"Übertrieben" traurig: Die letzte Feier im Planet

20.6.2014, 08:02 Uhr
Ein letztes Mal wurde am Mittwochabend im Planet gefeiert.

© Dennis Strassberger Ein letztes Mal wurde am Mittwochabend im Planet gefeiert.

Das findet auch Hanno Schuster, der am Eingang stehend das schier unendliche Defilee der Kondolierer in Empfang nimmt und vom Wandel der Gesellschaft, lachenden und weinenden Augen und großem Respekt vor den „kleinen Clubs, die die Trends machen, von denen wir Großen leben“ spricht.

Der Riesenansturm, meint der Geschäftsführer mit Blick auf die hunderte Meter lange Schlange vornehmlich junger Menschen, entspräche durchaus seiner Erwartung. Aber irgendwie „ist das schon extrem heute“ wie auch die „hochstilisierende Berichterstattung“ im Vorfeld durch alle Medien hindurch, bei der „man sich schon fragt, ob es nicht wichtigeres auf der Welt gibt als eine schließende Disko in Nürnberg.“

Einlassstop um kurz nach Mitternacht, das bedeutet: 2500 Gäste, die der alten Dame „Planet“ dringend nochmal ihre Aufwartung machen wollten. Und die, ist sich Hanno Schuster sicher, „ab jetzt halt einfach gar nicht mehr weggehen.“ Nun, ganz so endgültig wird’s dann womöglich doch nicht kommen. Während Michael (20) „das alles voll schlimm findet“, mit dem Schicksal hadert und Klingenhof-Nachbar „Marquee“ sowie die in der Regensburger Straße ansässige Russen-Disko „Rascha“ als einzig akzeptable Alternative zum künftigen Ausgehvergnügen erachtet, ist Kumpel Philip gelassen. Der 21-Jährige war noch nie hier, aber weil’s die letzte Party ist, dachte er sich: „Jetzt erst recht, das muss man ja schon mal gesehen haben.“

Auch Lisas Trauer hält sich in Grenzen. Dreimal, so die 24-Jährige, sei sie bislang hier gewesen, es gefiele ihr hier nicht so, aber ihrer Freundin Nicole zuliebe könne man das heute jetzt schon mal machen. Besagte Freundin war hier auch „eher früher“. Dass das „Planet“ schließt, erklärt die 22-Jährige, stehe gewissermaßen „für das Ende ihrer Jugendzeit“ und für früher, als alles besser war.

Musik besser, Leute besser, wissen auch Fabian (23) und Valentin (23), die „mal viel hier waren“, aber mittlerweile kaum noch weggehen. Alternativen, sagen die Herren mit der steilen Frisur, seien knapp: „In den anderen großen Läden wie im Mach oder Goja sind doch nur Möchtegerns und Bonzen, und die kleinen Clubs kann man sich sparen“ wird die große Verzweiflung zum Ausdruck gebracht, während sich die Tanz- und Stehflächen außenrum immer weiter füllen, Wodka-Boote von links nach rechts getragen und Luftküsschen verteilt werden.

Es sei, so Susanne und Julia, hier immer so familiär gewesen, „die DJs nett und die Barkeeper nett und alle nett und außerdem alles nicht so teuer“, rühmen die beiden 20-Jährigen die Vorzüge ihrer Stammdiskothek, die „jetzt gewaltig fehlen wird.“ Ins „Marquee“  zu gehen könne man sich gerade noch vorstellen, „in der Innenstadt waren wir überhaupt noch nie aus“, was es denn da so gebe außer der „Nachtschicht“?

„Wohin stattdessen“ ist auch eine Frage, die sich Julia, Lisa, Julia und Sina stellt. Die vier Freundinnen um die zwanzig „waren schon immer hier dabei“ und fanden es „ziemlich traurig, heute herzufahren“. Ungezwungen Spaß zu haben sei gewesen, was das „Planet“ ausgezeichnet habe, deswegen wolle man von der zweiten Heimat heute „ehrwürdig Abschied nehmen“. Das geht am besten an der Bar: großer Ausverkauf, Bier 1,50, Schnäpse für noch weniger, da kriegt man seine Trauer schnell in den Griff, auch wenn Gianni und Onur, die beide ein Jahr als Runner und „sonst ständig privat hier“ waren sich sicher sind: „Das Planet wird übertrieben fehlen!“ Übertrieben. Gutes Wort.

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