Weniger Geld, mehr Spaß? Die Ice Tigers sortieren sich neu

11.9.2019, 12:20 Uhr
Weniger Geld, mehr Spaß? Die Ice Tigers sortieren sich neu

© Foto: Thomas Hahn/Zink

Tim Bernhardt ist nach Nürnberg gekommen, "um deutscher Meister zu werden". Im Eishockey. Kurt Kleinendorst sagte derweil den Eishockey News: "Natürlich muss unter dem Strich das Ziel die Meisterschaft stehen. Alles andere wäre nicht fair." Und, nein, es wäre nicht ratsam, die Lektüre dieses Textes bereits an dieser frühen Stelle zu beenden.

 

 

Der 22 Jahre junge Spieler Bernhardt und der 36 Jahre ältere Trainer Kleinendorst sind weiterhin bei der Nürnberg Ice Tigers GmbH angestellt. Niemand macht sich Sorgen um ihre geistige Gesundheit. Nein, Thomas Sabo, der dem Team bis zum Ende dieser Saison seinen Namen leiht, hat den Etat nicht spontan um zwei Millionen Euro erhöht. Und, ja, diese Ice Tigers haben am Sonntag – ohne Bernhardt, mit Kleinendorst an der Bande – ihr letztes Testspiel verlorenn. Bei einem Zweitligisten.

Letztes Jahr: "bisschen Larifari"

Um Bernhardt und Kleinendorst dennoch verstehen zu können, muss man sich vorstellen, in welchem Umfeld die Sätze formuliert worden sind. Es wird wieder konzentriert trainiert am Kurt-Leucht-Weg, diszipliniert und rasant. Kleinendorst muss nicht lange alleine an der Taktiktafel warten, Co-Trainer Manuel Kofler lobt und tadelt prägnant. Zwischen den Übungen wird gelacht, wenn die größte Sauerstoffschuld beglichen ist. Das sollte selbstverständlich sein für eine Profi-Eishockey-Mannschaft. War es aber offenbar nicht.

Tim Bender wäre der Spaßvogel der Mannschaft, klänge der Begriff nicht gar so altbacken. Die Frage, was sich geändert habe, beantwortet der Verteidiger aber vollkommen ernst: "Im Gegensatz zu letztem Jahr ist viel mehr Speed drin. Es ist alles strukturierter im Training. Wir geben in jedem Training Vollgas. Letztes Jahr war es ein bisschen Larifari, das hat sich auch auf die Spiele ausgewirkt. Dieses Jahr ist die Strategie wie für uns gemacht. Das Training macht viel mehr Spaß. Da ist viel mehr Power drin." Nun sind Spaß und Power tatsächlich nicht die Begriffe, die einem spontan einfallen, um die Saison 2018/2019 zu beschreiben. Bender war jetzt der Erste, der auch öffentlich auf die Gründe einging.

Die Verantwortlichen sind weitergezogen, der Vier-Spiele-Coach Kevin Gaudet soll den Zweitligisten Bad Tölz mit dem Geld des Onkels von Yasin Ehliz frühestens 2026 zum Meister machen, Sportdirektortrainer Martin Jiranek bleibt der DEL erhalten - als Co-Trainer in Bremerhaven. Für Andreas Jenike, Daniel Weiß (beide Iserlohn), Jason Bast, Taylor Aronson (beide Köln), Shawn Lalonde (Wladiwostok), Leo Pföderl (Berlin), Dane Fox (Fredrikshaven), Mike Mieszkowski (Kaufbeuren), Brandon Segal und Milan Jurcina kamen zehn neue Spieler, wobei Jiranek noch die Transfers von Rylan Schwartz (Bremerhaven), Austin Cangelosi (Lillehammer) und Jonas Langmann (Ravensburg) initiiert hatte. Kleinendorst holte die Nordamerikaner Kevin Schulze (Leksands), Chris Summers (Wilkes-Barre) und Jim O’Brien (Belleville), der in der Vorbereitung derart schwer verunfallte, dass er frühestens 2020 wieder auf dem Eis zu sehen sein wird. André Dietzsch, der neue Sportdirektor, ist für die Wechsel von Joachim Ramoser (Ingolstadt), Moritz Wirth (Richfield), Tim Bernhardt (Heilbronn) und Daniel Fischbuch (Berlin) verantwortlich. Zuletzt wurde Andreas Eder von Vizemeister München ausgeliehen. Der Umbruch fiel so massiv aus, wie seit Jahren nicht mehr - auch abseits des Eises.

Reimer will wohl bleiben

In die wöchentlich verschickten Pressemitteilungen über neue Sponsoren, verkündete der Klub kürzlich, dass der Vertrag mit Hauptsponsor Thomas Sabo (der Firma) nicht verlängert werde und dass sich mit Ende der kommenden Saison auch Thomas Sabo (der Gesellschafter) zurückziehe. Außerhalb von Nürnberg wird seitdem über das Ende der Ice Tigers spekuliert, mindestens aber der sportliche Absturz prophezeit. "Ich bin der Überzeugung, dass sich Sponsoren bei uns wohlfühlen müssen - und das tun sie", sagte Geschäftsführer Wolfgang Gastner dieser Zeitung. Und: "Wir arbeiten natürlich schon länger an einer erfolgreichen Zukunft der Ice Tigers. Und ich bin überzeugt, dass wir mit unserem neuen Konzept viel Erfolg haben werden."

Jünger, schneller, regionaler – so lässt sich der sportliche Teil des Konzepts zusammenfassen, Verteidiger Moritz Wirth soll nur der erste Spieler sein, der es (womöglich über Umwege) aus dem Nachwuchs des EHC 80 Nürnberg in die Profi-Mannschaft der Ice Tigers geschafft hat. Nahbarer, breiter aufgestellt – das soll wirtschaftlich für die Ice Tigers gelten, wobei das mit einer Reduzierung des Etats verbunden ist, die bereits in diesem Sommer zu spüren war. Mit den sportlich und finanziell enteilten Klubs aus Mannheim und München will man sich in Nürnberg nicht mehr vergleichen, damit würde man sich tatsächlich lächerlich machen. Die Ziele will man deshalb nicht zurückschrauben. Warum auch? Im Eishockey, darauf ist man beim Eishockey besonders stolz, ist schließlich alles möglich. Allein die Teilnahme an den Playoffs sollte man nicht verpassen, womit auch das Ziel für die Saison 2019/2020 definiert wäre.

Und danach? Mit dem Ende der am Freitag beginnenden Spielzeit läuft der Vertrag zwischen den Ice Tigers und dem Mann aus, der diesem Klub seit sieben Jahren ein vorbildlicher Kapitän ist. Von Verhandlungen über eine Fortsetzung dieser Beziehung war bislang nichts zu hören – weil beide Seiten keinerlei Zeitdruck verspürten, heißt es nun. "Der Standort Nürnberg ist gefestigt. Man hat im Umfeld genügend Möglichkeiten, potenzielle Sponsoren zu finden", sagte der 36 Jahre alte Patrick Reimer beim Medientag der DEL. "Das Gute ist, dass man das ein Jahr vorher weiß und man Zeit zum Arbeiten hat. Und aktuell wird hart dran gearbeitet. Es gibt schon viele kleine Sponsoren – ich glaube zurzeit 20 – die neu dazugekommen sind." Das klingt nicht nach einem Abschied. Angeblich haben sowohl der Verein als auch Reimer längst bekundet, weiter miteinander arbeiten zu wollen.

Am Freitag gegen den Meister

Weniger Geld, mehr Spaß? Die Ice Tigers sortieren sich neu

© Foto: Thomas Hahn/Zink

Die neue Wohlfühlatmosphäre könnte aber bereits am späten Freitagabend empfindlich gestört werden. Um 19.30 Uhr tritt Meister Mannheim in der Arena Nürnberger Versicherung an – gegen gerade einmal drei komplette Blöcke. Von den vielen Verletzten einer Vorbereitung, deren Höhepunkt ihr Ende war, kehrt allein der schnelle Ramoser aufs Eis zurück. Sieben Ice Tigers fallen weiterhin aus. "Wir werden jeden Abend antreten, um zu gewinnen. Vom ersten Tag an", sagte Kleinendorst und sprach danach von einem Prozess, der erst mit dem letzten Spiel endet – im März oder im Playoff-Finale. Apropos Humor. "Unsere Spieler arbeiten sehr ernst, aber sie lächeln dabei." Kein schlechter Ansatz für eine Saison voller Herausforderungen. 

 

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