Malergenie

Superstar aus Nürnberg: Dürer-Doku mit hochkarätiger Besetzung

3.12.2021, 14:45 Uhr
Albrecht Dürer (Wanja Mues) und seine Frau Agnes (Hannah Herzsprung).

© Jonas Römmig, dpa Albrecht Dürer (Wanja Mues) und seine Frau Agnes (Hannah Herzsprung).

Selbstbewusst war er: „Meine Bilder werden aufrütteln und eine neue Zeit ankündigen. Der Name Dürer verschwindet nicht. Warum hätte Gott mich sonst überleben lassen?“ Das sagt der junge Albrecht seiner Ehefrau Agnes, die so verzweifelt darauf wartet, endlich schwanger zu werden. Wanja Mues und Hannah Herzsprung spielen das Paar in dem TV-Film „Dürer“, den Arte nun (gerade noch rechtzeitig zum 550. Geburtstag des Meisters dieses Jahr) in Erstausstrahlung zeigt — und der auch für Dürer-Kenner neue Zusammenhänge zwischen Werk und Leben herstellt.

Als Drittgeborener erlebt Albrecht das Sterben von 15 Geschwistern mit, muss permanent um das Leben seiner dauergebärenden Mutter bangen, die Bedrohung durch die Pest ist allgegenwärtig: „Die Kindheitserfahrungen haben seine Motive, Themen und Bildwelten geprägt, die von der christlichen Vorstellung bestimmt waren, dass das Teuflische überall lauert“, sagt Thomas Eser, Direktor der Museen der Stadt Nürnberg etwa mit Verweis auf die Darstellungen in der „Apokalypse“.

Eser kommt neben anderen Dürer-Forschern, aber auch Urheberrechts-Experten (schließlich war der Nürnberger der erste Künstler, der seine Werke konsequent mit Monogramm labelte) in dem Dokudrama zu Wort. Darin wechseln sich Erklärungen der Fachleute und Detailaufnahmen aus den Gemälden mit Spielfilmszenen eines überzeugenden Ensembles ab.

Regisseurin Marie Noëlle hat ein Faible für historische Persönlichkeiten, hat sich bereits der Physikerin Marie Curie angenommen oder dem Jugendstilmaler Heinrich Vogeler. Der Mix aus Doku und Spielszenen zu Dürer (1471-1528) macht diese 90 Minuten ausgesprochen abwechslungs- und facettenreich und gibt Noëlle die Möglichkeit, sowohl Herz wie Verstand der Zuschauer anzusprechen.

Apropos ansprechen: Albrecht und Agnes wenden sich oft direkt an den Zuschauer. Ein Zwiegespräch über mehr als 500 Jahre hinweg — in dem die Molltöne überwiegen: Agnes offenbart ihre Verzweiflung über den ausbleibenden Nachwuchs, sie gesteht ihre Vorbehalte gegen den „Humanisten und Saufbold“ Willibald Pirckheimer, den besten Freund ihres Mannes. Und sie rechnet (übrigens mit Hilfe ihres Smartphones) vor, wie erfolgreich man ist: „Bald zählt Albrecht zu den hundert reichsten Nürnbergern. Wir sind bereits 5000 Gulden schwer. Das sind für euch fünf Millionen Euro“.

Diese Art der filmischen Umsetzung unterstreicht, wie modern die Dürers in Zeiten sozialer und technischer Umbrüche sind. Sie fungiert als Managerin, er nutzt als einer der ersten die aufkommende Druckgrafik als Massenmedium und setzt sein Urheberrecht konsequent durch. Diese Kombination aus „höchstem Kunst- und höchstem Marktverständnis“, erklärt Rechtsanwalt Matthias Grundmann, machte ihn ähnlich wie später Picasso oder Warhol zu einem Meilenstein der Kunstgeschichte.

Stärker als in anderen Dürer-Filmen steht das Verhältnis zur Mutter im Mittelpunkt. Ihr Porträt hängt im Germanischen Nationalmuseum. Im Film spielt Anika Maurer diese gottesfürchtige Frau, die ihren Sohn dafür kritisiert, dass er nach Italien reist („das tun Patrizier, keine Handwerker!“), dass er mit langen Haaren und grässlichem Bart herumläuft, seine Frau zu viel alleinlässt und nicht gottgefällig genug lebt. Auch für die Kinderlosigkeit des geliebten Sohnes hat Barbara Dürer eine Erklärung: Das läge an seinen pietätlosen Bildern!

Markterfolg, aber Mutterleid: Dürer, so erklärt Psychoanalytikerin Jeannette Fischer, musste erkennen, „dass es Leid und Schmerz verursachte, wenn er sein Potenzial auslebt“. Und mit Blick auf sein für die Zeit so ungewöhnliches Selbstporträt als Akt sagt sie: „Man hat nicht den Eindruck von einem jungen potenten Mann, der mitten im Saft steht. Er muss diese Seiten gehabt haben, mit denen er gehadert hat und unter denen er auch gelitten hat.“

Ihn plagt panische Angst vor den damals grassierenden Seuchen. Auch zum Gesundheitsschutz und nicht nur, um die neue Kunst dort kennenzulernen, reist er deshalb wohl nach Italien. „Er blüht dort auf, wird glücklicher, frecher, konsumfreudiger“, sagt Thomas Eser über den Künstler, der bei allem nach außen getragenen Selbstbewusstsein in dem sehenswerten Kunst-Film auch als sehr nachdenklich gezeichnet wird.

Mit dem Kinderwunsch der Dürers hat es nicht geklappt, aber die von ihm geschaffenen und von seiner Frau vertriebenen Bilder zählen bis heute zu den Meisterwerken der Kunstgeschichte – ganz so wie Albrecht es Agnes vorausgesagt hat.

Samstag, 4. Dezember, 20.15 Uhr, und Sonntag 12. Dezember, 13.45 Uhr, auf Arte.

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