestimmen

Die sogenannten Fans, die ihn auch nach der Derbyheimniederlage Anfang März 2018 bereits zum Teufel wünschten, ließen ihn am vorletzten Spieltag hochleben. Nach dem 2:0 in Sandhausen, einer besonders taktisch reifen Leistung, riefen Tausende Nürnberg-Anhänger im Hardtwaldstadion auch seinen Namen, ebenso am Abend im heimischen Sportpark. Was für ein guter Trainer.

Auf dem bisherigen Höhepunkt seiner beruflichen Karriere wirkte Köllner überraschend nachdenklich; er schien zu ahnen, was ihm drohen könnte in naher Zukunft. Wenn seine Mannschaft wieder häufiger verliert als gewinnt. Er wolle sich keinesfalls vom Hof jagen lassen, "sondern meine Zeit hier selber bestimmen", sagte Köllner in einem BR-Interview auf dem Balkon des Vereinszentrums, "das beschäftigt mich natürlich". Gute Freunde hätten ihm geraten, jetzt aufzuhören. Weil viel mehr als Platz zwei in der Zweiten Liga wahrscheinlich nicht möglich ist.

Fehlende Leistungsträger verstärken Abwärtstrend

Eine ordentliche Vorbereitung später wähnte Köllner seinen Club zumindest konkurrenzfähig, obwohl mit Kevin Möhwald eine tragende Säule der Erfolgself weggebrochen war und sich die Suche nach richtigen Verstärkungen wie erwartet extrem kompliziert gestaltete. Über viele Wochen verletzte Leistungsträger wie Eduard Löwen, Hanno Behrens, Ewerton oder Mikael Ishak verstärkten den Abwärtstrend noch; mit Alexander Fuchs, Simon Rhein, Federico Palacios oder Adam Zrelak mussten plötzlich Talente ihren Mann stehen, die ein paar Monate zuvor entweder bloß Ersatz waren oder noch in der Regionalliga Bayern unterwegs. Auch deswegen haben sie den Aufsteiger durchgereicht: von Platz zehn auf 18.

 

Alleine schuld daran ist wie üblich: der Trainer. Ein paar diskussionswürdige Personalentscheidungen hat sich Köllner ohne Zweifel geleistet, jammern ließ er meistens andere. Mit seinen Assistenten hat er stattdessen versucht, das Optimale herauszuholen aus seinem doch arg limitierten Kader. Was seit Ende September aber für keinen Sieg mehr reichte.

Dennoch stehen die verantwortlichen Funktionäre im Verein, wissend um die schwierigen Rahmenbedingungen, weiter fest zu ihm. Die Frage, ob ein anderer Trainer mehr herausholen würde aus dem vorhandenen Potenzial, dürfte ohne Antwort bleiben. Von seinen Aufgaben entbinden könnte ihn ausschließlich der Sportvorstand, was aber nicht passieren wird. Behauptet Andreas Bornemann. Sein offenbar grenzenloses Vertrauen in den wichtigsten Mitarbeiter bedeutet sogar, "mit ihm auch in die 2. Liga zu gehen". Köllner müsste schon von sich aus hinschmeißen. Wenn ihn das Gefühl beschleichen sollte, die Mannschaft zu verlieren.

"Weg der Vernunft"

Der Aufsichtsrat sieht das ähnlich; das höchste Kontrollgremium analysiert die sich mehr und mehr zuspitzende Lage der Profis nach eigenem Bekunden ausgesprochen kritisch und selbstkritisch, wie Thomas Grethlein betont, auch Handlungsoptionen würden "sorgfältig diskutiert", es steht gerade schließlich viel auf dem Spiel. "Der Aufsichtsrat ist sich der aktuellen Probleme unseres 1. FC Nürnberg bewusst, nimmt die Stimmungen im Umfeld durchaus wahr", sagt der Vorsitzende, "bleibt jedoch dabei, den eingeschlagenen Weg der Vernunft – auch in schwierigeren Situationen – fortzusetzen".

Weil sie ihm Ende September am liebsten noch einen unbefristeten Vertrag vorgelegt hätten, verbieten sich rund ein Vierteljahr und elf sieglose Partien später jegliche Zweifel an Köllners Kompetenz. Sie wollen das jetzt mit ihm durchziehen – obwohl selbst Kapitän Behrens kurz vor Weihnachten gefordert hatte, dass sich auch der Trainer hinterfragen müsse.

Das macht er, sogar ziemlich regelmäßig. Trotzdem werden gerade viele von Köllners Ideen schlechtgeredet, die Anfang Mai noch mindestens fantastisch waren. Die jüngsten Ergebnisse geben Kritikern natürlich recht, ebenso die Art und Weise, wie der Club gerade in den Heimspielen auftrat. Passiv, fast ängstlich, in wichtigen Situationen wie beim 0:1 gegen Freiburg sogar ausgesprochen hilflos.

"Wir sind riesig enttäuscht", schrieb Köllner noch am selben Abend auf Facebook, sie würden aber alles dafür tun, "um nach 34 Spieltagen zwei bis drei Plätze höher zu stehen". Die knapp 330 Kommentare darunter fielen nicht nur negativ aus. Michael Köllner hat es sich längst abgewöhnt, sie auch zu lesen. Aus Selbstschutz.

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