Vorbild für die SpVgg Greuther Fürth

Wie Trainer Kramer Arminia Bielefeld rettete

25.6.2021, 11:52 Uhr
Wie Trainer Kramer Arminia Bielefeld rettete

© Foto: Thomas Kienzle/Pool/AFP

Um ein Haar wäre die Fußballhistorie um eine dramatische Geschichte reicher geworden. Wenn Arminia Bielefeld als Drittletzter der Bundesliga und die Spielvereinigung Greuther Fürth als Dritter der zweiten Liga in der Relegation aufeinandergetroffen wären, hätte für die Arminen Frank Kramer an der Seitenlinie gestanden.


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Jener Trainer, der mit dem Kleeblatt 2014 in der Relegation am Hamburger SV gescheitert war (0:0, 1:1) und nach einem beispiellosen Ausverkauf in der Folgesaison wegen überzogener Erwartungen der Vereinsführung seinen Job los wurde. Doch es sollte seiner Trainerlaufbahn nicht schaden, denn er betreute in Folge Fortuna Düsseldorf und diverse DFB-Nachwuchsmannschaften.

Nach seinem Job als Nachwuchsleiter bei RB Salzburg beerbte er am 2. März den beliebten Bielefelder Trainer Uwe Neuhaus, weil die Funktionäre den Klassenerhalt in Gefahr sahen – und Kramer lieferte. Nach einem 2:0 gegen Stuttgart am letzten Spieltag hielt die Arminia als 15. die Klasse.

Herr Kramer, können Sie rückblickend noch einmal Ihre Gefühle vom 34. Spieltag zusammenfassen? Sie haben mit Bielefeld die Bundesliga gehalten.

Die Emotionen waren schon überwältigend. Das ist eine Explosion, die sich dann ihren Weg bahnt. Alle haben enorm viel investiert, es ging sehr schnell und wir haben gut zusammengefunden. Ich habe eine sehr charakterstarke Truppe vorgefunden. So ein Zusammenhalt in einem Team ist wirklich selten im Profigeschäft. Und deshalb freut es mich umso mehr für die Mannschaft, den Verein und die Fans. Bis zum letzten Spieltag konnte hier keiner davon ausgehen, dass wir den Klassenerhalt direkt schaffen. Es ist ein Erfolg harter Arbeit.

Wie haben Sie den Erfolg wahrgenommen? Sie wurden gerne in die Schublade gesteckt: der Lehrer, der Lehrgangsbeste der Fußballlehrerausbildung. War der Klassenerhalt mit Bielefeld eine persönliche Befreiung?

Es geht hier nicht um mich und was andere über mich denken. Es geht um den Verein, die Mannschaft, um die Gemeinschaft. Klar registriere ich mit etwas Abstand, dass auch unsere Arbeit im Trainerteam im Erfolg des Teams positiv beurteilt wird. Ich freue mich aber vor allem für die Verantwortlichen bei Arminia. Sie haben sich zum Zeitpunkt des Trainerwechsels nicht so viele Freunde mit der Entscheidung für mich gemacht.

Kurz vor dem Ligafinale wäre auch eine Relegation gegen Fürth möglich gewesen...

Ich habe daran gar nicht gedacht, aber ich wurde natürlich immer wieder darauf angesprochen. In meiner Nachbarschaft zu Hause wohnen einige Fürther Fans und es wäre natürlich eine spezielle Konstellation geworden. Auch wenn da kein Platz für irgendwelche sentimentalen Gefühle gewesen wäre. Für mich war entscheidend, dass wir unsere Spiele erfolgreich gestalten und dann drin bleiben. Wir haben unser Ziel geschafft und die Fürther sind direkt hoch. Das finde ich cool, weil ich natürlich große Sympathien fürs Kleeblatt habe.

Nach Stationen in Fürth und Düsseldorf als Trainer waren Sie beim DFB Nachwuchstrainer und zuletzt Nachwuchsleiter bei RB Salzburg. War für Sie danach klar, wieder als Trainer eines Profiklubs zu arbeiten?

Für mich war die Konstellation entscheidend, nicht die Position. Leute zu finden, mit denen es Spaß macht zu arbeiten und etwas gemeinsam anzuschieben. Beim DFB und in Salzburg in der Youth-League habe ich nur gelegentlich Mannschaften direkt am und auf dem Platz betreut. In meiner leitenden Funktion bei Red Bull Salzburg habe ich viel gelernt, unter anderem Kaderplanung, Verhandlungen mit Beratern und Spielern. Der Schritt zurück auf die Trainerbank war aber der wahrscheinlichste Weg für mich.

Sie gehen jetzt in Ihre erste komplette Saison in Bielefeld. Was planen Sie?

Wirtschaftlich ist die Arminia sensationell durch die Corona-Krise gekommen. Es steht die schwarze Null. Und im zweiten Jahr in der Bundesliga bekommen wir schon qualitativ andere Spieler angeboten. Ziel ist es, dass wir uns wie Mainz oder Freiburg in der Liga festbeißen können. Wir müssen Stück für Stück wachsen und uns qualitativ weiterentwickeln. Am Ende der Saison wollen wir wieder über dem Strich stehen und damit die Entwicklung beschleunigen.

Sie wurden auch verpflichtet, weil Sie viel mit jungen Spielern gearbeitet haben und den Markt gut kennen.

Unsere Weiterentwicklung wird auf lange Sicht nur funktionieren, wenn wir Transfererlöse erzielen. Unser Spiel ist auf Intensität ausgelegt und dafür brauchen wir junge Spieler, die wir bestmöglich begleiten, um sie auf das nächste Level zu heben. Ritsu Doan (der japanische Leihspieler von PSV Eindhoven verlässt Bielefeld nach nur einem Jahr wieder, d. Red.) hätte uns fünf Millionen Euro Ablöse gekostet. Das ist nicht machbar.

Werder Bremen und Schalke sind abgestiegen, Fürth und Bochum kommen hoch. Ein Vorteil für die Arminia?

Wir tun gut daran, demütig und zugleich maximal ambitioniert zu sein. Die beiden Aufsteiger bringen Euphorie mit und wir sind das beste Beispiel, was man als Aufsteiger schaffen kann. Im Fußball hast du die Chance, als David gegen Goliath zu bestehen. Es sind mehr Spieler auf dem Feld als zum Beispiel beim Handball oder Basketball. Mit Laufarbeit, Teamwork und Einsatz kann man viele Nachteile wettmachen. Und manchmal reicht dir einfach ein einziges Tor für drei Punkte. Das geht auch mal gegen qualitativ bessere Teams mit deutlich höheren Budgets.


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Zur Person

Frank Kramer (49) ist gebürtiger Allgäuer und lebt seit Jahren mit Frau und zwei Kindern im Landkreis Fürth. Als Fußballer schnürte er unter anderem die Schuhe für die zweiten Mannschaften von Bayern München, 1. FC Nürnberg und die SpVgg Greuther Fürth, in deren Nachwuchsleistungszentrum der Gymnasiallehrer und Uni-Dozent ins Trainergeschäft einstieg. Nach einem Engagement in Hoffenheim übernahm er während der Bundesliga-Saison 2012/13 das Kleeblatt von Mike Büskens, um zwei Jahre später wieder für seinen Vorgänger Platz zu machen. Kramers Sohn kickt in der U 13 der SpVgg.

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