Weihnachts-Essen: Was dürfen sich Hobbysportler leisten?

22.12.2020, 09:14 Uhr
Weihnachts-Essen: Was dürfen sich Hobbysportler leisten?

© Foto: Micha Schneider

Um das Gewissen zu beruhigen, nehme ich mir vor, mein Trainings-Programm vor dem Festessen abzuspulen. Wie viel Aktivität ist nötig, um mehr als einen psychologischen Effekt zu erzielen?
Dejan Reljic: Wenn man sich auf die Formel bezieht, dass die empfohlenen 10 000 Schritte in moderatem Tempo am Tag ungefähr der Kalorienzahl einer Tasse Glühwein entsprechen, ist die Bilanz einer Gänsekeule mit Kloß erst mal ernüchternd. Da braucht es dann zum Ausgleich schon eine flotte 60-Minuten-Trainingseinheit auf dem Rad oder zu Fuß. Ein klein wenig Zurückhaltung würde die Sache erleichtern, indem zum Beispiel die fettige Haut vom Braten weggelassen wird. Bewegte Pausen bei den Feierlichkeiten etwa durch einen Spaziergang helfen ebenfalls.

Muss ich also meinen täglichen Kalorienverbrauch ständig im Blick behalten, damit die Fitness nicht in den Keller geht?
Reljic: Zwischen dem Anspruch, das eigene Gewicht oder aber das Leistungsvermögen an Ausdauer und Muskelkraft zu halten, bestehen ja durchaus Unterschiede.

Weihnachts-Essen: Was dürfen sich Hobbysportler leisten?

© Foto: Hector-Center Erlangen

Yurdagül Zopf: Außerdem ist weniger das Körpergewicht, sondern die individuelle Körperzusammensetzung entscheidend. Eine Gewichtsreduktion sollte daher idealerweise durch eine Abnahme des Körperfettgewebes und nicht durch einen Verlust an Muskelmasse erzielt werden. Deshalb schadet es bei ambitionierten Sport-Assen nicht, zumindest von Zeit zu Zeit den Anteil von Körperfett zur Muskulatur professionell zu erfassen.
Reljic: Generell sollte die Angst davor, sich zwischen Weihnachten und dem neuen Jahr die Form zu verderben, nicht so hoch gehangen werden. Wie eine kanadische Studie gezeigt hat, konnte ein gezieltes intensiveres Trainingsprogramm selbst eine extreme Fast-Food-Ernährung kurzfristig ausgleichen. Man muss sich also über die Feiertage nicht komplett kasteien, sondern sollte lieber den Alkohol in Maßen halten und im restlichen Jahr bewusster essen.

Zopf: Es kommt eben auf einen ausgewogenen Mittelweg an. Die Gans mit Kloß kann der sportliche Körper schon mal tolerieren. Lieber mit dem Hauptgang satt essen als hinterher noch diverse Süßigkeiten verputzen. Am besten vertragen wir eine deftige Mahlzeit am Mittag. Wer am frühen Abend ein allzu üppiges Essen vermeidet, gibt seinem Körper über Nacht genug Zeit zur Verdauung. Das ist im Prinzip eine Form des Intervallfastens.

 

 

 

Stichwort Kohlehydrate. Wie sinnvoll ist eine Low Carb-Variante, bei der ich einfach sämtliche Beilagen weglasse?
Zopf: Wer denkt, sich damit etwas Gutes zu tun, liegt einem Trugschluss auf. Kohlehydrate sind negativ behaftet, werden aber gebraucht. Komplexe Kohlenhydrate wie Vollkornprodukte sättigen, sind wichtig für die Darmflora und fördern die Verdauung.


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Reljic: Kohlehydrate sind außerdem bei körperlicher Belastung als primärer Energielieferant unverzichtbar. Eine gute Quelle hierfür bieten zum Beispiel Nudeln, deshalb sind sie vor allem im Ausdauerbereich beliebt.
Zopf: Im Alltag würde ich immer darauf achten, Nudeln oder Reis nicht als Hauptgericht mit der fetten Sahne-Sauce zu sich zu nehmen, sondern für eine reichhaltige Gemüsebasis zu sorgen.

Weihnachts-Essen: Was dürfen sich Hobbysportler leisten?

© Foto: Hector-Center Erlangen

Wer stark sein will, kommt indes an der Protein-Zufuhr nicht vorbei. Die Supermarktregale sind voll von speziellen Produkten. Braucht ein Nicht-Leistungssportler überhaupt derlei Ergänzungsmittel?
Zopf: Nein. Je günstiger solche Angebote sind, desto mehr Zucker enthalten sie häufig. Dagegen deckt eine normale Ernährung den notwendigen Eiweißbedarf problemlos ab. Die Menge lässt sich auf natürlichem Weg steigern, idealerweise durch eine Kombination aus tierhaltigen Erzeugnissen und pflanzlichen Trägern, wie Hülsenfrüchten. Beim Fleisch sind Qualität und Dosierung wichtig: 300 bis 600 Gramm pro Woche gelten als Richtwert.

Vegetarische beziehungsweise rein vegane Kost liegen im Trend, ist das eine gute Idee für Sporttreibende?
Zopf: Wenn, dann sollte die Umstellung unter fachmännischer Anleitung und auf keinen Fall von heute auf morgen geschehen. Die Veränderung für den Stoffwechsel bekommt nicht jedem und kann zu Leistungseinbußen führen. Die Speisezubereitung wird zeitlich anspruchsvoller und ist zudem nicht zwingend gesünder. Manche Aufstriche sowie Käse- und wurstähnliche Ersatzprodukte sind in umweltschädliche Plastikverpackungen eingeschweißt und mit Konservierungsstoffen haltbar gemacht. Statt Tierprodukte komplett zu vermeiden, versuche ich sie persönlich ausgewogen und bewusst einzusetzen. Die ursprüngliche mediterrane Küche ist eine geeignete Inspirationsquelle.

Reljic: Mitunter wird diskutiert, dass Fleisch zu vermehrter Entzündung im Körper führt und dadurch die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werden kann. Allerdings dürfte dabei die Qualität des Produkts ausschlaggebend sein. Tatsächlich gibt es wenige seriöse Studien, die eine signifikante Leistungssteigerung durch vegetarische oder vegane Ernährung bei Spitzensportlern nachweisen. Bei einzelnen Prominenten wie dem Tennis-Weltranglistenersten Novak Djokovic weiß man, dass eine Glutenunverträglichkeit der Ausgangspunkt war. Der Schlüssel zum Erfolg besteht letztlich in einer grundsätzlich bewussteren Ernährung und akribischer Arbeit, die Amateure eher scheuen.


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Welche Lebensmittel sind denn besonders förderlich fürs Immunsystem?
Zopf: Die guten Omega-Fettsäuren in Nüssen stärken Muskulatur und Darmflora. Da ist eine Handvoll nie verkehrt. Ingwer stimuliert ebenfalls die Abwehrkräfte, entfaltet sich in geriebener Variante am effektivsten. Verabreicht man sich den Ingwer in großen Mengen, kann es jedoch unangenehm werden. Zu sehr sollte man sich ohnehin nicht auf einzelne exotische Superfoods verlassen. Der hochgepriesene Chiasamen kann unter dem Strich nicht mehr als der übliche Leinsamen. Gerade die saisonalen Obst- und Gemüseerzeugnisse aus der Umgebung bieten eine ausreichende Vielfalt. Das Verhältnis von drei Einheiten Gemüse zu zwei Einheiten Obst am Tag gilt als gesund. Wobei es keine Lösung ist, sich die zigfache Menge im Smoothie zu verabreichen. Der Fruchtzuckergehalt lässt grüßen. Ansonsten ist der Flüssigkeitshaushalt ein weiterer Baustein für unser Immunsystem.

 

 

Zurück zum Bewegungs-Part vor dem Festessen. Ist es ratsam, frühmorgens auf nüchternen Magen loszulegen?
Reljic: Das hängt ganz vom Typ ab, ich gönne mir zumindest eine Tasse Kaffee vor dem Laufen. Ausdauersportler versuchen mit ,Nüchternläufen‘ ihren Fettstoffwechsel daran zu gewöhnen, die wertvollen Kohlehydrat-Reserven im Verlauf eines Wettkampfes mehr zu schonen. Allerdings sollte man es dabei nicht mit der Trainingsintensität übertreiben.
Zopf: Wer sich über einen längeren Zeitraum sehr verausgabt, riskiert, dass die wertvollen Eiweißspeicher aus der Muskulatur zur Energiegewinnung angegriffen werden.
Reljic: Zur Unterstützung von Regeneration und Muskelaufbau sind deshalb ambitionierte Sportler gefordert, sich in einem Zeitfenster von 30 Minuten bis einer Stunde nach der Belastung qualitative Proteine zuzuführen. Alkoholische Getränke sind in dieser Phase ein absolutes Eigentor.

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