Zweckoptimismus beim Club: Krise? Welche Krise?

23.1.2019, 05:58 Uhr
Die Hände in die Hüften gestemmt, wieder keine Punkte geholt - und doch möchte man beim 1. FC Nürnberg noch immer nicht von einer Krise reden. Immerhin: Sportvorstand Andreas Bornemann stellt "ein, zwei personelle Veränderungen" in Aussicht.

© Sportfoto Zink / DaMa Die Hände in die Hüften gestemmt, wieder keine Punkte geholt - und doch möchte man beim 1. FC Nürnberg noch immer nicht von einer Krise reden. Immerhin: Sportvorstand Andreas Bornemann stellt "ein, zwei personelle Veränderungen" in Aussicht.

Wenn die vier Letztplatzierten an einem Wochenende allesamt verloren haben, ist tatsächlich nicht viel passiert, zumindest in der Tabelle. Da haben Michael Köllner und Andreas Bornemann schon recht, der Rückstand ihres 1. FC Nürnberg auf den Relegationsrang beträgt nach wie vor drei Punkte. Nur drei Punkte. Und es sind ja noch 16 Spiele.

Drei Punkte können aber auch eine ganze Menge sein. Etwa für den 1. FC Nürnberg, der aus den vergangenen zwölf Spielen eben genauso viele geholt hat. Hochgerechnet wären die drei Punkte nach den nächsten zwölf Spielen also aufgeholt, falls sich die Konkurrenten da unten weiterhin so dusselig anstellen.

Wer am Sonntagabend, nach dem 1:3 gegen Hertha BSC, genau hingehört hat, muss sich ohnehin keine Sorgen machen. Selbst vier Siege hintereinander, wie von den Düsseldorfer Aufstiegskollegen gerade jahresübergreifend eingefahren, traut Köllner seinen Fußballern locker zu, "ich denke schon, dass meine Mannschaft das kann, da bin ich guter Dinge". Die Frage ist halt nur, gegen wen.

Große Euphorie?

Der letzte Sieg überhaupt gelang Mitte November im Test gegen den FK Usti nad Labem, einen tschechischen Zweitligisten, einen Monat davor war die DJK Vilzing ziemlich chancenlos. Sobald ein etwas namhaftere Gegner mit auf dem Feld steht, ist es aber meistens zügig geschehen um die Nürnberger Herrlichkeit.

Auch am Sonntag ließ der Tabellenletzte nach den gewohnt zuversichtlichen Ankündigungen seines Trainers relativ wenig Raum für Optimismus. Von der "großen Euphorie" (Köllner), die eigentlich zum großen Plus werden sollte beim Rückrundenstart, war nicht viel zu spüren. Anstatt die keineswegs formstarken Gäste offensiv und mit einem mutigen Pressing zu beeindrucken, stellte sich der Club in den ersten 20, 25 Minuten nicht zum ersten Mal in einem Heimspiel erstaunlich hartnäckig hinten rein.

Dennoch blieb Köllner auch spätabends bei seiner traditionellen Facebook-Analyse dabei, "eine gute Mannschaft" gesehen zu haben, er meinte selbstverständlich die seine. Wären Einsatzfreude und Moral die einzigen Bewertungskriterien, müsste man ihm bedingungslos zustimmen; nur bemüht zu sein, langt in der Bundesliga aber nicht.

Michael Köllner glaubt trotzdem dran; für ihn ist selbst ein leeres Glas mindestens halbvoll, was ihn eigentlich sympathisch macht. Zynische Zeitgenossen unterstellen ihm freilich schon leichte Wahrnehmungsstörungen, die aber immerhin seine Arbeit in der Außendarstellung etwas positiver wirken lässt, als sie vielleicht ist.

Lerneffekte? Fehlanzeige

Am späten Sonntagabend beispielsweise verkeilte er sich verbal in einen nicht gegebenen Elfmeter kurz nach der Pause. Es wäre vielleicht das 2:1 gewesen, vielleicht auch nicht, wer weiß. Dass sich sein Defensivverbund bei allen drei Gegentreffern unglaublich naiv angestellt hatte, blieb dagegen eine Randnotiz. Primitive Zweikampfführung, miserable Raumaufteilung, sperrangelweit offene Passwege im letzten Platzdrittel. Der Rückraum. "Man hat gesehen, wie stark Hertha ist, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, den Ball im und am Sechzehnmeterraum hinzulegen", sagte Köllner. Man hat aber auch gesehen, wie einfach der Club auseinanderzunehmen ist. Lerneffekte? Fehlanzeige.

Daran wollten sie in der kurzen Vorbereitung eigentlich intensiv werkeln, um in der Rückserie möglichst viele "billige Gegentore" (Köllner) zu vermeiden. Nach dem ersten Pflichtspiel 2019 stehen schon wieder deren drei in der Zwischenbilanz, zu einem nicht unerheblichen Teil zu verantworten von der oft behäbigen Innenverteidigung Margreitter/Ewerton.

 

 

 

Alles außer Krise

Vom Qualitätsniveau hat sich das Spiel in der Zweiten Liga offenbar weit entfernt von der Ersten, so mancher Beobachter redet sogar frech von einer anderen Sportart, was immerhin die Achtelfinal-Pokalaufgabe am 5. Februar beim Hamburger SV etwas lösbarer erscheinen lässt. Nürnbergs Trainer wird auch dann noch Michael Köllner heißen, daran bestehen nach wie vor keinerlei Zweifel. Entscheidend sei die "inhaltliche Bewertung der Arbeit – und die ist aus meiner Sicht noch genauso gut wie vor einem halben oder dreiviertel Jahr, als wir zusammen aufgestiegen sind", versicherte der Sportvorstand am Sonntagabend im Bayerischen Fernsehen.

Überhaupt muss sich doch selbst nach zwölf Spielen ohne Sieg niemand aufregen über den auch am Sonntag phasenweise bedenklich irrlichternden 1. FC Nürnberg. Krise? Welche Krise? "Wir waren zum Glück noch nie so weit, dass wir von einer Krise sprechen", sagt Bornemann, vielmehr handelt es sich lediglich um eine "lange Phase, die wir nicht gewinnen konnten".

Auch wieder richtig, wobei es hierfür ebenfalls triftige Gründe gibt. Der amtierende Zweitliga-Vizemeister ist in seiner Entwicklung irgendwann stehengeblieben, was angesichts der Güte der allermeisten Mitbewerber auch bloß so aussehen kann.

Personelle Veränderungen denkbar

Gleichwohl stellt sich Woche für Woche die Frage, wofür, für welche Art von Fußball, für welchen Stil dieser Club eigentlich stehen soll. Auch gegen die bestimmt nicht Champions-League-reife Hertha war beim besten Willen keine gemeinsame Idee zu erkennen und noch weniger Struktur, mit und ohne Ball. Dass nach so vielen Negativerlebnissen intern allmählich die Zweifel wachsen, an sich selbst und anderen, ist deshalb nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich und vor allem branchenuntypisch ist höchstens der Ansatz, mit dem sich der Club seiner tonnenschweren Hypothek zu entledigen versucht.

Der Trainer bleibt, Punkt. Stattdessen möchte Bornemann "Hilfestellung für die Mannschaft" geben, er denkt an "ein, zwei personelle Veränderungen". Den vom Aufsichtsrat propagierten "Weg der Vernunft" wollen sie aber nicht verlassen, trotz immer größerer Stolpersteine.

Obwohl, auch am nächsten Wochenende wird ja nicht viel passieren, das hatte Köllner am Sonntagabend bereits fleißig recherchiert. Hannover muss nach Dortmund, Stuttgart nach München, Augsburg nach Mönchengladbach. Und Nürnberg nach Mainz.

63 Kommentare