"Wünsch Dir was" - Teil 3: Ein Rechtsverteidiger für den Club

30.1.2021, 14:05 Uhr
Enrico Valentini führt den 1. FC Nürnberg in dieser Saison als Kapitän auf den Platz.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Enrico Valentini führt den 1. FC Nürnberg in dieser Saison als Kapitän auf den Platz.

Die erste Strophe des Liedes "Wünsch Dir was" der Toten Hosen liest sich wie ein Glaubensbekenntnis: "Ich glaube, (…) dass irgendjemand uns auf unseren Wegen lenkt und unser Schicksal in die Hände nimmt. Ja, ich glaube an die Ewigkeit." Im Fußball gibt es zwar diesen "irgendjemand", der sich meist an einer Binde um den linken Oberarm erkennen lässt. Beim 1. FC Nürnberg ist es Enrico Valentini: Der Rechtsverteidiger ist der Kopf der Mannschaft, seine Fähigkeiten als integrative Figur sind ebenso unbestritten, wie seine Biografie als echter Cluberer.

Eine "Ewigkeit" gibt es im Profifußball indes nicht - zumindest nicht im Bezug auf die sportliche Leistungsfähigkeit: Auch ebendieses entwickelt sich mit der Zeit. So fehlt dem 31-jährigen Valentini inzwischen die Agilität im Vorwärtsspiel, die den gelernten Stürmer früher noch auszeichnete. Unter den Stammrechtsverteidigern der zweiten Liga weist der Zaboraner eine der geringsten Erfolgsquoten in Offensivaktionen auf (2,65 pro 90 Minuten). Auch der Anteil der Flanken, die zum Mann kommen, ist mit 34,8 Prozent unterdurchschnittlich. Seine Zweikampfquote ist indes ordentlich: Knapp 65 Prozent der Duelle gegen den Ball entscheidet der Kapitän für sich. Allerdings reiht sich Valentini zu den Rechtsverteidigern, die am häufigsten zum Foul greifen (1,26-mal pro 90 Minuten).

Unangefochten ist Valentini derzeit nicht nur ob seines Status als Spielführer, sondern auch mangels Alternativen: Oliver Sorg fällt seit Monaten aus, mit Noel Knothe und Tim Latteier mussten dementsprechend bereits zwei positionsfremde Spieler als Rechtsverteidiger ran. Allerdings würde auch ein fitter Sorg nur bedingt weiterhelfen: Zwar verzeichnete er in der Vorsaison bessere statistische Defensivwerte als Valentini, seine Quote an erfolgreichen Offensivaktionen (1,88 pro 90 Minuten) war jedoch noch geringer als jene des Stammrechtsverteidigers in der laufenden Spielzeit.


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Was muss ein Spieler also mitbringen, um das Problem lösen zu können, Valentini mindestens herauszufordern oder ihn bestenfalls überholen und den 31-Jährigen langfristig zu ersetzen? Er sollte defensiv solide agieren, Tempo und einen starken Offensivdrang mitbringen und mit präzisen Flanken besonders Manuel Schäffler füttern können. Interne Lösungen ergeben sich aus dem Jugendbereich derzeit nicht, solange man es positionsgetreu betrachtet, so dass hier von außen geholfen werden muss.

Jordan Beyer

Louis Jordan Beyer debütierte unter Dieter Hecking für Borussia Mönchengladbach.

Louis Jordan Beyer debütierte unter Dieter Hecking für Borussia Mönchengladbach. © Marius Becker, dpa

Der 20-Jährige hat eine doppelte Verbindung zu Sportvorstand Dieter Hecking: In der Saison 2019/20 spielte er auf Leihbasis beim HSV unter dem Trainer, der ihm im August 2018 bei Borussia Mönchengladbach zum Profidebüt verholfen hatte. Der damals 18-Jährige überzeugte mit seinem abgeklärten Spiel, seiner Zweikampfstärke und seiner Schnelligkeit auf der Position des Rechtsverteidigers, die er später auch für die Rothosen aus der Elbstadt bekleiden sollte.


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Ausgebildet wurde Beyer allerdings für das Abwehrzentrum, weshalb er somit zugleich als Backup für Asger Sörensen und Lukas Mühl in Frage käme. Die Zahlen sprechen für den gebürtigen Kempener: In der vergangenen Saison war Beyer der Rechtsverteidiger mit der ligaweit besten Zweikampfquote in Defensivduellen – auch, weil er teilweise im Zentrum zum Einsatz kam. Dies erklärt auch die vielen Läufe für Raumgewinn mit dem Ball, denn auch in der Kategorie führte er die Zweite Liga an.

Die Defizite finden sich im Spiel mit dem Ball: Nur knapp ein Drittel der Flanken findet den Mitspieler. Zudem agiert der Youngster mitunter gar zu abgeklärt, lässt sich für ein Abspiel viel Zeit und erleichtert es demnach dem Gegner, den Passweg zuzustellen. Entsprechend agiert Beyer besonders als Außenverteidiger mitunter fahrig im Spielaufbau - kommt er allerdings aus dem Tempo, ist er nur schwer zu stoppen. Für eine kurzfristige Leihe für die Rückrunde wäre Beyer, der bei Gladbach in dieser Saison noch ohne Einsatz blieb, eine Lösung, die zumindest auf zwei problematischen Positionen Tiefe verspricht. Eine langfristige Lösung ist er angesichts dessen, dass Gladbach wahrscheinlich weiter auf ihn setzt, aber nicht.

Christian Borchgrevink

Bei Vålerenga in der norwegischen Eliteserien spielt der Juniorennationalspieler nahezu exakt das Spiel, das Robert Klauß in Nürnberg derzeit zu etablieren versucht: Der 21-Jährige hinter- und vorderläuft, bricht häufig bis auf die Grundlinie durch, um in den Rücken der Abwehr abzulegen, und schickt auch gerne seinen Vordermann auf dem Flügel per hohem Anspiel die Linie entlang. In der vergangenen Saison, seiner ersten als Stammspieler, verbuchte der Rechtsverteidiger fünf Vorlagen. In der Eliteserien verzeichnete er zudem eine Passquote von 84 Prozent, gewann 71 Prozent seiner Dribblings und 63 Prozent seiner Kopfballduelle. 45 Prozent seiner Flanken brachte er zum Mann.

Bei derart respektablen Werten stellt sich allerdings die Frage, inwiefern die Leistungen aus der norwegischen ersten Liga auf die deutsche zweite Liga übertragbar sind. Die amerikanische Scoutingplattform "Smarterscout" stuft Borchgrevink zumindest als "Young Player to watch" für das Niveau der Zweiten Liga ein und attestiert ihm für Rechtsverteidiger auf Zweitliganiveau Bestwerte im Zweikampf mit dem Ball am Fuß und hohe Fähigkeiten in Sachen Kopfballduelle, Verbindungsspiel und Ballbehauptung. Trotz mancher Defizite in der Rückwärtsbewegung wäre Borchgrevink demnach nicht nur eine kreative, sondern auch eine mutmaßlich leicht zu finanzierende perspektivische Verstärkung, die sicher nicht sofort einschlagen würde, den Druck auf Valentini mittelfristig aber deutlich erhöhen könnte.

Nico Neidhart

Auf den ersten Blick ist ein 26-Jähriger, der in Deutschland noch nie höher als in Liga Drei gespielt hat, eine gewagte Empfehlung. Daran ändern auch sechs Spiele in der höchsten niederländischen Spielklasse, der Eredivisie, nichts. Doch Neidhart hat sich in den vergangenen zwei Spielzeiten bei Hansa Rostock weiterentwickelt. Seine Erfolgsquote in Defensivzweikämpfen ist seit seinem Wechsel von den Sportfreunden Lotte an die Ostsee von nur 50 Prozent auf fast zwei Drittel geschnellt. Die Flankengenauigkeit liegt inzwischen auch bei 41 Prozent. Neidhart hat sich unter Jens Härtel weiterentwickelt, greift nur noch selten – weniger als einmal pro Spiel – zum Foul und sucht offensiv viel öfter den Weg in Richtung gegnerischen Strafraum mit und ohne Ball am Fuß.


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So ist Neidhart nicht nur der Typ Rechtsverteidiger, der über Flanken und Pässe von der Grundlinie oder dem Halbfeld Tore vorbereitet, sondern er zieht auch gerne selbst ins Zentrum, taucht mitunter im gegnerischen Fünfmeterraum auf und marschiert bei Kontern in Stürmermanier in die Tiefe, um die Aktion zu vollenden. Sicher: Sein Verhalten auf dem Platz ist sicher auch der Spielweise Hansas geschuldet, dennoch ist der Sohn des ehemaligen Meppener Trainers Christian Neidhart eine preiswerte, durchaus beobachtenswerte Alternative.

Der Artikel ist Teil einer vierteiligen Serie:

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