Die Pokalsensation

"Wir waren echte Kleeblättler": Torjäger Zettl erinnert sich

4.3.2021, 11:10 Uhr

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Oliver Zettls Telefon klingelt immer dann, wenn Sportreporter einen Beleg für den Phrasenschwein-Satz "Der Pokal hat seine eigenen Gesetze" brauchen. Denn Zettl hat 1990 Borussia Dortmund aus dem DFB-Pokal geworfen. Mit der SpVgg Fürth. Als Landesligist.


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Erfahrene Kleeblatt-Fans kennen diese Geschichte natürlich: Erste Runde, auf dem Platz 40 Grad, nur 3800 Zuschauer, Platzverweis gegen Fürths David Schneider in der zweiten (!) Minute, Endstand: 3:1 für Fürth . . . Und doch lohnt sich eine genaue Betrachtung, findet Oliver Zettl, denn dieses Spiel war im Nachhinein betrachtet "die Initialzündung für alles, was danach kam", findet der heute 56-Jährige, für den es "die Saison meines Lebens" war.

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Dabei war die Stimmung mies in Fürth. Die vier Landesliga-Jahre von 1987 bis 1991 gehören neben dem Verkauf des Ronhofs zu den Tiefpunkten der Vereinsgeschichte des dreimaligen Deutschen Meisters. Und wenige Wochen vor der Pokalsensation war das Team von Trainer Günter Gerling zum zweiten Mal in der Relegation zum Aufstieg in die Bayernliga gescheitert. "Heute sagt man, es sind nur 3800 Zuschauer gekommen, aber für uns war das trotzdem eine große Kulisse", erinnert sich Zettl, der eine Anekdote parat hat.

Zur Pause stand es 2:1 und der Stürmer bot dem Dortmunder Michael Zorc, heute Manager der Borussen, einen Deal an: "Ich habe ihn gefragt: Wollen wir uns nicht auf ein Unentschieden einigen? Denn damals hätte es dann ein Rückspiel gegeben und wir hätten mal das Westfalenstadion erlebt." Zorc aber habe nur müde gelächelt. Hätte er nur angenommen . . .

Blickpunkt Sport statt drei Tage Party

Dass Zettl, damals 26, zwei Tore zu dieser faustdicken Überraschung beigetragen hat, will er gar nicht so herausstellen. Viel wichtiger sei ihm das, was danach kam. Eine Party gab es nicht, Gerling und sein Torjäger wurden zu "Blickpunkt Sport" am Montag danach eingeladen, das war’s. "Wir hatten schon am Mittwoch unser erstes Ligaspiel gegen Neumarkt, das wir gewinnen mussten." Denn es zählte in der Spielzeit 1990/91 nur eins: der Aufstieg.

"Der Sieg im Pokal hat uns einen enormen Auftrieb gegeben. Zumal wir uns den Bonus bei den Fans erst wieder erarbeiten mussten. Ich konnte deren Enttäuschung schon verstehen." Das Problem war jedoch, dass nicht nur die Fürther eine breite Brust hatten, sondern von Auerbach bis Weißenburg jeder dem Pokalschreck ein Bein stellen wollte.


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"Es war kein Selbstläufer, da gab es durchaus zähe Spiele", erinnert sich Zettl, der 20 Mal in 29 Partien traf. Die drei Spielzeiten zuvor hatte er ebenfalls eine zweistellige Quote, was sogar Bundesligisten aufhorchen ließ. Mit Anfang 20 war er in Gladbach und Bremen zum Probetraining. "Ich hatte keinen Berater, sondern eine Sporttasche dabei." Werder-Trainer Otto Rehhagel wollte ihn haben, doch Zettl sagte den fußballromantischen Satz: "Ich wollte aber lieber in Fürth bei meinen Kumpels bleiben." Mit Achim Beierlorzer, zuletzt Trainer in Mainz, Martin Hermann, bald im 13. Jahr Trainer des ASV Zirndorf, und Torwart-Legende Roland Kastner sowie dem von der SG Quelle Fürth herübergelotsten Zettl "waren wir für eine Landesligamannschaft überdurchschnittlich".

Was verwunderlich war, denn mit Geldscheinen konnte der damalige Präsident Edgar Burkart nicht wedeln. Doch Teammanager Wolf Nanke ("er und Burkart haben den Laden zusammengehalten") baute mit Coach Gerling semiprofessionelle Strukturen auf, Zettl erinnert sich an einen Athletik-Coach, ein Trainingslager und richtig gute Physiotherapeuten. "Das wurde später in der Bayernliga noch weiter ausgebaut. Wir waren zehn Jahre der Entwicklung voraus."

Stammtisch bis heute

Der Antrieb dieser Freizeitfußballer, die sich dreimal die Woche zum Training trafen, war tatsächlich: "Wir waren echte Kleeblättler." Er sei zwar Nürnberger, "aber fußballerisch ein echter Fürther". Noch heute hat dieses Team einen Stammtisch.

Diese "disziplinierte Truppe" pflügte durch die Saison: 22 Siege, 80 Tore. Im DFB-Pokal war leider in der zweiten Runde gegen Saarbrücken Schluss. Nach 30 Spieltagen standen die Spielvereinigung und die Club-Amateure punktgleich an der Tabellenspitze. Es gab ein Entscheidungsspiel. Zettl machte das 2:0 beim 2:1-Sieg auf neutralem Boden in Bayreuth. Was mit der Pokalsensation begann, endete endlich mit dem Gang in die dritte Liga. Der interne Druck war immens, wie sich Zettl erinnert: "Uns ist bewusst gewesen: Wenn wir es heuer nicht schaffen, sind wir echte Doldi."

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