Zengers Taktiktafel

Stürmisches Werder: Dem Club-Gegner fehlt es an Effizienz

5.11.2021, 06:00 Uhr
Er ist guter Junge: Marvin Ducksch hilft dem SV Werder mit Toren.

© Carmen Jaspersen, dpa Er ist guter Junge: Marvin Ducksch hilft dem SV Werder mit Toren.

Wer steht an der Seitenlinie?

Markus Anfang. Der war bis zum Sommer noch Trainer des letzten Clubgegners, wechselte dann aber recht überstürzt von Darmstadt nach Bremen. Dort versucht der 47-Jährige jetzt einmal mehr seine Ideen vom Fußball umzusetzen. Geprägt scheint diese Vorstellung davon zu sein, wie Anfang als Spieler war. Anfang war ein kreativer Mittelfeldspieler, einer, der das Aufbauspiel einleitete und lenkte, einer, der gerne den Ball hatte. All das spiegelt sich in seiner Herangehensweise wider, die er als Trainer an den Tag legt. Ballbesitz, viele Pässe, viel Druck auf den Gegner.

Diese Herangehensweise war in der Zweiten Liga bislang weitgehend erfolgreich. In Kiel schaffte er fast den Durchmarsch von der dritten in die erste Liga, scheiterte nur in der Relegation. Es folgte der Wechsel in seine Geburtsstadt Köln. Den Effzeh führte Anfang auf den ersten Tabellenplatz. Auf diesem ersten Platz liegend entließ der Verein ihn aber drei Spieltage vor Schluss. Man sah den Aufstieg in Gefahr, da die Mannschaft zwar viele Tore schoss, aber auch viele Tore kassierte. Die fast zynische Pointe: Auch ohne einen Punkt in den letzten drei Spielen wäre Köln als Erster aufgestiegen.

Es folgte ein Jahr Pause. Im Sommer 2020 heuerte Anfang in Darmstadt an. Lange knirschte es im Getriebe der Lilien, der Fußball war spektakulär, aber wenig erfolgreich. Dann stellte Anfang auf reaktiven Fußball um, der Ballbesitz sank von 54 Prozent auf 42 Prozent. Das Resultat: Nimmt man nur die elf Spiele nach der Umstellung, war Darmstadt die beste Mannschaft der zweiten Liga 2020/21. Serdar Dursun wurde Torschützenkönig und damit nach Ducksch (Kiel) und Terodde (Köln) der dritte Spieler aus einem von Markus Anfang trainierten Team.

Wie wird gespielt?

Anfang spielt bei Werder Anfang-Fußball: Viel Ballbesitz, viele Pässe, meistens wird im 4-1-4-1/4-3-3 aufgebaut. Rein statistisch kann sich das, was dabei offensiv herauskommt, sehen lassen. Die meisten Schüsse, die zweitmeisten expected Goals, die meisten Pässe pro Minute eigenen Ballbesitz, der zweithöchste Anteil an Ballbesitz, die drittmeisten Pässe ins Angriffsdrittel und in Tornähe sowie das drittintensivste Pressing. Es liest sich alles so, wie es aussieht: Gefälliger Offensivfußball, der den Weg zum Tor sucht, den Gegner dabei durch viele Pässe und ständige Positionswechsel unter den Spielern zu Fehlern zwingen soll. Gleichzeitig zwingt das Spiel den Gegner dazu, viel zu laufen. Werder kann den Gegner müde spielen.

Dabei setzt Bremen auf den höchsten Anteil an jungen Spielern. 47 Prozent der möglichen Einsatzminuten im Kader gingen an Spieler unter 23 Jahren. Bestwert in der Zweiten Liga. Jedoch ist der von Anfang verlangte und von den jungen Spielern umgesetzte Fußball bisher nicht so ertragreich, wie er sein könnte. Werder hat nach zwölf Spielen sechs Punkte Rückstand auf Schalke auf Rang drei. Aus den 21,5 expected Goals hat man nur 17 Tore gemacht, aber bereits 18 Gegentore kassiert – doppelt so viele wie der 1. FC Nürnberg.

Immer wieder schleichen sich Fehler im Aufbau ein, immer wieder hat der Gegner durch diese nur einen kurzen Weg zum Bremer Tor. Anfang besteht aber auf den flachen Aufbau. So kann die Mischung aus anspruchsvollem System und jungen Spielern wahrscheinlich eine Menge dessen erklären, was bei Werder noch nicht rund läuft. Interessanterweise deutete das 1:1 gegen Sankt Pauli an, dass Anfang wie in Darmstadt etwas von seiner Dogmatik abweichen könnte. Er reagierte auf das 4-4-2 mit Raute des Tabellenführers mit einem 5-3-2, überließ den Hamburgern weitgehend den Ball – nur knapp 34 Prozent Ballbesitz – brachte sie aber immer wieder in Bedrängnis und hätte das Spiel durchaus gewinnen können.

Wer sind die Schlüsselspieler?

An Marvin Ducksch kommt man in der Aufzählung von zentralen Spielern nicht vorbei. Der Angreifer war an sieben der zwölf Bremer Tore, die seit seinem Wechsel aus Hannover fielen, beteiligt. Er ist der Zweitligaspieler mit den meisten Schüssen aufs Tor, ist nach Kittel und Burgstaller ligaweit an den gefährlichsten Angriffen beteiligt und gehört zu den Spielern mit den meisten Ballkontakten im Strafraum. Sollte der 27-Jährige ausfallen, es wäre eine massive Schwächung für Werder.

Bremens gefährlichster Aufbauspieler ist Romano Schmid. Der Österreicher kommt auf die drittmeisten in Tornähe angekommenen Pässe und hat die drittmeisten Dribblings, die er zu 58 Prozent erfolgreich abschließt – unter den Top 10 hat nur Møller Dæhli mit 64 Prozent einen besseren Wert. Schmid ist sich nicht zu schade, Defensivarbeit zu verrichten. Der 21-Jährige ist in der Liga einer derjenigen, die am häufigsten grätschen und das als Kreativspieler.


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