Moderate Bewegung

Schlanker und glücklicher durch Wandern? Diese Effekte hat der Hobbysport

27.8.2023, 08:08 Uhr
Wandern sorgt für gute Laune.

© Christin Klose/dpa-tmn Wandern sorgt für gute Laune.

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Sie kennen das vielleicht: Sie sind umgeben von alten Bäumen, deren Blätter im Sonnenlicht hellgrün leuchten. Sie blicken von einer Anhöhe in die Ferne und sehen eine traumhafte Gebirgslandschaft. Und dann passiert es: Sie atmen durch, sind ganz im Moment. Der Alltag ist weit weg. Solche Momente entstehen beim Wandern durch die Natur.

Wenn wir in schöner Natur sind, tritt meist ziemlich schnell ein Entspannungsreflex ein. So beschreibt es Prof. Rüdiger Reer.

"Es fällt alles von einem ab. Sie entrücken dem Alltag", sagt der Generalsekretär der Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP). Diesen Entspannungseffekt löst das limbische System aus, das in unserem Gehirn die Gefühle verwaltet.

Aber das ist nur der Anfang.

Wandern wirkt vielschichtig auf Körper und Geist. Es ist deshalb so nachhaltig, weil Sie sich oft über mehrere Stunden oder tagelang körperlich betätigen. Ein Kontrast zum Alltag vieler Menschen - die moderne Gesellschaft bewegt sich zu wenig.

Nach Angaben der Deutschen Herzstiftung droht vielen Menschen Bewegungsmangel, der sich negativ auf die Gesundheit auswirken kann: Viele sitzen fast den ganzen Tag – am Schreibtisch, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Auto und auf der Couch.

Die gute Nachricht: Daran lässt sich etwas ändern.

Sie können ohne viel Vorbereitung oder Ausrüstung einfach loswandern, je nachdem, wie ambitioniert Ihr Vorhaben ist.

Diese 3 Gründe sprechen grundsätzlich für das Wandern:

  1. "Aufgrund der moderaten Bewegung ermöglicht Wandern es den meisten Menschen, langsam in eine sportliche Betätigung zu kommen", sagt Klaus Erber, 1. Vorsitzender beim Deutschen Wanderinstitut.
  2. Wandern ist für den Menschen die natürlichste Bewegungsform. Es wirkt präventiv gegen viele Krankheiten und taugt sogar zur Therapie. Das passiert ganz automatisch, sagt Prof. Reer, der Leiter des Arbeitsbereichs Sport- und Bewegungsmedizin an der Uni Hamburg ist.
  3. Wandern ist dabei kein Leistungssport, sondern "sanftes und stufenlos verstellbares Ausdauertraining", wie es beim Deutschen Wanderverband (DWV) in Kassel heißt.

Die Vorteile:

  • Sie übernehmen sich nicht so schnell.
  • Die gleichmäßige Bewegung ist gesund.
  • "Es ist eine wohldosierte Ganzkörperbelastung", sagt Professor Reer.
Einfach mal abschalten: Wanderer genießen die Ruhe in der Natur.

Einfach mal abschalten: Wanderer genießen die Ruhe in der Natur. © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-tmn

Die positiven Auswirkungen auf Körper und Gesundheit sind vielfältig.

Diese 6 Punkte sind dabei besonders zentral:

"Der Blutdruck wird dauerhaft gesenkt", sagt Prof. Reer. Denn beim Wandern werde über einen längeren Zeitraum vermehrt Stickstoffmonoxid (NO) ausgeschüttet. Dieses Gas reguliert den Blutdruck und ist dem Experten zufolge ein wichtiger, körpereigener Gefäßerweiterer. So sinkt das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Hinweis: Die Luft in höheren Lagen ist dünner, daher sollten Menschen mit Herzproblemen Höhen von mehr als 2500 Metern meiden. Dort steigt das Herzinfarktrisiko. "Ein gesundes Herz ist für die höhere Belastung auf 2500 Metern und mehr dagegen gewappnet", sagt Reer.

Die höchsten Hauptgipfel Deutschlands sind höher als 2500 Meter:

  • Zugspitze (2962 Meter)
  • Hochwanner (2744 Meter)
  • Watzmann-Mittelspitze (2713 Meter)

Tipp: Der Deutsche Sportärztebund (DGSP) rät Menschen ab 35 Jahren, sich ärztlich untersuchen zu lassen, bevor sie mit dem Wandern beginnen - meistens ist das eine Leistung, die die Krankenkassen übernehmen.

Eine Voraussetzung dafür: Sie wählen eine Ärztin oder einen Arzt, den die DGSP empfiehlt. Eine Liste empfohlener Sportmediziner finden Sie online, geordnet nach Postleitzahlen.

Übrigens: Der Ruhepuls liegt laut Deutscher Herzstiftung...

  • bei Erwachsenen bei 60 bis 80 Schlägen.
  • bei älteren Kindern und Jugendlichen bei 80 bis 100.
  • bei Kleinkindern bei 100 bis 120 Schlägen.

Durch körperliche Aktivitäten wie das Wandern wird der Ruhepuls gesenkt. Das bedeutet: Ihr Herz wird kräftiger und kann mit einem Schlag mehr Blut in die Hauptschlagader pumpen.

Der Effekt tritt ein, da Sie sich moderat über einen längeren Zeitraum körperlich belasten. "Wenn Sie sich kaum bewegen oder die Belastung zu hoch ist, hat das einen schlechten Effekt auf das Immunsystem", sagt Bewegungsmediziner Reer.

Zudem bildet der Körper bei Tageslicht Vitamin D: "Auch angesichts der Covid-19-Pandemie ist das zur Immunstimulation besonders gut."

Noch ein Pluspunkt: Gegenüber anderen Infektionskrankheiten ist man weniger anfällig, weil der Körper durch Bewegung Cortisol abbaut. Dieses Stresshormon hemmt laut Reer das Immunsystem.

Am meisten trainieren Sie beim Wandern folgende Körperteile:

  • Oberschenkel
  • Waden
  • Gesäßmuskulatur (vor allem bei Steigung und Gefälle)

Aber nicht nur das: "Wandern ist eine fantastische Sportart, weil fast alle Muskeln beansprucht werden", sagt Reer.

Auf unebenen Wegen kommt das Körperzentrum immer wieder aus dem Lot. "Der Rücken gleicht das aus", erklärt der Experte. Außerdem tragen die Hüft- und Bauchmuskeln zur Stabilisierung bei. Auch Schultern und Arme sind auch beim Wandern gefordert, weil sie die Beinbewegungen ausgleichen.

Mit einer gut trainierten Muskulatur sinkt das Verletzungsrisiko.

Wandern stärkt laut Deutschem Wanderverband den gesamten Bewegungsapparat:

  • Knochen
  • Sehnen
  • Bänder
  • Gelenke

Es klingt unlogisch, aber durch Belastung - sofern diese nicht übertrieben ist - werden auch die Gelenke belastbarer.

Der Grund: Wenn sich Muskeln aufbauen, schützt das die Gelenke vor Stößen und direkter Krafteinwirkung. Beim Wandern ist der Effekt laut Reer besonders gut, da Sie ihre Muskeln auf unebenem Terrain, über Stock und Stein, vielfältig und filigran trainieren.

Tipp: Nutzen Sie Wanderstöcke, rät Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein (DAV). Das gilt besonders für steile Abstiege. Sonst können die Kniegelenke durch eine zu große Belastung Probleme machen.

Die Stöcke sorgen für Ausgleich. "Das Körpergewicht wird besser verteilt, und man ist trittsicherer", sagt Winter. Auch die Hüftgelenke werden vor Überbelastung geschützt.

Der Rhythmus der Bewegung und die immer wiederkehrenden Auf- und Abstiege wirken beruhigend auf die Psyche.

Reer erklärt: "Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin werden reduziert, Glückshormone wie Endorphine oder Serotonin werden gesteigert, wenn Sie sich über einen längeren Zeitraum betätigen. Das ist sehr gut für die Entspannung."

Das zeigt auch eine repräsentative Studie, die im Auftrag des Deutschen Wanderverbandes durchgeführt wurde. Dort heißt es:

  • 82,7 Prozent der Wanderer fühlen sich nach einer Wanderung glücklich und zufrieden.
  • 73,8 Prozent fühlen sich immerhin seelisch ausgeglichener.

Für diese Studie hat das Europäische Tourismus Institut an der Universität Trier 2010 insgesamt 3000 Menschen telefonisch befragt.

Dem Himmel ganz nah: Beim Aufstieg kommt das Glücksgefühl.

Dem Himmel ganz nah: Beim Aufstieg kommt das Glücksgefühl. © Tom Nebe/dpa-tmn

Wandern regt den Stoffwechsel an und hilft beim Abnehmen besonders effektiv. Das hat zwei Gründe:

  1. "Man verbraucht sehr viele Kalorien", sagt DAV-Fachmann Winter. Sie gehen bergauf und bergab, und das ist anstrengend. "Sie müssen Ihren Körper ja gegen die Schwerkraft bewegen."
  2. In der Regel betätigt man sich beim Wandern viel länger als bei anderen Sportarten – und verbrennt allein dadurch in der Praxis oft mehr Kalorien.

Wie schneidet das Wandern im Vergleich zum Joggen ab?

Ab einer Dauer von vier Stunden hat Wandern beim Abnehmen einen größeren Effekt als Joggen, sagt Reer.

Der Professor erklärt dies an einem Beispiel: Wandert eine etwa 75 Kilo schwere Person vier Stunden auf relativ ebener Strecke, verbraucht sie etwa 1400 Kilokalorien.

"Dies ist mehr als beispielsweise eine Stunde Joggen." Denn dabei würde dieselbe Person bei einer recht zügigen Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa zwölf Stundenkilometern rund 1000 Kilokalorien verbrennen.

Allerdings sollten Sie bedenken: Joggen können Sie täglich, zum Wandern bleibt oft nur die Zeit am Wochenende oder im Urlaub.

Dauerhafte Fettverbrennung durch Wandern

Die Pfunde purzeln auf sanfte Weise - das macht die Aktivität vor allem auch für Übergewichtige und ältere Menschen attraktiv: "Wandern ist eine gute, gelenkschonende Alternative", sagt Reer - und daher ideal zum Abnehmen. Anders als Joggen.

Wer regelmäßig auf Pfaden, Steigen und Wegen unterwegs ist, stellt den Körper dauerhaft auf Fettverbrennung um. Der Organismus wird darauf trainiert, vermehrt Fettreserven als Energiequelle zu nutzen, auch wenn der Körper ruht.

Hinzu kommt: "Muskeln verbrauchen im Ruhezustand generell mehr Kalorien als Fettgewebe", heißt es beim Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg. Auf einer fünftägigen Tour sei es möglich, etwa zwei bis vier Kilo abzunehmen. "Bauch- und Hüftspeck kriegen Sie durch regelmäßiges Wandern weg", sagt Stefan Winter.

Auf die richtige Ernährung achten

Wenn Sie kulinarischen Verlockungen wie Käseknödeln in Südtirol oder Schweinsbraten und Weißbier in Bayern erliegen und dann noch Apfelstrudel mit Sahne genießen, riskieren Sie den Abnehmeffekt.

"Auf der Hütte schmeckt es am besten, ich weiß, der Verzicht ist schwierig", sagt Winter.

Der Experte empfiehlt...

  • ausgiebig zu frühstücken.
  • nach etwa zwei Stunden des Unterwegsseins etwas zu essen, etwa eine Banane oder Studentenfutter.

Wie viele Kalorien Sie beim Wandern genau verlieren können

Laut DWV kann eine 70 Kilo schwere Person beim Wandern in ebenem bis hügeligem Gelände mehr als 300 Kilokalorien pro Stunde verbrennen. Das sei vergleichbar mit Fahrradfahren bei mittlerem Tempo.

Das bedeutet aber auch: Sind Sie in den Alpen unterwegs, wo es steiler und anstrengender wird, purzeln noch mehr Pfunde.

Wie viele Kalorien Sie genau verbrennen, hängt von verschiedenen Faktoren ab, erklärt der Deutsche Wanderverband:

  • Geschlecht
  • Alter
  • Körpergröße
  • Gewicht
  • Länge der Wanderung
  • Höhenmeter
  • Gewicht des Gepäcks

Zwei Beispiele zur Veranschaulichung:

Wollen Sie Ihren persönlichen Energieverbrauch wissen? Stefan Winter vom DAV empfiehlt einen der vielen Kalorienrechner im Internet.

Glücklich macht Wandern ziemlich schnell. "Nach 30 bis 60 Minuten haben sie einen akuten Effekt", sagt Reer. Dann werde das landläufig so genannte Glückshormon Serotonin ausgeschüttet.

Analog zum Runner's High beim Joggen können auch Wanderer ein Hochgefühl erleben - in dem Moment, wenn zusätzlich Endorphine die Blutbahn fluten.

Empfehlung: regelmäßig Wandern. "Der signifikante Effekt im Sinne einer strukturellen gesundheitlichen Veränderung bei Blutdruck, Herz und Co. bleibt aus, wenn Sie nicht regelmäßig wandern", sagt Reer.

"Wenn Sie sagen: Wandern ist mein Ding, müssten Sie etwa 2,5 Stunden jedes Wochenende wandern gehen", erklärt Reer.

Bleibt Ihnen nicht so viel Zeit, spricht nichts dagegen, gelegentliches Wandern mit anderen sportlichen Aktivitäten zu verbinden - indem Sie etwa mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.

"Hauptsache, Sie kommen auf 150 bis 300 Minuten Bewegung in der Woche", sagt Reer. Dies entspreche der jüngsten Aktivitätsempfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Tipp: Immer gut aufwärmen.

Wandern ist zwar kein Hochleistungssport, doch Dehn- und Aufwärmübungen können vor Verletzungen schützen. Erwärmtes Muskelgewebe ist etwa 15 Prozent dehnbarer als kaltes.

Am besten dehnen Sie vor allem die Waden-, Oberschenkel- und Rückenmuskulatur, um Zerrungen vorzubeugen, rät der Wanderverband und gibt dazu online Tipps.

Bei welchen gesundheitlichen Problemen kann Wandern helfen?

  • Arthrose und Osteoporose: Durch die stetige Be- und Entlastung findet ein idealer Austausch der Gelenkflüssigkeit statt. "Die Gelenke werden ideal geschmiert und ernährt", sagt Reer. So beugen Sie übermäßigem Gelenkverschleiß vor. Auch gegen Osteoporose, also Knochenschwund, könne Wandern präventiv wirken.

Denn: Das gesamte Körpergewicht wirkt auf das Skelett ein. Die Muskulatur übt eine Druck-Zug-Belastung aus, heißt es bei der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken. Der Effekt: Der Knochenstoffwechsel wird angeregt, die Knochenstruktur verbessert.

  • Diabetes mellitus: "Während der Belastung verbrauche ich Zucker, der Blutzuckerspiegel wird gesenkt", sagt Reer. Zudem werde die Insulinsensitivität durch Bewegung verbessert. Die körpereigenen Insulinzellen vermehren sich. So sinkt das Risiko an "Zucker" zu erkranken signifikant. Zudem könnten Krankheitsverläufe verlangsamt werden.
  • Demenz: Weil auch das Gehirn beim Wandern besser durchblutet wird, kann der altersbedingte Abbau von Nervengewebe verlangsamt werden. "Der Stoffwechsel im Gehirn wird durch Wandern angekurbelt, sodass sich die Nervenzellen dichter vernetzen und aktiver sind. Das beugt Demenz vor", sagt Mediziner Reer. Die Entwicklung der Demenz werde verlangsamt und eine Verschlechterung hinausgezögert.
  • Depression: "Weil Wandernde das Gefühl haben, etwas geleistet zu haben, wird das Selbstbewusstsein gestärkt - ein positiver Effekt auch bei Depressionen", sagt Winter. Es ist zwar kein Heilmittel, aber teils wird Wandern als Therapie gegen Depressionen eingesetzt.

Das ist eine sinnvolle Sache, bestätigt Mediziner Reer: "Wandern lenkt durch das Natur- und Bewegungserlebnis von quälenden Grübeleien ab." Zudem würden die durch Wandern verursachten Stoffwechselvorgänge, etwa die Ausschüttung von Glückshormonen wie Endorphinen und Serotonin, eine Depression positiv beeinflussen.

  • Krebs: Durch moderate Bewegungen über längere Zeiträume wirkt Wandern präventiv. "Zellen, die entarten wollen, werden unter Kontrolle gehalten", sagt Professor Reer. Dies geschehe dadurch, dass sogenannte Killerzellen und andere immunkompetente Zellen gebildet werden, die krebsfördernde Moleküle unter Kontrolle halten beziehungsweise eliminieren. Jede Art der Bewegung wirke sich auf die beschriebene Weise vorbeugend aus. Doch Wandern eigne sich besonders gut, weil Sie sich dabei über einen längeren Zeitraum moderat bewegen.

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