Digitale Balance

Acht Tipps: So schaffen Sie es, weniger am Smartphone zu hängen

13.12.2023, 05:59 Uhr
Smartphones sind ein unverzichtbarer Begleiter: Wir sind fast "always on" und verbringen Stunden am Tag mit digitalen und Sozialen Medien.

© Christin Klose/dpa-tmn Smartphones sind ein unverzichtbarer Begleiter: Wir sind fast "always on" und verbringen Stunden am Tag mit digitalen und Sozialen Medien.

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Das Smartphone ist ständiger Begleiter in unserem Alltag: Es ist Terminkalender, Informationsquelle und Ort für sozialen Austausch. Kein Wunder, dass das kleine Gerät unsere Aufmerksamkeit immer mehr fesselt. Wir sind "always on", verbringen täglich mehrere Stunden mit digitalen und sozialen Medien.

Eine übermäßige Nutzung des Smartphones kann aber negative Folgen haben. Zunehmend dominieren Instagram, TikTok, Youtube und Co. unseren Alltag. Es fällt schwer, im Job in den Flow zu kommen. Unsere Produktivität leidet, weil wir ständig aus der Konzentration gerissen werden.

Und: Je mehr Zeit wir in sozialen Netzwerken verbringen, desto stärker beeinflusst das auch unsere psychische Gesundheit, sagt Julia Brailovskaia, die am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Ruhr-Uni Bochum zum Thema forscht.

Sie kennt die negativen Folgen der übermäßigen Nutzung von sozialen Medien. Dazu können zum Beispiel Ängste, Schlafstörungen und suchtartiges Verhalten gehören. In Extremfällen kann sogar suizidales Verhalten begünstigt werden, wie sich in Studien gezeigt habe.

Ob das eigene Verhalten problematisch ist, hängt vor allem davon ab, was man konkret am Smartphone macht. "Ist man vor allem berufsbedingt lange Zeit am Handy oder eher aus Langweile? Oder weil man mit der Nutzung aus der Realität entfliehen möchte und denkt, so ließen sich Probleme in der Realität lösen?", nennt Brailovskaia als relevante Fragen.

Denn: Wird das Smartphone ein Ort der Realitätsflucht, kann das längerfristig dazu führen, dass suchtartige Symptome gefördert werden. "Das zeigen vielfältige Studien", sagt die Expertin.

Expertinnen und Experten unterscheiden gerade bei Sozialen Medien zwischen passiver und aktiver Nutzung:

  • Passive Nutzung: Julia Brailovskaia beschreibt sie so: "Sie nehmen sich vor, ganz kurz zu schauen, welche neuen Bilder Ihre Freundinnen und Freunde hochgeladen haben. Aber das Smartphone und soziale Netzwerke sind so gemacht, dass Nutzerinnen und Nutzer lange Zeit da verbringen sollen."

Schnell sei man in einer unendlichen Schleife gefangen - und guckt sich immer weiter Bilder an.

Diese rein passive Nutzung kann der Expertin zufolge sehr schnell dazu führen, dass wir Neid empfinden. Alle machen großartige Dinge, haben ein tolles Leben - man selbst sitzt nur zu Hause.

"Dieses Neidempfinden ist sehr schlecht für die psychische Gesundheit und kann zum Beispiel Depressionssymptome begünstigen", sagt Brailovskaia.

Christian Montag, Leiter der Abteilung für Molekulare Psychologie an der Uni Ulm, sieht das ähnlich: Wer soziale Medien vor allem passiv nutzt, kommt schnell in einen sozialen Aufwärtsvergleich, ganz nach dem Motto: Anderswo ist die Wiese immer grüner. "Das kann Selbstwertprobleme verstärken."

  • Aktive Nutzung: Sie bedeutet, dass wir selbst posten und kommentieren. Das hat einen anderen Effekt: "Wenn wir posten, bekommen wir oft viel Feedback, zum Beispiel in Form von Kommentaren auf unsere eigenen Kommentare", sagt Brailovskaia.

Das kann dazu führen, dass wir uns stark emotional an soziale Plattformen binden. Im Endeffekt passiert dann das: "Wenn es uns nicht gut geht, dann gehen wir online, suchen Feedback und Bindung und sind dann auf diese Weise dort gefangen."

Drei, vier oder acht Stunden? Unser Smartphone verrät uns, wie viel Zeit wir täglich mit welchen Apps verbringen.

Bei Apple-Geräten finden sich die Infos unter "Einstellungen" im Menüpunkt "Bildschirmzeit". Bei Android-Geräten lassen sich die Infos zur "Bildschirmzeit" über die Einstellungen aufrufen.

Zum Teil finden sich die Angaben bei anderen Smartphone-Modellen unter Stichworten wie "Digital Wellbeing" (Google), "Digitales Wohlbefinden" (Samsung) oder "Digital Balance".

Bestimmte Apps zeigen auf, wie viel Zeit man wirklich mit dem Smartphone und sozialen Medien verbringt.

Bestimmte Apps zeigen auf, wie viel Zeit man wirklich mit dem Smartphone und sozialen Medien verbringt. © Till Simon Nagel/dpa-tmn

Eine strikte Grenze dafür, wie viel Bildschirmzeit normal und unproblematisch ist, gibt es aus der Sicht von Expertinnen und Experten nicht. "Länger ist gleich schlechter" - dieser Schluss greift Christian Montag zufolge zu kurz.

Studien können lediglich Hinweise darauf geben, wie viel zu viel ist. "Allerdings raten internationale Expertinnen dazu, dass wir Soziale Medien maximal eine Stunde am Tag nutzen sollten", sagt Anna Miller, Journalistin und Gründerin des Digital Balance Lab in Zürich.

Nur: "Viele Menschen nutzen das Smartphone, vor allem auch Social Media, mittlerweile täglich mehrere Stunden - oft alle paar Minuten."

Brailovskaia verweist auf eine Studie aus den USA, in der der Umgang von Jugendlichen mit Sozialen Medien untersucht wurde. Im Ergebnis stellten die Forschenden fest: Eine Stunde am Tag kann sich noch förderlich auf das Wohlbefinden auswirken. Fünf Stunden seien bereits extrem kritisch. "Und alles was dazwischen ist, ist eine Grauzone", sagt die Psychologin.

Es zeigt sich: Lange Nutzungszeiten können sich langfristig negativ auf die mentale Gesundheit und das eigene Wohlbefinden auswirken.

Und es gibt noch ein anderes Problem: Unsere Produktivität leidet unter langen Nutzungszeiten. Je häufiger wir das Gerät zur Hand nehmen, desto kürzer werden die Zeitspannen, in denen wir ungestört etwas wegarbeiten können.

Durch die Nutzung des Smartphones lassen wir uns im Alltag öfter ablenken.

Durch die Nutzung des Smartphones lassen wir uns im Alltag öfter ablenken. © Christin Klose/dpa-tmn

Die gute Nachricht: Schon kleine Anpassungen im Alltag können große Wirkung haben. Manche Ratschläge klingen fast banal.

Julia Brailovskaia hat 2020 mit weiteren Forschenden eine Studie zum Thema publiziert. "Darin haben wir im Grunde etwas total Banales gemacht." Die Teilnehmenden wurden dazu aufgefordert, Facebook pro Tag 20 Minuten weniger zu nutzen als bisher.

"Das hat dazu beigetragen, dass die Probanden und Probandinnen sich ihrer Nutzung bewusster wurden", berichtet Brailovskaia. Sie fingen außerdem an, mehr Sport zu machen. Depressionssymptome schwächten sich ab. "Die Raucher haben sogar weniger geraucht."

Hier kommen 8 Tipps für einen achtsameren Umgang mit dem Handy:

"Allein eine Bewusstwerdung über die Nutzung hilft schon", sagt Brailovskaia. Es geht darum, achtsam wahrzunehmen, wie viel Zeit man wirklich mit dem Smartphone und sozialen Medien verbringt.

Anna Miller vom Digital Balance Lab schlägt vor, beispielsweise eine Woche lang zu protokollieren, wann und wie lange man gewisse Apps nutzt. Welche geben Energie, welche laugen aus?

Man kann das Smartphone auch wegpacken und sich einen Wecker stellen - etwa 60 Minuten - und dann schauen: Werde ich schon nervös, bevor er klingelt? Will ich etwas nachschauen? Denke ich ans Smartphone, obwohl ich gerade ein Buch lese und eigentlich beschäftigt bin?

Es kann hilfreich sein, die Nutzungszeit für bestimmte Apps bewusst zu begrenzen. Das lässt sich über technische Einstellungen am Smartphone lösen. Für einzelne Apps lassen sich Benachrichtigungen einstellen, die einen darauf aufmerksam machen, dass man das vorab eingestellte Zeitlimit erreicht hat.

"Ein Hinweisreiz von außen, wie lange man schon online ist, kann zu einem achtsameren Umgang beitragen", sagt Psychologin Brailovskaia.

"Aus anderen Studien weiß ich, dass auch Achtsamkeitsübungen helfen", ergänzt die Forscherin. Diese tragen dazu bei, dass man seinen Fokus auf das richtet, was man gegenwärtig tut.

Das Team von Christian Montag an der Uni Ulm hat die kostenlose App smart@net entwickelt, die darauf abzielt, Nutzerinnen und Nutzer für einen ausgewogenen Umgang mit dem Internet zu sensibilisieren.

Manchmal will man wissen, wie spät es ist - also folgt der automatische Griff zum Smartphone. Das muss nicht sein. Eine Armbanduhr oder ein Wecker machen den Automatismus überflüssig.

Worum geht es bei der Kontrolle der Smartphone-Zeit? Letztlich darum, die eigene Struktur im Alltag zurückzuerobern, betont Montag.

Der Professor stellte fest, dass die untersuchten Studierenden im Schnitt auf knapp unter 100 Bildschirmaktivierungen am Tag kommen - auch wenn die Stichprobe der Erhebung nicht repräsentativ war.

Dennoch: "Die längste Zeit, in der ich am Stück mal vertieft etwas wegarbeiten kann, wären dann nach einer vereinfachten Rechnung circa 10 Minuten", macht Montag deutlich.

In einem anderen Versuch habe sich gezeigt, dass die bloße physische Anwesenheit des Smartphones bereits Aufmerksamkeit bindet. "Wenn ich mir also eine Lern- oder Arbeitsumgebung schaffen möchte, dann muss das Gerät aus dem Raum raus." Sonst sei man darauf konditioniert, immer wieder zum Smartphone zu greifen.

Wer sich eine gute Lern- und Arbeitsumgebung schaffen möchte, sollte das Handy in einen anderen Raum legen.

Wer sich eine gute Lern- und Arbeitsumgebung schaffen möchte, sollte das Handy in einen anderen Raum legen. © Uwe Anspach/dpa-tmn

Wer beruflich viel vor dem Bildschirm sitzt, sollte vor allem abends "ganz klar einen Cut machen", empfiehlt Brailovskaia. "Auch wenn es schwierig ist: Es sollte eine Uhrzeit geben, zu der die technischen Geräte ausgeschaltet werden." Das sollte nicht nur für einen selbst, sondern für den ganzen Haushalt gelten.

Miller rät, zum Beispiel abends das Smartphone auszuschalten und es morgens nicht als ersten Gegenstand zur Hand zu nehmen. Wer morgens schon damit startet, eine Stunde im Bett durch Instagram zu scrollen, komme den ganzen Tag über schwerer wieder aus diesen Handlungen raus.

"Ich kann mir stattdessen vornehmen, das Smartphone erst anzuschalten, wenn ich das Haus verlasse", rät Miller.

Verschiedene Messenger, Social-Media-Plattformen, und überall bimmelt es: Es kann helfen, die Anzahl an genutzten Apps zu reduzieren. Wer nicht überall vertreten ist, hat auch weniger zu gucken.

Hier hilft klare Kommunikation: "Steht in Ihrer E-Mail-Signatur, wann Sie per E-Mail erreichbar sind und welche Regeln im Notfall gelten, reduzieren Sie automatisch den Kommunikationsüberfluss. Und können getrost auch mal einen halben Tag nicht in die E-Mails schauen", so Miller. Im Notfall kann man immer noch zum Telefon greifen und anrufen.

Es kann auch helfen, verschiedene Social-Media-Apps ganz vom Smartphone zu löschen und sie stattdessen nur im Browser zu nutzen. Das unterbindet den Impuls, direkt auf die App zu klicken, sobald man das Smartphone zur Hand nimmt. Nutzt man Social Media beruflich, ist laut Miller ein Zweithandy sinnvoll, das nach Feierabend im Büro bleibt.

Miller rät: Teilen Sie Ihrem Umfeld mit, wie und wann Sie erreichbar sind. Dann müssen Sie sich keine Sorgen machen, einen wichtigen Anruf zu verpassen. Oder dass der Partner sauer ist, weil man nicht sofort reagiert. Wohnt man nicht zusammen, kann man einfach eine Uhrzeit zum Telefonieren ausmachen - statt ständig online zu sein.

"Ich finde, man sollte sich auch daran erinnern, wie man sich selbst fühlt, wenn das Gegenüber im Gespräch ständig ins Handy schaut", sagt Miller. Der Autorin zufolge gilt es, vermehrt dafür einzustehen, dass man wertvoll genug ist, die gesamte Aufmerksamkeit einer Person zu bekommen.

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